„Braucht die GLS Bank ein neues Geschäftsmodell?“ – Umstrukturierung eingeleitet

Die erweiterte Geschäftsleitung der GLS Bank besteht nun aus vier Mitgliedern: Aysel Osmanoglu, Andreas Neukirch, Thomas Jorberg und Dirk Kannacher (v.l.).
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  • Die erweiterte Geschäftsleitung der GLS Bank besteht nun aus vier Mitgliedern: Aysel Osmanoglu, Andreas Neukirch, Thomas Jorberg und Dirk Kannacher (v.l.).
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In dieser Woche hat die GLS Bank in Bochum und Frankfurt ihre Bilanz vorgelegt. Obwohl die Geschäftszahlen solide sind, sieht sich der Bankvorstand vor der Notwendigkeit, die gesamte Bank umzustrukturieren. Grund dafür seien die nach wie vor hohe Instabilität auf den Finanzmärkten, enorme Umbrüche und Verluste bei großen Banken, die Niedrig- oder Nullzinsen und die damit einhergehende sinkende Zinsmarge, die Digitalisierung des Geldes sowie schlichtweg viel zu viel Geld auf dem Markt, erklärt Vorstandssprecher Thomas Jorberg. All das mache eine Effizienzsteigerung der Bank notwendig, wenngleich diese nicht aus ökonomischen Gründen, sondern vielmehr aus unternehmerischer Weitsicht und der Beobachtung des Finanzwesens begründet sei. „Wir machen dies aus einer Position der Stärke“, sagt Thomas Jorberg, „und nicht, weil wir in ökonomischen Schwierigkeiten sind.“

Damit das zukünftig so bleibe, hat man sich seit über einem Jahr mit der Frage beschäftig, ob die GLS Bank ein neues Geschäftsmodell braucht. „Wir sind zu der Antwort gekommen: ‚Jein‘“, schildert der Vorstandssprecher. Die Kernaufgabe, derer sich die Bank stellt, bleibt: Nämlich Geld transparent nach sozialen, ökologischen und kulturellen Kriterien anzulegen – sprich dafür Sorge zu tragen, dass das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird. Jedoch stellte man sich die Frage, ob die Bank dieser Kernaufgabe weiterhin in der gleichen Form gerecht werden kann. Und kam zu dem Ergebnis: Nein.

Auf drei Bahnen in die Zukunft
Aus diesem Grund hat das sozial-ökologische Geldinstitut den Weg in die Zukunft auf drei Bahnen vorgezeichnet: Erstens soll eine Effizienzsteigerung um 25 Prozent bis Ende 2017 erreicht werden. Das heißt, die Bankprozesse müssen schlanker, die Strukturen verändert und die Angebote überprüft und deutlich fokussiert werden. Zweitens will das Geldinstitut die eigenen Kernwerte gemeinsam mit den Anlegern abwägen und ermitteln, ob diese bereit sind, für den Mehrwert an Sinn und die Sozialverträglichkeit des Geschäftsmodells zukünftig einen monatlichen Solidarbeitrag zu leisten. „Wie genau der Beitrag aussieht, wissen wir noch nicht, aber wir arbeiten daran“, sagt Thomas Jorberg. Daraus soll eine weitere Einkommensquelle entstehen, die die gesunkene Zinsmarge ausgleicht. Drittens habe der Vorstand eine Zukunftswerkstatt ins Leben gerufen, in der zwölf Mitarbeiter ohne Vorgaben an neuen Projekten und Prototypen arbeiten. Etwa auch an neuen digitalen Formen wie dem Crowd Investing, mit dem der Bank ein nächster Schritt in die Zukunft gelingen soll. Auch an einem Start-up für digitales Bezahlen beteilige man sich, so Jorberg.

Erweiterte Geschäftsleitung
Um die die einschneidenden Herausforderungen des Strukturumbaus zu meistern, wurde eine neue erweiterte Geschäftsleitung eingerichtet. Den bisher zweiköpfigen Vorstand – bestehend aus Thomas Jorberg und Andreas Neukirch – ergänzen ab 2016 die designierten Vorstandsmitglieder Aysel Osmanoglu (Ressort Infrastruktur/IT) und Dirk Kannacher (Basisgeschäft für Privat- und Geschäftskunden). Beide waren zuvor Bereichsleiter der GLS Bank. Das Individualkundengeschäft und die Filialen betreut zukünftig Andreas Neukirch. Vorstandssprecher Thomas Jorberg zeichnet für Strategie, Gesamtbanksteuerung sowie die Kommunikation und Entwicklung verantwortlich.

Bilanz bestätigt Geschäftsmodell
An der vorgelegten Bilanz ist zu erkennen, dass sozial-ökologische Bankgeschäfte weiterhin an Bedeutung gewinnen. In Zeiten der Niedrigzinsen, also wenn die Rendite nahezu ausfällt, stellt sich für klassische Anlagegeschäfte logischerweise die Sinnfrage. Der Anleger reagiert darauf mit dem Bestreben, eine sinnreiche oder soziale Einlage zu machen. So ist das Kreditvolumen der GLS Bank 2015 um 11,6 Prozent auf 2,13 Milliarden Euro gestiegen. Die Kundeneinlagen sind um 15,3 Prozent auf 3,62 Milliarden Euro gewachsen. Zusätzlich zeichneten die Mitglieder Genossenschaftsanteile in Höhe von 53,8 Millionen Euro. „Viele Menschen erkennen, dass sie mit ihrem Geld Gutes bewirken können. Das überzeugt“, sagt Vorstandsmitglied Andreas Neukirch. Dies zeigt sich auch im Stiftungsbereich. Die GLS Treuhand und ihre Zukunftsstiftungen verzeichneten erstmals Spenden von mehr als 1 Million Euro für ökologisches Saatgut und 4,4 Millionen für Entwicklungszusammenarbeit.

Kommentar:

Die Sinnrendite
In Zeiten der Nullzinsen ist das Anlegen in etwa so spannend wie eine Vase auf der Kommode: Man packt sie nur an, um den Staub abzuwischen oder um gelegentlich mal einen bunten Blumenstrauß zu wässern. Zurück bekommt man dafür nur wenig. Hatte man früher eine schöne Summe erwirtschaftet, so brachte man sie zur Bank, um mit der Zeit nochmals davon zu profitieren. Wenn die Rendite wie heute aber nahezu komplett ausfällt, entsteht für das Sparen ein Sinnvakuum. Von nichts kommt bekanntlich nicht. In genau dieses Vakuum stößt die Bochumer GLS Bank mit ihren Produkten und – um bei der Floristik zu bleiben – verhält sich dabei auf dem Finanzmarkt eher wie eine immergrüne Topfpflanze. Längst hat sich das bundesweit beim Anleger herumgesprochen. Denn der hat sich auch gewandelt: vom Rendite-Trüffelschwein zum nachhaltigen Sinn-Anleger. Also jenem Sparer, der mit seiner Einlage wenigstens Sinnvolles bedacht wissen möchte. Den Wunderglauben an eine positive Zinsentwicklung in den kommenden Jahren hat er längst zu Grabe getragen. Vielmehr bleibt ihm heute nur noch übrig, eifrig Karmapunkte zu sammeln. Denn das Karmakonto kann nicht mal der Minuszins plündern und so stirbt die Hoffnung nicht, dass sie einmal kommt: die fette Sinnrendite.

Autor:

Harald Gerhäußer aus Bochum

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