„Herr, schenke mir ein weises Herz“ – 5. Gospel-Gottesdienst wieder liebevoll gestaltet

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Nach dem ersten Mal war es fast schon zu einer liebgeworden Gewohnheit geworden, an den hoffentlich noch zahlreich folgenden Harpener Gospel-Gottesdiensten teilzunehmen und nur ja keinen zu verpassen. Am 15.06.2014 hatte „Nicht aufhören anzufangen“ dann auch tatsächlich den gelungenen Auftakt zu einer Reihe weiterer Gospel-Gottesdienste gebildet, die die Gospel-Family Bochum unter der Leitung von Christiane Hartmann im Verlauf der Monate zu den unterschiedlichsten Themen gestaltete. Am Sonntag, 31.05.15 fand nun in der St. Vinzentius-Kirche an der Kattenstraße der mittlerweile 5. Gottesdienst dieser Art statt, den der Chor – bereits schon mit einem Bein auf dem drei Tage später beginnenden Kirchentag in Stuttgart – an dessen Motto „Damit wir klug werden“ orientierte.

In erwartungsvoller Vorfreude auf diese große Veranstaltung der Evangelischen Kirche, die auch diesen Harpener Gottesdienst beinhalten würde, verwandelten die Sängerinnen und Sänger mit der besonderen Ausstrahlung den Kirchenraum wieder mühelos in einen Ort des Feierns und der Lebensfreude.
So sprengten sie zur Einstimmung auf den 18.00-Uhr-Gottesdienst mit drei fetzigen, durch technische Verstärker zu enormer Stimmgewalt anschwellenden Gospelsongs schon gleich zu Anfang erst einmal das Dach der kleinen Kirche weg, um zu verdeutlichen, dass ein Gottesdienst im wahrsten Sinnes Wortes „gefeiert“ werden darf. Leiterin und Musikerin Christiane Hartmann hatte den harten Kern der Gospel-Family auch im Hinblick auf den Kirchentag durch Einbindung ihres Vokalpraktischen Kurses der Schiller-Schule noch einmal um knapp 20 junge Stimmen anwachsen lassen, die nun im Verbund mit den ebenfalls ca. 20 anwesenden Gospel-Family-Mitgliedern ein lebendiges und farbenfrohes Bild fröhlich singender und in Bewegung befindlicher Akteure abgaben.

Sie fand auch dieses Mal wieder ebenso warmherzige wie nachdenkliche Worte, um die Abendveranstaltung „im Namen des Vaters und des Sohnes …“ zu eröffnen und das gewählte Thema „Herr, schenke mir ein weises Herz“ zu vertiefen. Mit passenden Liedern, wie „Was für ein Traum“ („Nicht um sorgloses Leben bitte ich, Gott … Hilf mir klug zu sein…“), mit „Anker in der Zeit“, dem Motto-Lied „Klüger“ und mit „Schenke mir, Gott ein Herz, das lebt und schlägt, das für das Leben schlägt“ … verstand sie die Besucher aktiv in den Gottesdienst einzubinden, wobei das zuvor gemeinsame Üben mit den Chormitgliedern in besonderer Weise zu einem Gefühl familiärer Gemeinschaft beitrug.

Ein besonderes Kompliment hat sich die kleine sechsköpfige Gruppe theaterbegeisterter Chormitglieder verdient. War es bisher schon immer eine Freude gewesen, ihrem engagierten Wirken zuzusehen, so übertrafen sie sich dieses Mal mit der selbst erarbeiteten, voll aus dem Leben gegriffenen Altenheim-Szene sowohl in ihrer schauspielerischen Leistung, als auch in den Dialogen selber. In gesundem Gottvertrauen hatten sie den Altarraum mit diversen Sitzmöbeln in den Gemeinschaftsraum eines Seniorenheims verwandelt und führten nun ebenso vergnüglich wie nachdenklich stimmend vor Augen, welche unterschiedlichen, einander übertrumpfenden Charaktere im höheren Lebensalter aufeinander treffen und wie sie mit ihren individuellen Ansichten und knorrigen Verhaltensweisen in der Enge einer Lebensgemeinschaft kollidieren, die die wenigsten von ihnen selbst gewählt haben.

