Geschichten aus meiner Kindheit (1) Schnee-Wochenende bei Oma und Opa

NSU Quickly, Bj. 1956, Mein Vater und ich
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Genau kann ich es nicht mehr festmachen, ob es nun im Winter 1958 oder 1959 war, es war auf jeden Fall ein paar Wochen vor Weihnachten. Ich war 6 oder 7 Jahre alt. Wie so oft an den Wochenenden fuhren wir, mein Vater und ich als Sozius, auf einer NSU-Quickly zu Oma und Opa ins Tillerfeld. Wochenende ist übertrieben, den Vater musste auch manchmal Samstagvormittags noch arbeiten. An diesem Wochenende jedoch nicht und so ging es schon Freitagabend auf den für mich damals, rückblickend auch, abenteuerlichen Ritt mit einer Quickly von Kleve Oberstadt ins Tillerfeld, eine Strecke von 14 Kilometern. Nicht gerade weit, aber mit einer Quickly... Und Mutter? Meistens fuhr sie mit, besser gesagt hinterher, mit dem Fahrrad. Doch an diesem Wochenende nicht, es war ihr zu kalt und sie sagte dann auch noch - es soll Schnee geben. Vater: Nee, ist zu kalt für Schnee.
   Die Fahrt hin, ohne besondere Vorkommnisse. Doch so einige Streckenabschnitte, die Straßen und Wege waren ja noch nicht so gut ausgebaut, forderten jedes Mal den Quickly-Piloten und Sozius heraus. Meine unbeliebteste Stelle war die Vorbeifahrt an Schloss Rosendahl. Bevor die Straße dort in den 70er Jahren ausgebaut wurde, schlängelte sich die schmale Straße eng angeschmiegt an den mit Wasser gefüllten  Burggraben entlang. Eine scharfe Kurve zuvor, vom Rosendahler Weg abbiegend, der Graben kam näher und näher, und ich dachte immer – ob das Wasser wohl kalt ist? Keine Sorge, es ging immer gut. Kurz vor dem Ziel war dann noch der „Schoopswech“ (Schafweg) gegenüber von Haus Horst. Weg, ist schon übertrieben, es war ein Feldweg mit riesigen Löchern und Spurrillen, letztere nicht von Autos, sondern von Pferdekarren. Ja, es musste halt immer der kürzeste Weg sein,...die Quickly säuft ganz schön viel“, so Vater.
Gut angekommen, früh ins Bett. Wie man damals sagte: "Ete, Beje, Pisse, in Bett“. (Nach Möglichkeit letzeres nicht ins Bett)
   Am nächsten Morgen... Schnee war über Nacht gefallen, so eine handhoch. Toll! Fand ich. Oma, Opa und Vater waren sich sicher: Dat is mergen wer wech.
Der nächste Tag, der Sonntag. Über Nacht hatte es wieder geschneit und es schneite weiter, bis kurz nach Mittag. Vater ganz nervös, da er am nächsten Tag arbeiten musste. Die Sorge war nicht unberechtigt denn es kam noch ein heftiger Wind hinzu. Schneewehen und diese beachtlich hoch, einen halben Meter hoch und einige noch viel höher.
Die Quickly schafft das schon!
   Drauf die Quickly, doch nach paar Metern war Schluss. Zurück und Quickly auf der Däl abgestellt. Vater: wir laufen bis zum Tiller Bahnhof, wird wohl noch ein Zug kommen, egal wie spät. Optimist! Hatte er doch gerade zuvor noch angemerkt, das seit Stunden kein Zug mehr vorbeigekommen sei. Die Kate von Oma und Opa lag direkt an der Bahnstrecke (Hippeland-Express); Opa war mal bei der Bahn und meinte: Nee Jong. Setzte sich neben den Ofen und versuchte am alten Volksempfänger die neuesten Nachrichten herauszukitzeln - das knistern und Knacken war wohl nicht so das richtige.
   Heute weiß ich, dass es bis zum Tiller Bahnhof nur 1,6 Kilometer waren. Damals, mit kurzen Beinen und dann noch rauf auf eine Schneewehe, wieder runter das ging ja noch. Auf den Wehen hatte sich eine feste Kruste gebildet, manchmal trug sie mich, manchmal auch nicht, dann steckte ich bis zur Brust im Schnee. Vater hatte es auch nicht so einfach, die Wehen mochten ihn gar nicht tragen. Wie lange es gedauert hat, keine Ahnung, wir erreichten den Bahnhof und: „Nee, heute fährt kein Zug mehr und morgen sicherlich auch nicht“ verkündete uns der Bahnbeamte. Warm war es, wir bekamen auch warme Getränke und ich dachte mir, jetzt bin fit für den Rückweg und Schule muss morgen auch nicht sein. Doch ohne die Rechnung meines Vaters. Ich muss morgen arbeiten, wir müssen nach Hause, wir gehen weiter, erst mal bis Moyland nach Eberhard. Moyland, ja das kannte ich, da kamen wir Quickly-Rasend auch immer vorbei, auch direkt am Burggraben denn damals verlief die Straße noch etwas anders wie heute.
