Reiner Geinitz im Interview über den Weggang von Benedikt Stienen

Trainer Geinitz und Benedikt Stienen | Foto: LAC privat
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• Hallo Reiner, wir haben in der letzten Woche erfahren, dass Dein sportlicher Schützling mit dem Monat Oktober nach Leverkusen gewechselt ist. Du bist lange Jahre Trainer von Benedikt Stienen gewesen. Wie viele Jahre waren es am Ende eigentlich?

- Benedikt hat insgesamt 11 Jahre bei mir trainiert.

• Was erinnert Dich an den jungen Benedikt? Wie alt war er, als er zu Dir kam und war er von vorneherein der Typ Diskuswerfer?

- Er kam 2002 im Alter von 10 Jahren als ein ganz normaler Junge in meine Trainingsgruppe. Benedikt war zwar für sein Alter körperlich relativ groß, verfügte aber sonst über keine besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf eine eventuelle sehr positive leistungssportliche Entwicklung hinwiesen. Das, was er heute kann, hat er sich sehr, sehr hart erarbeitet. Was ihn gegenüber anderen Schülern auszeichnete waren vor allem 2 Dinge. Zum einen hatte er einen sehr starken Drang nach sportlicher Betätigung, sodass er schon bald 4-mal pro Woche zum Training kam und sich bei jedem Training immer 100%-ig einsetzte. Zum anderen war von Anfang an zu spüren, dass er das Training für sein damaliges Alter außergewöhnlich zielgerichtet betrieb und sich mit der Zeit auch selbständig immer mehr mit Trainingsinhalten gedanklich auseinandersetzte. Welche Disziplin Benedikt einmal betreiben würde stand damals überhaupt noch nicht fest. In diesen Altersbereichen steht ein sehr vielseitiges Training im Vordergrund, das die Grundlagen für eine spätere Spezialisierung schaffen soll.

• Was war für Dich das schönste sportliche Erlebnis in der langen Trainer-Sportler Zeit gemeinsam mit Benedikt? Und daran anschließend wie stolz ist man als Trainer?

- Aus sportlicher Sicht waren es 2 Wettkämpfe im Jahr 2011. Einmal ein Qualifikationswettkampf in Mannheim für die Junioren-Europameisterschaften im gleichen Jahr in Tallin. Dort konnte Benedikt mit 63,52m überlegen gewinnen und zugleich den Meetingrekord dieser Altersklasse von Weltmeister und Olympiasieger Robert Harting verbessern. Zum anderen waren es die Europameisterschaften ein paar Wochen später, bei denen er trotz gesundheitlicher Probleme in der Vorbereitung den 3. Platz erringen konnte. Natürlich erfüllen einen solche Erlebnisse auch mit Stolz. Bestätigen sie doch, dass man im Trainingsaufbau einiges richtig gemacht hat. Aber im gleichen Moment beginnen schon die Überlegungen für die weitere Entwicklung und man weiß, dass es von Mal zu Mal härter wird.

• Kann man sagen, dass sich im Laufe der Zeit so eine Art Vaterrolle entwickelt, wenn man die Entwicklung eines Sportlers steuert? Man muss fordern, loben, bremsen, hoffen, leiden bei Verletzungen, Mut machen, Rat geben, nicht bevorzugen aber auch nicht unbeachtet lassen. Alles wie im ganz normalen Leben eben.

