Flüchtlingshilfe auf Augenhöhe

„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“, lautet das berühmte Zitat John F. Kennedys, dessen Worte Mohamad Moneer Alshikh gern auch auf Arnsberg überträgt.            				                               Foto: Thora Meißner
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  • „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“, lautet das berühmte Zitat John F. Kennedys, dessen Worte Mohamad Moneer Alshikh gern auch auf Arnsberg überträgt. Foto: Thora Meißner
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„Neue Nachbarn Arnsberg“ – wird zur rechten Hand der Verwaltung

Ganz Deutschland redet über Flüchtlinge. Wie die Menschen untergebracht, versorgt und auch integriert werden sollen. Wie das Ganze finanziert werden soll und so weiter. Von den Kommunen, hinweg über die Medienwelt und zahlreiche Organisationen in der Flüchtlingshilfe bis hin zum Bürger – alle reden über Flüchtlinge. Erstmals dreht eine Kommune nun das Rad und begegnet Flüchtlingen auf Augenhöhe. Redet nicht über sie, sondern MIT ihnen. Arbeitet nicht für sie, sondern MIT ihnen. Die Stadt Arnsberg setzt dabei auf die „Koproduktion“ von bürgerschaftlichem Engagement in der Verwaltung, hier explizit auf die Mitarbeit der Flüchtlinge selbst.

Die meisten von ihnen sind gerade einmal seit sechs Monaten in Deutschland – lernen akribisch Deutsch und möchten der Stadt Arnsberg nun etwas zurückgeben. Die Rede ist von der Community „Neue Nachbarn Arnsberg“, die bereits 25 ehrenamtliche Mitglieder aufweist – allesamt Menschen, die aus ihren Heimatländern geflohen sind und sich nicht mehr in der „Opferrolle“ sehen wollen.

Sie packen es selber an, möchten ankommenden Menschen beim Start in Arnsberg helfen und in Kommunikation mit örtlichen Institutionen, Vereinen sowie Schulen treten. Und zu guter Letzt auch Aufklärungsarbeit leisten – um mögliche sprachliche, kulturelle oder menschliche Barrieren aufzulösen.

„Wir haben diese Gemeinschaft gegründet, um denjenigen Menschen, die uns willkommen hießen, ihre Häuser und Schulen für uns öffneten, etwas zurückzugeben“, erklärt Moneer Alshikh, den Hans-Josef Vogel als „Bürgermeister der Flüchtlinge“ betitelt.

Stadt stellt „Neue Nachbarn Arnsberg“ Büro im Rathaus

Der „Bürgermeister der Flüchtlinge“ müsse natürlich auch im Rathaus sein, so Hans-Josef Vogel, ansprechbar für Verwaltung, geflüchtete Neubürger und Einheimische, wie auch umgekehrt. Daher erhielt „Neue Nachbarn Arnsberg“ einen Schlüssel für das neue Rathaus, ein Arbeitszimmer und einen Internetanschluss.

Die Idee entstand nach der Solidaritätsaktion von Flüchtlingen aus der Notunterkunft „Pestalozzischule“, die den Opfern des Terroranschlags von Paris gewidmet war. Hier lernte Bürgermeister Hans-Josef Vogel Moneer Alshikh kennen. Er hatte den Schweigemarsch organisiert.

„Weitere Flüchtlinge kamen hinzu. Wir hatten ein anregendes, wertvolles Gespräch miteinander und sind auf diesem Wege Freunde geworden“, erzählt Hans-Josef Vogel.

Ein erstes Ziel sollte sein, den Flüchtlingen Gesichter zu geben. Er habe Moneer nicht als Flüchtling kennengelernt, so Hans-Josef Vogel, sondern vielmehr als „Moneer Shell Damaskus“. Der Bürgermeister stützt sich dabei auf die Philosophie von Hannah Arendt (jüdisch-deutsch-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin, 1906-1975), die ein Konzept von „Pluralität“ im politischen Raum vertrat. Eine potentielle Freiheit und Gleichheit aller Menschen in der Politik. Wichtig dabei ist es, die Perspektive des Anderen einzunehmen. Und genau das macht die Stadt Arnsberg nun in ihrem Vorgehen.

