Interkulturelles Theaterprojekt der Evangelischen Jugend

Beate Conze (links) und Denise Rech leiten ihre Schützlinge an. Die öffentliche Aufführung im April ist schon fest im Visier. | Foto: Molatta
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  • Beate Conze (links) und Denise Rech leiten ihre Schützlinge an. Die öffentliche Aufführung im April ist schon fest im Visier.
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Das Q1 ist das Haus für Kultur, Religion und Soziales im Westend. Genau der richtige Ort für ein Theaterprojekt, das Menschen verschiedener Migrationshintergründe und Religionen vereint.

Kerstin Raczak, die sich bei der Integrationsagentur der interkulturellen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen widmet, ist begeistert von der bunten Truppe, die sich an einem Samstag zu einer mehrstündigen Probe zusammengefunden hat: „Die Sprachbarriere ist gar nicht so schwer zu überwinden: Wir haben in Deutschland geborene Teilnehmer, die für die Geflüchteten ins Arabische übersetzen. Außerdem arbeiten wir viel mit Musik. Es ist sogar eine Opernsängerin aus Syrien dabei.“
Am Projekt nehmen 20 Teilnehmer im Alter zwischen 14 und 41 Jahren teil. Überwiegend handelt es sich um Jugendliche und junge Erwachsene. Einige von ihnen sind erst wenige Monate in Deutschland. Andere sind in Deutschland geboren, aber ihre Eltern sind einst eingewandert. Die Teilnehmer bzw. ihre Eltern sind in Syrien, Palästina, im Libanon, in Marokko, Guinea und Polen geboren. Wer noch kein Deutsch spricht, verständigt sich auf Arabisch, Kurdisch oder Französisch. Auch Englisch hört man an diesem Tag immer wieder.
Zwei erfahrene Theaterpädagoginnen leiten die Teilnehmer an: Beate Conze und Denise Rech, die am Rottstr5-Theater als Schauspielerin und Regisseurin tätig ist. Rech erinnert sich an das erste Treffen mit ihren Schützlingen: „Da ging es ums Kennenlernen. Das ist eine wirklich spannende Truppe.“ Bei den nachfolgenden Terminen wird die inhaltliche Arbeit verstärkt. Bei aller Prozessorientierung hat die Gruppe das Ziel fest im Blick: Drei Aufführungen soll das gemeinsam erarbeitete Stück im April erleben.
Wobei – um ein konventionelles Theaterstück wird es sich nicht handeln. Auf eine durchlaufende Handlung wird bewusst verzichtet. Pädagogin Conze verrät: „Wir entwickeln verschiedene Themen, die wir nach einem Baukastensystem zusammenfügen.“ Kollegin Rech ergänzt: „Das Ganze funktioniert wie ein Puzzle oder eine Collage.“
Conze betont, dass es vor allem darum geht, der Unterschiedlichkeit der Akteure Rechnung zu tragen. „Neigung und Emotion leiten uns bei der Gestaltung der Szenen.“ „Es geht“, ergänzt Rech, „um universale Motive wie Tanz, Liebe und Musik.“
Damit ist auch schon einiges über die Gestaltungsmittel gesagt, die zum Einsatz kommen werden. Bewegung und Musik werden die Aufführung entscheidend mitbestimmen. Rech ordnet ein: „Das Ergebnis wird eine Performance sein.“ Ohne Kulisse und Kostüme wird das nicht gehen. „Mit entsprechenden Hilfestellungen können die Teilnehmer selbst Hand anlegen“, sagt Conze. „Zu Beginn des Projekts“, ergänzt Kerstin Raczak von der Integrationsagentur, „haben wir die Teilnehmer nach ihren Präferenzen befragt: Einige wollen unbedingt schauspielern. Unter den jungen Frauen sind viele begeisterte Näherinnen.“
Beim zweiten Treffen im Q1 wird die Arbeit an den Szenen bereits tatkräftig vorbereitet. Vier Stunden lang wird gesungen und getanzt, wechseln sich ernste und lustige Momente ab. Als Warm-up gibt es einen Klatschkreis. Zum einen wird hier ein neuer Teilnehmer integriert. Zum anderen geht es um reibungslose Interaktion und die Schulung des Reaktionsvermögens.
Wie bleibt man ernst, wenn alle Umstehenden Faxen machen? – Das üben die Akteure spielerisch ein. Damit schaffen sie eine wichtige Voraussetzung für souveränes Agieren auf der Bühne. Bewegung zur Musik macht verbale Verständigung fast überflüssig. Ein Stück erinnert an französische Akkordeonmusik, aber auch barocke Instrumentalklänge sind zu hören. Hermes House Band sorgen mit ihrer Version von Gloria Gaynors „I will survive“ für Partystimmung – natürlich aus der Tonkonserve. Zur Musik sind alle Bewegungsformen erlaubt –wer nicht tanzen mag, kann gehen oder sich anderweitig im weitläufigen Saal tummeln.
Später musizieren die Teilnehmer sogar noch live. Arabischer Gesang und Klaviermusik sorgen für mitreißende Stimmung. Pantomimisch stellen die Jungschauspieler dar, wie sie sich bei Hitze oder eisiger Kälte bewegen. Sie stolzieren über einen imaginierten Catwalk und imitieren Menschenaffen. Eine arrogante Reisegruppe trifft auf eine Ansammlung Betrunkener. Shopaholics kämpfen am Wühltisch um die besten Stücke.
Einer der Höhepunkte des Tages ist der Bau einer Skulptur, die sich aus den Körpern von Teilnehmern zusammensetzt. Sara, Hassan, Kamite, Melhem, Charlene und Sahar rühren die anderen Anwesenden mit dem Bild aus einem Bürgerkrieg, in dem ein Mann um seine getötete Geliebte trauert. Auf Englisch verständigen sich die Gruppenmitglieder, diesen Appell für Frieden und Respekt zu gestalten.
Leichter ums Herz wird den Theaterbegeisterten, als sie eine eigene Choreographie gestalten und die anderen zum Mittanzen einladen. Die jungen Erwachsenen wählen die jeweilige Musik nach ihrem persönlichen Geschmack. Von Folklore bis Eurodance ist alles erlaubt – der gute alte „Cotton Eye Joe“ lässt nicht lange auf sich warten. Auch Übungen zur Stimmbildung haben die beiden versierten Theaterpädagoginnen im Gepäck.
Bei einem Wochenende in Haltern wird das Gelernte vertieft. Sara übersetzt die nötigen Informationen über die Exkursion ins Arabische. Bis April wird noch fleißig geprobt, bevor die Performance im Q1 der Öffentlichkeit präsentiert wird. – Man darf gespannt sein.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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