Da gesteht man einander nur ungern den eindeutig freien Sitzplatz zu, zerreißt sich den Mund über diese kontaktfreudige Mitbewohnerin da, die sich den einzigen männlichen Bewohner geangelt hat oder fühlt sich von den Angehörigen abgeschoben. In solcherlei persönlichem Dilemma einer sich immer stärker einengenden Welt mutet es schon leicht absonderlich an, wenn eine sehr distinguierte, sich deutlich auf eine höhere Ebene hebende Dame aus dem Hamburger Raum der familiären Einsamkeit eines Seniorenheimes in geistiger Klarheit einen Sohn entgegenhält, der als Chefarzt verständlicherweise nur sehr wenig Zeit für sie erübrigen könne.

Nicht nur oberflächlich angerissen, sondern intensiv in die Problematik des höheren Lebensalters eintauchend, spielten sie ihre jeweiligen Rollen in so authentischer Identifikation, dass man auf Christiane Hartmanns „Sie haben ja keine Ahnung, wie viel Spaß das macht, einen Gottesdienst vorzubereiten“, am liebsten geantwortet hätte, dass man sich das ganz im Gegenteil sogar sehr gut vorstellen kann. In von ihr gewohnter Herzlichkeit erklärte sie, dass hier kein Theaterteam agiert, sondern sich einige der Sänger „ein-, zwei-, dreimal treffen, um etwas auszuhecken und zu proben.“

„Wie kommt es eigentlich, dass Menschen am Ende ihres Lebens so unterschiedlich sein können? Da sitzen ganz unterschiedliche Menschen in einem Seniorenheim und erleben ein- und dieselbe Situation so verschieden“, griff Christiane Hartmann im Anschluss an die Szene die kopfschüttelnd gestellte Frage der Altenpflegerin auf. Sie setzte sich intensiv mit der individuellen Sichtweise des Einzelnen und der unterschiedlichen Bewertung und Verarbeitung von Lebensschicksalen auseinander, die darüber bestimmen, ob Menschen krank, zänkisch, mürrisch und unversöhnlich werden oder sich fröhlich und neugierig der Zukunft zuwenden. In ihrer lebendigen Art vermittelte sie, dass es kein unabwendbares Schicksal ist, zur einen oder anderen Gruppe zu gehören, da man es selber in der Hand habe, der Verbitterung nicht das letzte Wort zu lassen.

„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, heißt es in Psalm 90, auf den sich das Kirchentagsmotto bezieht. In logischer Konsequenz solle es also darum gehen, sich das eigene Denken und Handeln - auch anderen gegenüber - bewusst zu machen. Die Frage, was denn in diesem Zusammenhang ein weises Herz sei?, beantwortete die Chorleiterin dahingehend, dass Weisheit eine Herzenshaltung sei, die sich aus der Orientierung an Gottes Geboten erwerben lässt, da dies zum Gelingen des Lebens beitrage und zu einem weisen Herz verhelfe. Entscheidend bliebe dabei auch die Intention der Bergpredigt: „Behandle die Menschen so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.“

Dass im Verlauf des frühen Abends schließlich doch die Zeit entglitt und sich die Zeiger der Uhr unbeirrt auf 19.30 Uhr einpendelten, schmälerte das Gottesdienst-Erleben nicht. Konzentrationseinbußen stellten sich da schon eher durch die zunehmend munterer plappernde Kinderstimme ein, die unbeirrt in einen Wettstreit mit der ausführlichen Fürbitte und der schwächelnden Akustik des Kirchenraumes trat.

Dass dieser besondere Abendgottesdienst nur ca. 40 Besucher anzog, war sicherlich der Tatsache geschuldet, dass er dieses Mal nicht in der Presse angekündigt war. Schade. Er hatte weitaus mehr Teilnahme verdient.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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