   Abkürzung war mal wieder angesagt. An den Schienen entlang bis zur Moyländer Allee. Es wurde dunkel und gut dass ich damals nicht wusste, dass es noch 2 Kilometer bis zur Gaststätte Eberhard waren. Durchgeschlagen, durchgefroren und doch glücklich angekommen. Wir wurden herzlich begrüßt denn wir waren heute die ersten Gäste. Die Begrüßung war auch deshalb so herzlich, weil sich Vater und Frau Eberhard schon seit langem kannten, sie waren zusammen im Konfirmandenunterricht gewesen. Lecker Essen und Trinken, Frau Eberhard war ne Wucht. Eine urige Gaststätte die es heute leider so nicht mehr dort gibt. Und jetzt? Frau Eberhard machte uns wenig Hoffnung heute noch nach Kleve zu kommen. Den letzten Wagen den man auf der Landstraße gesehen habe sei vor 2 Stunden vorbei gekommen. Mir war das eh egal, Kopf auf den Tisch und weggetreten.
Unsanft geweckt. Da hinten kann man Lichter sehn. Ja, manchmal waren sie da und dann wieder weg, doch sie kamen langsam näher. Ein Auto! Es dauerte jedoch noch einige Zeit bis der in Schlangenlinien fahrende, den Schneewehen ausweichende Wagen ankam. Vater war schon draußen und tatsächlich, der Wagen hielt an. Und was für ein Wagen! Eine riesige schwarze Limousine. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich vermute heute, dass es sich um einen Mercedes handelte. Vater sprach mit dem Fahrer, alles klar, wir können bis Kleve mitfahren. Rein in die „Luxuskarosse“, vorbei am Schloss Moyland und dann gingen bei mir die Lichter aus. Die Lichter gingen erst wieder an als ich geweckt wurde. Wir sind in Kleve! Wo? Direkt vor der Haustüre. Mutter staunte nicht schlecht, sie hatte sich Sorgen gemacht, hatte keine Informationen, gab ja noch kein Telefon. Für mich kam dann wieder "Ete, Beje, Pisse, in Bett“ Ins Bett ging dann noch, den Rest habe ich auf morgen verschoben. 
  Wer der überaus hilfreiche Fahrer war, habe ich leider nicht so richtig mitbekommen, teils auch vergessen. In Erringung habe ich, dass es sich um einen Chauffeur eines in Kleve ansässigen großen Betriebes handeln muss. Fällt mir spontan die Schuhfabrik Hoffmann ein. Mein Vater kam auf jeden Fall pünktlich am Montag zur Arbeit. Und wo? Bei der Schuhfabrik Hoffmann.
Die nächste Fahrt zu Oma und Opa ins Tillerfeld war dann schon etwas entspannter, aber nur eben etwas, auf jeden Fall ohne Burggraben von Schloss Rosendahl und ohne Schnee, Die Quickly musste abgeholt werden. Hinfahrt also mit dem Hippeland-Express.
Hmm, darf ich das erwähnen? Wir stiegen nicht in Till aus, hatten den Ausstieg verpasst, oder er hielt dort gar nicht an. Na gut, dann steigen wir halt in Kalkar aus. Mutter sauer - der Fußmarsch wird dann doppelt so lang sein. Nein, doch nicht. Wie bereits erwähnt lag die Katstelle von Oma und Opa direkt an der Bahnstrecke und dort stand ein Haltesignal (steht heute noch dort). Der Zug hielt und hielt, hielt immer noch - nix wie raus, direkt in den Garten von Oma und Opa. Mein Kommentar: Die Abkürzung war diesmal richtig gut. Und das Wochenende war diesmal auch richtig gut. Hmm, nur Mutter hatte sich beim Ausstieg, es war mehr ein Sprung, einen Riss im Mantel zugezogen. – Ich kann am Sonntag so doch nicht im Zug zurückfahren – Vater: Op de Däl hängt nen alden Kittel van min. Also für mich war das Wochenende gut, für Mama und Papa weniger.

NSU Quickly, Bj. 1956, Mein Vater und ich
altes Haltesignal heute an Opas Garten
Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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