Ein Bild - Eine Geschichte

Mauerblümchen

„Komm Sida!“ Pepe lachte und kletterte flink die letzten Meter zum Felsvorsprung hinauf. Er wollte Sida den herrlichen Ausblick zeigen und er wollte sie fragen, ob sie seine Frau werden wolle. Er hatte den ganzen Tag über Mühe gehabt, seine Aufregung zu unterdrücken. Als er den Vorsprung erreicht hatte, zog er ein enttäuschtes Gesicht. Es war schon jemand da. Die Frau, die am Rand des Vorsprungs stand, drehte sich zu ihm um. Pepe stockte der Atem. Sie war unglaublich schön und ein Licht schien von ihr auszugehen. Sie streckte ihm die Hand entgegen.
„Komm!“ Sie lächelte und Pepe stolperte wie in Trance auf sie zu.
„Pepe?“ Sidas Stimme riss Pepe zurück in die Wirklichkeit und er wandte sich um, um Sida das letzte Stück zu helfen. Er sah nicht den dunklen Schatten, welcher der Frau über das Gesicht glitt. Pepe zog die schnaufende Sida auf den Felsvorsprung und umarmte sie fest, dann nahm er ihre Hand und wollte sie zum Rand des Felsvorsprungs führen. Doch Sida blieb wie angewurzelt stehen und auch Pepe hielt erschrocken die Luft an. Die Frau war noch da, aber sie war nicht mehr schön. Ihr Gesicht war fleckig, von Narben und Warzen übersäht, ein Albtraum. Das Amulett um ihren Hals warf ein giftig grünes Licht auf ihr Gesicht und ließ es noch unwirklicher wirken.
„So“, sagte sie mit krächzender Stimme. „Du ziehst dieses Mauerblümchen mir vor? Wie du willst.“ Das Amulett leuchtete grell auf, sodass Pepe die Augen zusammenkneifen musste. Als er sie wieder öffnete, war die Frau verschwunden. Und dort, wo Sida gestanden hatte, wuchs eine unscheinbare Blume aus einer Felsspalte.
„Sida?“, flüsterte er und kniete sich vor der Blume nieder. Heiße Tränen fielen auf die Blüte und ganz leise, kaum mehr als ein Windhauch hörte er eine Stimme:
„Pepe, mein Liebster.“
„Sida!“,schluchzte Pepe. „Ich werde dich retten! Aber wie?“
„Ich habe nicht viel Zeit. Ich werde bald verblühen“, wisperte die Blume.
Pepe kam das grün leuchtende Amulett, das die Hexe um den Hals trug, in den Sinn. Er nickte grimmig. Er wusste, was zu tun war …
www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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