„Weihnachten unter Strom“ – Ein Stimmungsbild zur Gospel-Gala 2014

Wenn das keine Liebeserklärung ist...
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Es gibt Veranstaltungen, die "Gefahr laufen" können, einander dadurch in den Schatten zu stellen, dass sie jährlich stattfinden und die bereits daraus erwachsenden Erwartungen des Publikums stets neu erfüllen müssen. Dazu mag die am Samstag, 29.11.14 zum 11. Mal traditionell am Vorabend des 1. Advent in der Christuskirche am Rathaus ausgerichtete Gospel-Gala der Gospel-Family Bochum zählen, die – zumindest dem ganz persönlichen Empfinden nach – in diesem Jahr ein wenig in den Schatten der Vorjahresveranstaltung geriet.
Das lag mit Sicherheit daran, dass die Gala zum 10. Geburtstag 2013 noch so familiär wärmend und emotional erfüllend in Erinnerung geblieben war, sich im Verlauf des Jahres mit den drei Gospel-Gottesdiensten verknüpft und in der Summe eine ganz bestimmte Erwartungshaltung in die Manteltaschen gepackt hatte. Die Vorfreude auf die Gala hatte sich durch die Monate getragen und wartete nun aktuell auf eine Neubefüllung der inneren Tankanlage.

„Weihnachten unter Strom – oder doch lieber Kerzenschein?“ Das Motto der diesjährigen Gala der Gospel-Family deutete auf ein kontrastreiches Programm und so hätte man durchaus erahnen können, dass das Erscheinungsbild der Bühne deutlich kühler ausfallen könnte und die dankbar erinnerte, gemütliche Atmosphäre des „Wohnzimmers“ zusammen mit dem an die Kirchenwand gestrahlten Willkommensgruß längst in die eigene Mottenkiste gehört hätte.
Man lernt nie aus, stellte das innere Erleben in der selbst auferlegten Wartephase auf den Programmbeginn interessiert fest, blieb aber außerstande, eine klare Haltung zur Gestaltung der Bühne einzunehmen. Es ergab sich schließlich den sanften Bewegungen der geduldig in buntem Nebel dümpelnden Luftballongestalten und den vom Scheinwerferlicht geometrisch höchst interessant zerteilten Dunst-Schwaden und ließ sich bis zum Auftritt des Chores treiben.

„Es sollte total kitschig und hässlich werden, hat Christiane Hartmann gesagt. Ist ihr gar nicht gelungen“, verordnete dann Moderatorin Katja Leistenschneider dem Publikum nach dem Eingangssong „O happy day“. In ihrer flockigen Art schaffte sie es angesichts der aufgeblasenen Figuren, der herkömmlichen kleinen Strohkrippe, des leuchtenden Rentierschlittens und der entlang des Bühnengeländers installierten bunten Lichterketten und Lichtfiguren mühelos, das Erleben des visuellen Durcheinanders auch weiterhin der Hilflosigkeit einer eigenen Bewertung preiszugeben.
Ein bisschen Jahrmarkt, ein bisschen Disco, ein bisschen Stall aus Betlehem und ein großes bisschen Licht-Emission, die man in Nachbars Garten so nicht wirklich gerne haben möchte. Urks? Was haben sie denn da gemacht? verschafften sich die innere Heiterkeit und die wachsende Neugier langsam ihren Durchbruch. Angekündigt war ein Konzertprogramm, das die Tür zur festlichen Jahreszeit in ebenso fetzig-fröhlicher wie besinnlicher Weise öffnet. Die Gospel-Gala 2014 würde zeigen, was in ihr steckt.

Katja Leistenschneider, die, von der ausgelassenen Stimmung des Abends bereits angesteckt, im Sucher der Kamera nicht stillhalten mochte, brachte schon gleich zu Anfang auf den Punkt, was sich bereits mit dem ersten Song im Kirchenraum verteilt hatte: „Da singt die Gospel-Family, die zur heutigen Gala eingeladen hat, „Oh happy day“ und auf einmal sind wir alle mittendrin“. In burschikos lockerer Art führte sie durch den Abend und begrüßte neben dem ausrichtenden Gospel-Chor auch die Gruppe Just Gospel und den Vokalpraktischen Kurs der Schiller Schule. Christiane Hartmann sei heute Abend nervös für drei, gab sie zum Besten, denn sie leite nicht nur die Gospel-Family, sondern habe auch die deutsche Leitung von Just Gospel inne und leite außerdem auch noch den Chor der Schiller-Schule.

„Weihnachten unter Strom“... Mit „Angels we have heard on high“, mit „Hold on“ und mit „Glorious“ steckten die knapp 35 Sängerinnen und Sänger der Gospel-Family zusammen mit den Solisten von Just Gospel denn auch sogleich den Stecker in die Dose und heizten den Kirchenraum so mächtig auf, dass die Ohren glühten. „Etwas leiser bitte“, hätte man gerne zwischendurch gerufen, wenn man denn gehört worden wäre. Sie waren sprichwörtlich unter Strom gesetzt worden, die Songs fluteten teilweise empfindlich zu laut in die Bankreihen und „zu laut“ trübt letztlich immer dann den verbleibenden Gesamteindruck, wenn die einzelnen Stimmlagen nicht mehr als zusammenwirkender Gesang wahrgenommen werden können. Ein paar Ampere weniger und der Genuss des Abends wäre noch steigerungsfähig gewesen. Spätestens jetzt bilanzierte man für sich, dass man offenbar doch eher der "... - oder doch lieber Kerzenschein?“-Typ war und auch vermutlich bleiben würde, solange das Gehör noch zuverlässig funktionierte :-).

