Der Blindenhund

Barbara war nicht nur sehr kurzsichtig, sondern auch eitel. Aber sie wäre nie auf die Idee gekommen eine Brille zu tragen. Und da sie gegen ihre Haftschalen allergisch war, konnte Barbara von Nahem besehen eigentlich nur blind sein. Nun, trotzdem gebrauchte sie keinen Stock und ihr Revers zierte auch kein Blindenabzeichen. Ich kann also nicht behaupten, dass sie sich tastend durch die Welt bewegte. Das nicht…
Im Gegenteil, Babara bewegte sich mit der Sicherheit einer Schlafwandlerin. Und oft dachte ich: Hoffentlich erwacht sie nicht plötzlich aus einem Traum. Dann würde sie abstürzen. Da war ich mir sicher.
Wenn ich aber mit ihr ausging, wusste ich trotzdem nicht, was sie nun wirklich sah. Und wenn ich auch kein Augenarzt bin oder Optiker, vermutete ich immer, dass Barbara ihre Umgebung allenfalls auf Armeslänge wahrnahm. Sobald ich aber neben ihr herging, sah sie meinen Körper nur noch unscharf. Und blieb ich einen halben Schritt zurück, denn Babara ging immer sehr schnell, musste sich mein Körper in ihrem Gesichtsfeld aufgelöst haben. Vielleicht, dachte ich oft, verließ sie sich doch eher auf ihren Geruchsinn, auch wenn ich sie wie ein Blindenhund begleitete.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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