Mitten ins Herz gespielt: Crischa Ohler und Sjef van der Linden vom Theater mini-art in Ännes letzter Reise

Beim Schlussapplaus
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Es soll ja immer noch Leute geben, die bislang noch keine Aufführung im Theater mini-art auf dem LVR-Gelände in Hau besucht haben. Was soll ich sagen - bis gestern Abend gehörte ich auch dazu!

Und wie ich ebenfalls im Gespräch mit den beiden Schauspielern erfahren konnte, werden die Schulvorstellungen, die die beiden extra anbieten, nicht etwa von den Schulen im Kreis Kleve gut angenommen. Nein, es kommen interessierte Schüler und Lehrer zum Beispiel aus Düsseldorf. Aber... ich zäume das Pferd von hinten auf. 

Dank Navi finden wir uns nach unserem spontanen Entschluss, ins Theater zu gehen, auf dem abendlichen Klinikgelände schnell zurecht und gesellen uns zu den anderen erwartungsvollen Zuschauern. Der kleine Vorraum des mini-art-Theaters ist ansprechend mit zahlreichen Fotos verziert, die Gäste können wählen zwischen Kaffee, Saft und Wein. Dann geht die Tür auf und die Leute entern den Bühnenraum. 

Was uns dann präsentiert wurde, empfand ich - und ich hatte den Eindruck, die Menschen im gut gefüllten Zuschauerraum ebenfalls - als tolle Schauspielkunst. Ungelogen konnte man eine Stecknadel fallen hören, als uns Ännes Geschichte dargeboten wurde. Eine Geschichte, die in der Nazizeit und auch in den LVR-Kliniken spielt. Die noch bis nach der Jahrtausendwende am liebsten totgeschwiegen worden wäre. 

Änne ist ein besonderes Mädchen. Nun, aber damals sagte man "schwachsinnig" dazu. Änne war in ihrer Umgebung rasch abgestempelt und auch ihre Familie bekam das zu spüren. Und zur Mutterliebe gesellte sich eine große Portion Traurigkeit.
Crischa Ohler und Sjef van der Linden schlüpfen mühelos und geschlechterübergreifend in alle möglichen Rollen: die von Änne, ihrer Mutter und ihres Bruders, ihrer Ärzte. Wir verfolgen gespannt Ännes Weg vom kleinen Mädchen bis zur jungen Frau, den die zwei Schauspieler durch den Kontakt zu Ännes Familie recherchiert haben. 

So wird Änne niemals Kinder haben, denn sie ist zwangssterilisiert worden. Aber sie hat ihre Puppe. Eine Szene ganz zum Schluss berührt mich dabei besonders. Ich werde an dieser Stelle nicht mehr darüber verraten, denn ich wünsche mir, dass dieses Stück Zeitgeschehen, das jedes Jahr zur Zeit der Deportation Ännes von Bedburg-Hau nach Grafeneck gegeben wird, noch viele Zuschauer findet. Besonders auch die Jugend, denn die Zeitzeugen sterben allmählich aus. Und diese Zeit darf einfach nicht in Vergessenheit geraten. 

So schließt sich der Kreis, liebe Eltern und Lehrer im Kleverland - besucht mit Euren Kids doch mal unsere Lokalmatadoren hier! 

Nach der Aufführung nahmen sich Sjef und Crischa viel Zeit, unsere Fragen zu beantworten. So dachte ich, dass es von einem Schauspieler viel Einfühlungsvermögen erfordert, sich zum Beispiel in die Rolle des NS-Arztes hineinzufinden, der meint, seinen Patienten mit einem schnellen Tod noch etwas Gutes zu tun. Doch das Gegenteil sei der Fall, klärt mich Sjef rasch auf. Nicht einfühlen, sondern von außen daraufschauen.
Zum Schluss noch ein berührendes Erlebnis der Beiden: Nachdem sich eine Gruppe aus Haus Freudenberg die Änne angesehen hatten, meinte einer von ihnen: "Aber das wären ja damals wir gewesen - minderwertiges Leben..." 

Hier findet Ihr / finden Sie noch mehr Informationen:

https://www.mini-art.de

http://www.sigrid-falkenstein.de/euthanasie/anna.htm

Autor:

Christiane Bienemann aus Kleve

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