An Authentizität und Lebendigkeit ließen die Gospelsänger jedoch effektiv nichts vermissen. Sie warfen das Netz der dynamischen Ausgelassenheit mit einer so lockeren Selbstverständlichkeit über dem Publikum aus, dass diesem oft nichts anderes übrig blieb, als aufzustehen, mit zu klatschen und sich zu bewegen, wollte es nicht an dem nach außen drängenden Rhythmus des eigenen ICH ersticken. „Ein Gospel-Konzert artet in Arbeit aus, da stehen Sie auf und da machen Sie mit“, stellte auch die Moderatorin fest, die aufgrund sehr rhythmischer Bewegungen von Mikrofon, Armen und unterem Bewegungsapparat die Chance auf ein scharfes Foto dann leider endgültig verwirkt hatte.

Hatte man zunächst gedacht, dass es mit dem „I will follow him“, das die eigenen trainierten Stimmbänder gefährlich in Schwingungen versetzte, etwas ruhiger werden würde, wurde man schnell eines besseren belehrt. Sie feierten und feuerten und hatten „Herz und Beine voll Musik“. Begeisterung, Temperament und Lebensfreude waren nicht zu bremsen, rissen mit und wurden durch das Wechselspiel der Lichteffekte an der Decke zusätzlich noch angeheizt. „Hochansteckend“ wäre das ja mit der Musik. Dabei habe sie gedacht, man wolle doch jetzt langsam das Tempo rausnehmen und in den besinnlichen Advent einsteigen, moderierte Katja Leistenscheider zwischen das nicht enden wollende Überschwappen der Begeisterung über Rhythmus und Gesang.

Etwas unverstanden integriert wirkte im ersten Teil des Programms zunächst der Vokalpraktische Kurs der Schiller-Schule, da er sein Können nicht als eigenständiger Chor unter Beweis stellte. So blieben die Schüler bei „I will follow him“, „Shackles“ und „Lean on me“ eine Ergänzung der Gospel-Family, die als 35-köpfiger stimmsicherer Chor im Grunde keine „Unterstützung“ im eigentlichen Sinne braucht. Eine Bedeutung des Auftritts für die Schüler erschließt sich jedoch in dem Gedanken, dass es für junge Menschen eine wichtige Erfahrung ist, sich mit einem belegten Schulkurs aus dem engen schulischen Kontext zu lösen, der Kursarbeit durch den öffentlichen Auftritt im Rahmen der Gala eine besondere „Note“ zu geben und den Sinn eigenen Handelns im „Leben von Musik“ zu erkennen.

Nach der wohlverdienten Pause zeigte sich die weitere Gestaltung des Abends stark gästeorientiert. In die insgesamt vier eigenen Auftritte von Just Gospel integrierte sich zusätzlich auch Gospel-Gala-Initiator Hauke Hartmann mit seinem stimmlich interessanten Soloprogramm „God bless the child“, „Go tell it“, „The Lord is my shererd“ und „Winter wonderland“, so dass der Gospel-Family als Gala-Ausrichter eine gespürt zu lange Pause auferlegt war und der breite Rahmen, den sich Just Gospel gab, an Eigenwerbung für die Christmas-Celebration-Tour der Formation denken ließ. Erst gegen Ende des Programms vereinte sich die Gospel-Family wieder mit Just Gospel, um mit „Jesus is Love“ und „Joyful“ das Finale zu gestalten.

Nach der Zugabe von „We are the world“, das die Sinne als bekanntes und gemochtes Stück noch einmal angenehm flutete, machte Leiterin Christiane Hartmann dem anhaltend applaudierenden Publikum schließlich in sanfter Autorität deutlich, dass nach dem noch zugesagten „Praise to be God“ der Advent im häuslichen Wohnzimmer warte.

Es war ein lebensfroher, vielfältiger und bunter Abend und das „Es war schön“, das man einem Chormitglied persönlich ausgedrückt hatte, ging aufrichtig und leicht über die Lippen. Auch wenn man die Gala 2013 noch mitreißender in Erinnerung behalten hatte, machte es letztlich den stimmigen Gesamteindruck aus, dass die Sänger Musik so authentisch mit Herz und Seele lebten, dass es einen ganzen Kirchenraum bis in den allerletzten Winkel füllen konnte.

Und da keinerlei Zweifel an Kreativität und Ideen der Gospel-Family Bochum und an den Fähigkeiten von Leiterin Christiane Hartmann bestehen, wächst bereits die Spannung auf Veranstaltungen des nächsten Jahres. Wie lautete noch das Motto des 1. Gospel-Gottesdienstes? "Nicht aufhören anzufangen!“ Genau! Ein großes Dankeschön an alle Mitwirkenden.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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