Bürgerwille statt Parteidiktat

Immer schon ein Anliegen in Bochum "Bürgerwille statt Parteidiktat" | Foto: Wikipedia, User Maschinenjunge
  • Immer schon ein Anliegen in Bochum "Bürgerwille statt Parteidiktat"
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Die politischen Fehlentscheidungen zum Cross-Border-Leasing des Kanalnetzes und dem Abriss des alten Stadtbads zeigen es sehr deutlich, wenn die Politik am Willen der Bürger vorbei regiert, dann geht das immer wieder schief. Im ersten Fall erlitt die Stadt einen finanziellen Schaden in Höhe von mind. 26 Mio. Euro, im zweiten erhebt sich mitten in der Innenstadt an Stelle des denkmalgeschützten Stadtbads jetzt eine architektonisch fragwürdige Investitionsruine namens Stadtbadgalerie ohne Stadtbad.

Die Diskussionen um diese Projekte haben der Glaubwürdigkeit der Politik schweren Schaden zugefügt. In beiden Fällen wurde zudem versucht mit zweifelhaften Tricks die Beteiligungsrechte der Bürger zu hintergehen. Auch die aktuelle Diskussion um das „Musikzentrum“ hätte nicht derart eskalieren müssen, wenn die Politik es im Vorfeld nicht versäumt hätte, die Bürger zu befragen, ob sie ein solches Vorhaben unterstützen. Jetzt hat es den Anschein, als wäre das bewusst nicht passiert, um das Projekt über die Köpfe der Bürger hinweg durchzudrücken. Auch dieses Verfahrensweise schadet der Glaubwürdigkeit der Politik. Ganz schlimm wird es, wenn die Bürger erkennen, dass das Vorhaben statt der versprochenen 650.000 Euro pro Jahr Millionen verschlingt, die für andere Vorhaben und Einrichtungen fehlen.

Das Ansehen der Politik befindet sich in unserer Stadt aufgrund der beschriebenen Ereignisse auf einem Tiefpunkt. „Die da oben machen doch eh was sie wollen.“, „Bringt doch eh nichts, wenn wir uns wehren.“, solche und ähnliche Bemerkungen hört man auf der Straße heute von vielen Bürgern. Die Politik muss daher versuchen, das Vertrauen der Bürger zurück zu gewinnen. Dazu muss sie die Bürger an den Entscheidungen beteiligen. "Bürgerwille statt Parteidiktat" so formulierte es 2008 das Bürgerbegehren zum Gymnasium am Ostring (siehe Bild). Wenn die Bürger über eine Entscheidung abstimmen sollen, hat dass zur Folge, dass sie sich besser über das Thema informieren, mehr darüber diskutieren und sich mehr für Politik interessieren. Die Entscheidungen erhalten auf diese Weise eine deutlich höhere Legitimität und die Identifikation der Bürger mit den Entscheidungen steigt.

Doch was bedeutet das praktisch? In der Schweiz werden die Bürgerbegehren häufig in 4 Wahlterminen abgehandelt. 4 Mal im Jahr werden die Bürger zur Wahlurne gerufen und stimmen über die verschiedenen gerade vorliegenden Begehren ab. Das ginge in Bochum auch. Ein Mal im Jahr wird in der Regel ohnehin gewählt (Bundestag, Landtag, Stadtrat oder Oberbürgermeister). Zusätzlich müssten also 3 weitere Wahltermine organisiert werden.

Wer sollte was zur Abstimmung stellen? Die Politik, Stadtrat und Bezirksvertretungen wären aufgerufen geeignete Fragen zu diesen Terminen zur Abstimmung zu stellen, die die Bürger besonders betreffen. Solche Entscheidungen können z.B. über einen Ratsbürgerentscheid auf den Weg gebracht werden. Ebenfalls kann über Bürgerbegehren abgestimmt werden, die Bürgerinitiativen eingebracht haben. Neben solchen Abstimmungen mit rechtsverbindlichen Folgen wären Abstimmungen möglich, in denen lediglich ein unverbindliches Meinungsbild der Bürger abgefragt wird.

So könnte man die Bürger auch befragen, was soll auf dem Telekom-, Justizgelände gebaut werden, ein Einkaufszentrum, eine Wohnanlage, ein Park, eine gemischte Bebauung oder andere konkret ausgearbeitete Alternativen. So bekäme man ein Meinungsbild und die Politik könnte den anstehenden Bebbauungsplan entsprechend konzipieren.

Die Bürger könnten auf diese Weise auch an den Entscheidungen beteiligt werden, wie die Schullandschaft zukünftig gestaltet werden soll, wie Stadtteile aufgewertet werden sollen und ob bestimmte Vorhaben wie das „Musikzentrum“ umgesetzt werden sollen oder nicht.

Wichtig ist, dass die Stadt zu den anstehenden Fragestellungen verschiedene Handlungsalternativen entwickelt bzw. entwickeln lässt, um die Bürger dann darüber abstimmen zu lassen, welche realisiert werden soll.

Beispiel Musikzentrum: Hier hätte man zur Wahl stellen können:
1. das „Musikzentrum“ in seiner heute geplanten Form,
2. akustische Aufwertung des Audimax mit Anmietung von Probenräumen in den Neubauten entlang der neuen Zentralachse der RUB direkt angrenzend zum Audimax,
3. Ertüchtigung der Jahrhunderthalle zu einem Konzertsaal mit einem Neubau von Probenräumen daneben oder
4. Fortbestand der bisherigen Verhältnisse.

Über alle Alternativen hätte sich eine heftige aber zielführende Diskussion entsponnen u.a. zu Kosten, städtebaulichen Möglichkeiten und Anforderungen der BoSy. Die Bürger hätten dann über die Alternative entschieden, die verwirklicht werden soll. Die so ausgewählte Alternative hätte damit eine hohe Legitimität erworben. Die Bürger würden das eigene Votum akzeptieren und könnten den Diskussionsprozess nachvollziehen, der zu dem Votum geführt hat. Das Ansehen der Politik würde steigen, da es ihr gelungen wäre verschiedene Alternativen zur Wahl zu stellen, eine dem Projekt zuträgliche Diskussion auf den Weg zu bringen und eine Mehrheitsentscheidung zu ermöglichen, die den Bürgern deutlich macht, dass die Politiker sich für die Bürger engagieren und nicht für ihre eigenen Interessen.

Mit einer zunehmenden Zahl von Bürgerabstimmungen würde sich die politische Kultur in der Stadt deutlich ändern. Bürger und Politiker rücken näher zusammen, respektieren sich gegenseitig besser und kommen zu besseren Entscheidungen für die Stadt. Und besonders wichtig, Fehlentscheidungen wie Cross-Border-Leasing des Kanalnetzes und Abriss des alten Stadtbads hätten so verhindert werden können.

Volker Steude (Ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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