Dem Mythos auf der Spur: „Johanna. Stimmen“ im Rottstr5-Theater

Johanna Wieking zeigt, wie man sich Johanna von Orléans heute vorstellt: stark und zugleich unverkennbar weiblich. | Foto: Rottstr5-Theater
  • Johanna Wieking zeigt, wie man sich Johanna von Orléans heute vorstellt: stark und zugleich unverkennbar weiblich.
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Johanna von Orléans, die im frühen 15. Jahrhundert gelebt hat, ist eine französische Nationalheldin und wird von der katholischen Kirche als Heilige verehrt – und das vielleicht gerade, weil es über sie kaum gesichertes Wissen gibt, wodurch sie sich als Projektionsfläche anbietet. Regisseur Michael Lippold und Schauspielerin Johanna Wieking, die im Rottstr5-Theater schon bei „Schutt“ zusammengearbeitet haben, gehen der sagenumwobenen Gestalt in ihrer Stückentwicklung „Johanna. Stimmen“ im Theater unter den Gleisen auf den Grund.

Wie wirkmächtig der Mythos der furchtlosen Kriegerin, die im Hundertjährigen Krieg den Truppen des Dauphins zu einem Sieg über Engländer und Burgunder verholfen hat, schließlich an die Engländer ausgeliefert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, auch heute noch ist, wird deutlich, wenn Johanna Wieking aus ihrer Rolle der französischen Bauerntochter heraustritt und zu ergründen sucht, was Mütter bewegt, ihren Töchtern den Vornamen „Johanna“ zu geben. Selbstbewusstsein und Stärke werden mit der berühmten Jungfrau und ihrem Namen verbunden.
Wieking und Lippold zeigen die Unstimmigkeiten in der Vita, die Johanna angedichtet wird, auf. Ein heutiges Karnevalskostüm zeigt, welche Wunschvorstellungen derzeit mit Johanna von Orléans verbunden werden: stark und zugleich unverkennbar weiblich.

Johanna hört Stimmen

Ein besonderer Streitpunkt sind Johannas Visionen, die Stimmen des Erzengels Michael und verschiedener Heiliger, die sie hört: Bei ihrer Verurteilung zum Tode galten sie als Ausweis dafür, dass die junge Frau Aberglauben und Irrlehren anhängt. Später wurde sie zur Heiligen erklärt. Heute dagegen gilt Stimmenhören als Symptom einer psychischen Erkrankung und damit als Reaktion auf belastende Lebensereignisse. So wirft „Johanna. Stimmen“ auch ein Schlaglicht auf die sich wandelnden kulturellen und sozialen Interpretationen individueller Reaktionen auf die Zumutungen der Umwelt.
Das Spiel der agilen Johanna Wieking macht „Johanna. Stimmen“ zu einem ebenso kurzweiligen wie tiefgründigen Vergnügen.

Termine
„Johanna. Stimmen“ ist am Donnerstag, 7. Juni, um 19.30 Uhr wieder im Rottstr5-Theater zu sehen.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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