„Sie gehören einfach dazu“

Karola C. und Christel H. – Alltagslotsen von Javid, Gulkan und Nazrath

Karolas Augen strahlen, als sie von „ihren Jungs“ Javid, Gulkan und Nazrath erzählt. Kein Wunder – denn als pensionierte Lehrerin liegt ihr auch heute viel an der Jugend. Gemeinsam mit Christel begleitet sie seit ein paar Wochen drei jugendliche Flüchtlinge als Alltagslotse. Die 16- und 17-jährigen Afghanen sind allein – ohne Familie oder sonstige Begleitung – geflohen und wurden in Arnsberg herzlich aufgenommen!

Als Karola und Christel die drei afghanischen Jugendlichen kennenlernen, hätte keine von ihnen geahnt, dass sich daraus in so kurzer Zeit so viel entwickeln kann. Denn es trennen sie rund 50 Jahre, sprachliche Barrieren und eine Vergangenheit, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnte. Was haben diese Jungs erlebt? Wie werden sie auf „die beiden Omis“ reagieren?

Umso erfreuter sind die Patinnen, als Javid, Gulkan und Nazrath sie bereits mit deutschen Worten begrüßen: „Guten Tag. Wie geht es Ihnen?“ Die Fünf treffen sich an einem „neutralen Ort“ – fernab der kommunalen Asylunterkunft, fernab des alltäglichen Flairs. Genau da, wo Jugendliche in ihrem Alter sich halt aufhalten – im Jugendzentrum Hüsten.

Beim ersten Aufeinandertreffen sind auch das Familienbüro, ein Dolmetscher und die Mitarbeiter des Jugendzentrums dabei. Ziemlich schnell baut sich eine gewisse Vertrautheit auf. Und das ist auch gut so – denn Karolas und Christels Aufgabe ist es mitunter, den drei Jungs auf alltagstaugliche Art und Weise die deutsche Sprache näher zu bringen und für eine Abwechslung im sonst eher eintönigen Alltag zu ermöglichen. „Es spielt eine überaus große Rolle, dass da die Chemie stimmt!“, erklärt Christian Eckhoff, Ansprechpartner im Arnsberger Familienbüro. „Wenn die beiden Patinnen hier nicht so eine Vertrautheit reingebracht hätten, wäre das alles nicht so gelaufen“.

Motiviert lernen – stolz präsentieren

Dass die Chemie zwischen Karola, Christel und den drei Jugendlichen stimmt, zeigt allein schon der respektvolle Umgang miteinander. „Nazrath ist schon ein kleiner Charmeur“, stellt Karola augenzwinkernd fest. Aber auch die anderen beiden Jungs sind enorm freundlich und suchen mittlerweile auch gezielt die Nähe zu ihren Patinnen. Einer begrüßte Karola und Christel sogar schon mit den Worten: „Du bist meine Mama 1 und du meine Mama 2“.

Akribisch wird Deutsch gelernt – aber nicht, weil Karola einst im Lehramt stand, sondern weil sich die drei Afghanen so schnell wie möglich in ihrer neuen Heimat zurechtfinden und artikulieren möchten! Anhand des Workbooks „Deutschkurs für Asylbewerber“ nach dem Thannhauser Modell gehen Karola und Christel die alltäglichsten Situationen mit ihnen durch. Und sie lernen schnell. Resümieren, verstehen und verinnerlichen.

Karola und Christel haben aber auch ziemlich schnell gemerkt, dass das Lernen im Jugendzentrum gar nicht so leicht ist – denn hier steht der Spaß im Vordergrund. Daher treffen sich die Patinnen mit „ihren Schützlingen“ im Gemeinschaftsraum der Unterkunft. Stolz präsentieren die Jugendlichen dabei ihre Hefte, in denen sie all das zu Papier gebracht haben, was sie bisher an deutschen Worten gelernt haben.

„Unsere Hausaufgaben, bitte sehr“. Gut gemacht! Schnell gesellen sich weitere Kinder, Frauen und Männer aus den unterschiedlichsten Ländern dazu. Schreiben mit, hören zu, reden mit - wollen einfach teilhaben an diesem Unterricht. Wie gern würden die beiden Patinnen allen wissbegierigen Menschen helfen. Aber „allein“ ist das einfach nicht möglich!

Daher ist das Familienbüro in Arnsberg auch weiterhin auf der Suche nach interessierten Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen möchten. „Wichtig ist, dass die jungen Menschen Normalität erleben! Das alles wäre allein mit den hauptamtlichen Akteuren in Arnsberg gar nicht möglich“, resümiert Christian Eckhoff und appelliert an weitere Interessierte, sich als Alltagslotsen zu engagieren.

Rein ins Leben …

Zwei Mal die Woche holen Karola und Christel die Afghanen Javid, Gulkan und Nazrath aus ihrem „Alltag“ heraus und besuchen das Jugendzentrum, um sie für ein paar Stunden in Geselligkeit außerhalb der Unterkunft zu wissen – auch die Jugendlichen aus Hüsten haben die Drei bereits in ihr Herz geschlossen. „Teilweise kommen sie extra an den Tagen und warten auf die Drei“, freut sich Johanna Kenter vom Team im Jugendzentrum. Dann werden Billard- und Kickertisch unsicher gemacht. „Die werden immer besser“, sagt Justin, einer der Jugendlichen im Zentrum.

Javid, Gulkan und Nazrath lernen auch im Jugendzentrum Deutsch – teils sogar intensiver, weil das Lernen durch spielerische und aktive Kommunikation mit den anderen Jugendlichen schlichtweg einfacher fällt!

Natürlich hat das Team vorab mit den Jugendlichen des Jugendzentrums gesprochen und ihnen die Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erklärt. „Es gab nur zwei Fragen: Wieso sind die alleine? Was ist passiert?“, erklärt Beatrice Kapp-Günther. „Wir haben daran erinnert wie es für unsere Jugendlichen war, das erste Mal hier her zu kommen. Das war der Schlüssel. Javid, Gulkan und Nazrath waren sofort willkommen – sie gehören einfach dazu!“

Und wie ergeht es Karola und Christel als „ältere“ Besucher des Jugendzentrums? Auch sie fühlen sich pudelwohl, wurden herzlich empfangen und sind immer wieder gern gesehen!

Starkes Netzwerk – starke Jugend

Das Jugendzentrum Hüsten, das Familienbüro Arnsberg und die beiden Patinnen Karola und Christel arbeiten Hand in Hand. „Solche Patensysteme gibt es auch in anderen Kommunen. In Arnsberg funktioniert allerdings das breit gefächerte gesamtstädtische Netzwerk sehr gut“, fügt Christian Eckhoff an.

Nur so ist es möglich, die drei jugendlichen Afghanen derart zu integrieren, dass sie irgendwann auch alleine in der unbekannten und „neuen Welt Arnsberg“ klarkommen, ihren Weg finden und sich eine sichere Zukunft aufbauen können.

„Diese Kombination und das Miteinander handeln ist der Schlüssel. Wir wissen genau, dass wir uns an das Netzwerk wenden können, wenn einmal etwas nicht so gut läuft oder sonstige Probleme auftreten. Das macht uns sicher!“ Karola und Christel bleiben dran!

Autor:

Thora Meißner aus Arnsberg

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