Die Insel Sylt im Winter- Impressionen einer Reise

Spiegelung
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"Klaar Kiming".
Sylter Friesisch:
"Klare Sicht. Klarer Horizont"

Die Saison neigt sich dem Ende entgegen. Die Tage werden kürzer. Schon um 16.00 Uhr beginnt die Dämmerung. Die Temperturen sinken, es weht ein heftiger Wind. Wir wagen trotzdem eine Reise zum nördlichste Zipfel Deutschlands. Wir sind gespannt, was uns erwartet.

Meine Tagebucheinträge im November 2014:

1. Tag: Die Norseeeinsel bietet in der kalten Jahrszeit faszinierende Fotomotive, schillernde Farben, unendliche Weiten und menschenleere Strände. Die Wintermonate auf Sylt haben ihren ganz eigenen Reiz. Es herrscht eine vollkommene Ruhe in den Naturschutzgebieten. Nur Schafe und Möwen begleiten uns auf der Wanderung durch den Norden des Eilandes. Das Thermometer zeigt heute gerade mal 5° Grad Celsius an. Mit roten Nasen und eiskalten Händen stehen wir mit der Fotokamera inmitten der ausgedehnten Heidelandschaft. Wir können uns nicht satt sehen. Die Wanderdüne scheint schon wieder ein Stück weit voran gekommen zu sein.

2. Tag: Heute wagen wir uns mit dem Rad hinaus. Am Deich entlang gen Osten bis Morsum zum Kliffende. Der "Blanke Hans" fegt uns in Windeseile über die Insel. Die Wolkenfetzen ziehen am Horizont entlang. Bisweilen ein dramatisches Schauspiel! Bei diesem typischen Novemberwetter haben wir den Strand unterhalb des Morsumer Kliffs fast für uns allein. Mit dem Fernglas beobachten wir die Wasservögel im Wattenmeer. Manchmal wagt sich die Sonne gleißend durch die Wolkendecke. Sie blendet. Für einen Moment bevor sie sich wieder hinter "Schäfchen-Wolken" versteckt. Es war eine Radtour vom Feinsten. Wir trotzen dem "Blanken Hans", der uns den ganzen Tag entgegenweht. Rückenwind wär auch mal schön!

3. Tag: Heute braust ein heftiger Novembersturm über die Dünen von Osten her. Die Wellen peitschen an den Strand. Priele bilden sich. Füllen sich mit Meerwasser, Muscheln und Seegras. An Radfahren ist heute nicht zu denken. Wir wandern an der Odde entlang. Dick eingemummelt kann uns der Wind nichts anhaben. Wir genießen den stürmischen Tag im Süden der Insel. Kehren ein in die muckelig warme Teestube im Reetdachhaus. Mit einem traumhaften Sonnenuntergang verabschiedet sich dieser stürmische Tag.

4.Tag: Den nördlichsten Zipfel, den Ellenbogen mit seinem Königshafen erwandern wir heute. Weiter zu Fuß gehts nicht! Ab jetzt wäre nur noch schwimmen angesagt. Mitte November: keine gute Idee! Da begnügen wir uns mit dem Blick in die Ferne, an die Küste von Dänemark. Das Naturschutzgebiet ist ein Eldorado für Wanderer und Radfahrer, die einfach nur die Ruhe und Entspannung suchen. Wir atmen tief durch und lassen uns treiben, wohin der Wind uns weht.

5.Tag: Mit dem Fahrrad bei Wind und Wetter zum Strand, ist besser als mit dem Auto ins Büro. Wir sitzen trotz 5° Grad Celsius fest im Sattel. Strampeln uns warm und freuen uns über die Sonnenstrahlen, die es durch die Wolkendecke schaffen. Das Fahrrad bringt uns an Orte, wo wir sonst nicht hinkommen würden. Mit Ausblicken auf das Meer: zauberhaft! Als Krönung des Tages entdecken wir einen Seehund-Heuler, der sich am Strand in der Abendsonne aalt. Wir beobachten das Seehund-Baby mit unserem Fernglas aus sicherer Entfernung, bevor es ganz flink wieder in der Nordsee verschwindet.