- Die Rolle eines Trainers durchläuft in solch einer langen Zeit verschiedene Phasen. Im Schüleralter steht die Funktion des Anleitens, der Wissensvermittlung in theoretischer und praktischer Hinsicht, von Regeln setzen im Vordergrund. Ab dem Jugendalter hängt es von der Persönlichkeitsstruktur des Sportlers ab, welche Unterstützung er benötigt. Manche Sportler/innen brauchen bis in das Erwachsenenalter einen Trainer, der auch weiterhin die Führungsrolle in allen Fragen inne behält. Anzustreben ist, die Sportler ab diesem Altersbereich dahingehend zu befähigen, dass sie sich zunehmend selbständiger und zielgerichteter mit den verschiedensten Problemen des sportlichen Trainings auseinandersetzten. Im Erwachsenenalter läuft die Rolle des Trainers dann eher darauf hinaus eine Zusammenarbeit zu organisieren, in der der Trainer zwar am Ende die methodischen und praktischen Richtlinien des Trainings bestimmt, diese aber in wesentlichen Inhalten in Abstimmung, im Meinungsaustausch mit dem Sportler festlegt. In Abhängigkeit vom Sportlertyp und den familiären Verhältnissen kann es in dieser langen Zeit durchaus zu solch einer Rolle kommen, wie sie in der Frage beschrieben wird. Die emotionale Führung des Sportlers wird dabei in allen Phasen einen sich zwar leicht verändernden, aber immer sehr bedeutenden Stellenwert einnehmen.

• Nun haben ja schon viele Trainer den gleichen Moment wie Du ihn jetzt erlebst „aushalten“ müssen oder soll man sagen akzeptieren dürfen. Wie groß ist so ein Verlust eines Menschen, dessen Geschicke man geleitet hat und von dem man jetzt überwiegend aus den Medien erfahren wird? Kann man das mit einem Satz überhaupt beschreiben?

Natürlich tut ein Loslassen, ein Abschied wie in jedweder gearteten Beziehung auch immer weh. Vor allem, wenn man über solch einen langen Zeitraum sehr eng miteinander an der Verwirklichung eines Traumes, einmal in einer sportlichen Disziplin erfolgreich in der Weltspitze anzukommen, gearbeitet hat. Zugleich war mir immer bewusst, dass dieser Weggang einmal sein muss, da man unter den örtlichen Bedingungen natürlich keine Weltspitzenleistungen entwickeln kann. Insofern ist dieser Moment mit einem weinenden und lachenden Auge verbunden.

• Das Training oder der Job gehen weiter und gleiche Talente gibt es nicht oft, wie schwer ist das Umschalten auf die normale Trainingsarbeit mit gleicher Emotion und Begeisterung? Schließlich ist das Dein Beruf.

- Da die Trainertätigkeit in der Leichtathletik, egal in welcher Altersklasse und Disziplin, Hobby und Berufung für mich zugleich ist, ist der Weggang eines solchen Athleten wie Benedikt an und für sich nicht das Problem. Wie oben beschrieben ist dies ein folgerichtiger Weg, auch wenn ich Benedikt unter solch idealen Bedingungen wie in Leverkusen selbst allzu gern weiter betreut hätte. Die Frage ist, inwieweit wir vor Ort über ähnliche Talente verfügen. Diese gibt es. Daran anschließend stellt sich aber sofort die Frage, inwieweit diese Sportler/innen auch nur annäherungsweise bereit und motiviert sind wie Benedikt, ein leistungssportliches Training mit all seinen Anforderungen an die gesamte Persönlichkeit, den Einschränkungen für den Freizeitbereich absolvieren zu wollen. Und hier scheiden sich die Geister. Meine Begeisterung ist nach wie vor ungebrochen.

• Zum Abschluss die Frage nach den Wünschen für den Trainer Reiner Geinitz für die nahe und die fernere Zukunft.
- Ich möchte dies auf den sportlichen Bereich begrenzen. Zum einen wünsche ich Benedikt, dass er seine Träume im sportlichen Bereich erfüllen kann und in ein paar Jahren die Weltspitze im Diskuswurf mitbestimmt. Zum anderen würde ich noch gern ein paar Sportler/innen ausbilden, die, egal in welcher Disziplin, erfolgreich an Deutschen Meisterschaften teilnehmen könnten.

Michael Küsgen (Pressesprecher im LAC) interviewte Reiner Geinitz über den Weggang von Benedikt Stienen nach Leverkusen

Autor:

Michael Küsgen aus Arnsberg

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