Denn sie betreibt die Flüchtlingshilfe nicht über den Kopf der Menschen hinweg, sondern bezieht diese in das Geschehen ein! Damit ändere sich auch die Rolle der Flüchtlinge in Arnsberg: Aus dem Flüchtling werde ein konkreter, aktiver, ehrenamtlicher Bürger, aus dem Hilfeempfänger ein Helfer, aus einem Ratsuchenden ein Berater, aus einer Flüchtlingsunterkunft ein Haus der Ressourcen und Potentiale.
„Und das ist das völlig Neue: Flüchtlingshilfe umgekehrt zu organisieren. Flüchtlinge helfen uns, besser zu werden“, sagt Hans-Josef Vogel.

Flüchtlinge werden Akteure

Was möchten Flüchtlinge? Wobei benötigen sie Hilfe? Und wie kann man ihnen helfen – auf Augenhöhe und nicht von oben herab? Wer könnte diese Fragen besser beantworten, als die Menschen selbst? Die Community „Neue Nachbarn Arnsberg“ widmet sich genau diesen Fragen und setzt dort an, wo die Verwaltung an ihre Grenzen stößt. An den vermeintlich kleinen Dingen der gelebten Integration.

Oftmals unterschieden sich die Wünsche der Flüchtlinge mit jenen Vorstellungen, die sich in den Köpfen vieler Menschen aufgrund der mageren kulturellen Kenntnisse über das jeweilige Land breitmachten, erklärt Vogel. Deshalb müsse man die Menschen selbst einbeziehen – sie direkt fragen. Nur so könne eine Kommune gezielter und vor allem effizienter arbeiten.

Als Beispiel führte er eine Gruppe Flüchtlingsfrauen, die in Alt-Arnsberg lebt, an. Dort habe eine Befragung ergeben, dass die Frauen als Erstes Deutsch lernen und auch gern aktiv Sport machen würden – statt Kochen, Nähen und Stricken. Auf die Frage hin, ob man ihnen zu diesem Zwecke eine Kinderbetreuung einrichten solle, antworteten sie: „Das machen unsere Männer“. Also völlig anders, als viele Menschen es ggf. vermutet hätten.

Die Mitglieder von „Neue Nachbarn Arnsberg“ sind sehr aktiv:
- Übersetzungen beim Arzt, im Krankenhaus, bei Behörden, Banken und Sparkassen
- Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen / Kinderbetreuung
- Praktikumsplätze für drei Personen bei Interprint besorgt
- Sprach- und Wissenschaftsunterricht
- Kooperationen mit Jugendamt und Co.

„Wir brauchen zum Beispiel keine Dolmetscher beauftragen, wenn die neuen Nachbarn Arnsbergs in Krankenhäusern und Co. bei der Kommunikation helfen. Das spart auch Geld“, sagt Hans-Josef Vogel.

Für die Zukunft haben sie sich vorgenommen, Ankommende über Kultur, Umgangsformen und das Leben in Deutschland (hier: Arnsberg) zu informieren. Sie streben Projekte in allen gesellschaftlichen Bereichen (Kinder, Jugendliche, Senioren) an und möchten auch ihre Herkunftsländer, ihre Kultur und Gebräuche in Universitäten, Schulen und Unternehmen vorstellen. Eben ganz getreu ihrem Motto: "Wir wollen etwas für Arnsberg tun“.

Kontakt zu „Neue Nachbarn Arnsberg“:
Eng. Mohamad Moneer Alshikh
Rathausplatz 1, Zimmer 116
Tel. 02932/201-1827
Mobile: 0157/75103147
Email: neue.nachbarn.arnsberg@gmail.com
Facebook: www.facebook.com/n.n.arnsberg

„Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst.“, lautet das berühmte Zitat John F. Kennedys, dessen Worte Mohamad Moneer Alshikh gern auch auf Arnsberg überträgt.            				                               Foto: Thora Meißner
„Neue Nachbarn Arnsberg“ bedankt sich bei der Firma Interprint für die Trainingsgelegenheiten für die Flüchtlinge. Foto: Neue Nachbarn Arnsberg
Autor:

Thora Meißner aus Arnsberg

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