6. Tag: Das Thermometer zeigt 7° Celsius. Seenebel breitet sich aus. Es nässt. Na, ja - es ist Mitte November. In vier Wochen ist Weihnachten. Was erwarten wir? Für einen Moment stellt sich die Frage: "Sollen wir oder sollen wir nicht? Radeln oder die Wellness-Oase nutzen? Der Blick auf das Barometer zeigt an: "Es wird besser!" Also rauf aufs Rad. Warm eingepackt erleben wir einen unvergesslichen Tag. Auch wenn ich zwischendurch mal dachte:

"Mauritius hätte auch etwas".

7.Tag: Die Begegnung mit einem alten Seebär. Beim Brötchenholen parkt ein knallroter, uralter Drahtesel neben meinem Pedellec. Ein "Seebär" mit seiner blauen handgestrickten Mütze steigt behäbig vom Rad, lacht mich an und sagt in seinen typisch friesischen Dialekt: "Moin. Ordentlich mal Gas geben. Nicht Motörken anschalten! Gibt Muckis!" Er klopft mir auf die Schulter und sagt: "Nix für Ungut. Sonn eingebauten Rückenwind wünsche ich mir auch manchmal bei der starken Briese hir op de Insel. Schönen Tach noch!" Gentleman-like hält er mir die Tür zur Bäckerei auf. Mit Blick auf die Leckereien, die duftend in der Theke liegen, empfiehlt er mir: "Probieren Se ma de Kliffkanten. Spezialität von uns Käpt' n Corl".

Ein wunderbarer Start in einen grauen, regnerischen Tag! Wir lassen uns die gute Laune nicht verderben. Wir haben doch Ferien! Also los gehts. Wir entdecken "Das Sylter Original". Wenn die Sonne heute halt nicht scheint, dann schauen wir einfach mal im traditionellen Famienbetrieb "Sylt-Strandkörbe" in der Hafenstaße in Rantum den Korbmachern über die Schulter. Bereits seit mehr als sechs Jahrzehnten werden in der Familie Trautmann die beliebten Strandkörbe in Handarbeit hergestellt. Eine außergewöhnliche Handwerkskunst auf der Insel. Wir probieren das Schmuckstück gleich aus. Trinken dazu einen heißen Friesetee und vergessen dabei und vergessen die Welt um uns herum.

Mit dem Auto fahren wir von Rantum nach Wennigstedt. Wir verspüren Hunger auf Meeresfrüchte! Heute brutzelt der Chef Jürgen Gosch persönlich im futuristischen Fisch-Restaurant in Wennigstedt. Draußen braust der Wind um die Häuser. Wir erwischen ein warmes "Fleckchen" mit fantastischen Blick auf die aufgewühlte See. Wir goschen 'ne Runde. Echt lecker. Es schmeckt nach Meer.

8. Tag: Wir radeln frühmorgens los durch die Dünenlandschaft der Insel zur Sturmhaube. Mit Interesse schauen wir den Reet-Dachdeckern zu, die im November alle Hände voll zu tun haben, um auf der Insel Dachsanierungen ausführen. Mit ca. 50 Jahren Haltbarkeit kalkulieren die Hausbesitzer. "Ein Reetdach kostet 4 x so viel, wie ein Schieferdach", erzählten uns die stolzen jungen Leute auf dem First. Ein kunstvolles Handwerk, typisch fur das Eiand.
Zurück gehts über Kampen in die Kupferkanne. Leckerer Rhabarberkuchen wartet dort auf uns.

9. Tag: Adieu Sylt. Eine ereignisreiche und gleichzeitig erholsame Ferienzeit geht zu Ende. Wie eine Atempause haben wir die freien Tage erlebt. Manchmal ist es wichtig, sich eine Auszeit zu gönnen. Den Alltag hinter sich zu lassen. Einfach loslassen. Frei sein von Verpflichtungen und zeitlichen Zwängen. Die Seele baumeln lassen.

Wir freuen uns auf Zuhause. Wo wir sicher bereits erwartet werden, u.a. von Max, Jule, Ole und Ben, unsere Nachbarkinder, die uns so manches Mal mit bunter Kreide einen wunderbaren "Willkommensgruss" auf die Straße gemalt haben, wenn wir aus den Ferien zurück gekommen sind.

Urlaub ist schön! Nach Hause kommen ist wunderbar!

Autor:

Marita Gerwin aus Arnsberg

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