Die NSA arbeitet gut

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In Griesheim wohnt Daniel Bangert. Er ist 28 Jahre alt und benutzt Facebook.

Wahrscheinlich wie jeder in seiner Altersklasse und jeder, der ein Smartphone besitzt. Also 30 Millionen Deutsche.

Nun ist Griesheim, westlich von Darmstadt mit seinen 26.000 Einwohnern bisher kaum aufgefallen. Plötzlich änderte sich alles.

Schuld daran ist dieser am 4.7.2013 von ihm erstellte Post bei Facebook:

“Sehr verehrte Damen und Herren,
der Vorstand des NSA-Spion-Schutzbund e.V. lädt Sie recht herzlich zu unserem ersten Entdecken und Beobachten Wochenende am Dagger Complex ein. Ganz nach dem Vorbild der von uns geschützten Art, der NSA-Spione, wollen wir uns an den Ort des Geschehens begeben. Vor Ort können wir dann gemeinsam den bedrohten Lebensraum der NSA-Spione erforschen und uns über ihre Tages- und Nachtbeschäftigungen austauschen. Wenn wir ganz viel Glück haben, bekommen wir vielleicht sogar einen echten NSA-Spion mit unseren eigenen Augen zu sehen. Klingt das nicht spannend?”

Im US-Dagger-Komplex befindet sich vermutlich ein möglicher Prism-Stützpunkt.

Herr Bangert erzählt:

Am 10.7.13 einem Mittwoch Morgen, um genau 7.17 Uhr klingelte mein Handy. Man muss dazu sagen, ich habe gerade Ferien, war also noch total verpennt. Die Stimme am Telefon fragte: „Herr Bangert? Sind Sie das mit dieser Veranstaltung?“ Ich sage: „Ja.“ Und dann klingelt es in dem Moment auch schon an der Tür. Ich gucke aus dem Fenster, und dann steht da halt ein Streifenwagen. Der Mann am Telefon meint daraufhin, ich solle mit den Kollegen reden.

Die Polizisten wollten wissen, was ich da genau vorhätte, und haben dann auch gleich angemerkt, dass das doch eine Demonstration sei. „Nein“, habe ich geantwortet, „wir wollen einfach nur spazieren gehen und Spione beobachten. Vielleicht haben wir ja Glück und kriegen einen zu sehen.“
Die sind dann wieder zurück gefahren, haben da wohl ihren Bericht gemacht. Am Nachmittag rief dann nochmal die Polizei an, diesmal in einem ernsteren Tonfall und man sagte mir: „Herr Bangert, ich geb’ Ihnen jetzt eine Telefonnummer. Rufen Sie da an!“

Ich hab dann dort angerufen und erfahren, dass das ein Herr vom ZK10, von der Abteilung Staatsschutz aus Darmstadt ist. Der hat mich dann auch nochmal gefragt, was es mit dieser Veranstaltung auf sich hat. Bei diesem Gespräch habe ich dann auch erfahren, dass wohl US-Behörden hinter dem Besuch und hinter den Anrufen steckten. Jedenfalls wollte er mit mir ein persönliches Gespräch führen und sagte, dass das irgendwie wichtig wäre.

Man hatte mir sogar die Wahl gelassen, ob ich zu denen kommen oder ob die zu mir kommen sollen. Ich hab dann gesagt, wenn ich’s mir schon aussuchen kann, dann sollen die ruhig zu mir kommen. „Aber bitte keine Wanzen mitbringen oder sowas“. Da war der Mann dann etwas sauer und sagte: „Nehmen Sie das mal etwas ernster, das ist kein Spaß hier!“

Die sind dann noch am gleichen Nachmittag zu mir gekommen, ein Polizist von der örtlichen Polizeiwache und der Mann vom Staatsschutz. Der Polizist sprach die ganze Zeit von einer Versammlung, größer als 3 Personen, das müsse man anmelden. Ich hab dann gefragt weshalb, ich will doch nur spazieren gehen. Der Polizist bestand dann aber darauf, dass das eine Demonstration sei und dass ich zum Ordnungsamt gehen solle, um das anzumelden.

Der Mann vom Staatsschutz hat mich nach meiner politischen Gesinnung gefragt. An welchen politischen Aktivitäten ich mich beteilige oder ob ich in einer Partei wäre, solche Dinge. Der wollte dann auch wissen, ob ich Beziehungen zum schwarzen Block hätte.

Ich hab nicht gewusst, was er damit meinte. Etwa den schwarzen Block von der Blockupy-Demonstration in Frankfurt? In dem Kinder, junge und alte Leute verprügelt und literweise mit Pfefferspray begossen wurden? Der Polizist aus Griesheim meinte dann, es sei schon mal gut, dass ich nicht wüsste, was der schwarze Block überhaupt sei.

Zum Schluss hat man mir nochmals nahe gelegt, meine Wanderung als Demonstration anzumelden und dass ich aufpassen solle, was ich ins Netz stelle und dass ich das Gespräch nicht veröffentlichen soll.

Der Mann vom Staatsschutz hat wortwörtlich gesagt, man habe da noch eine Bitte. Vielleicht nicht alles ins Netz stellen, was mit der Polizei besprochen worden sei. Es könne sonst ausufern.

Am nächsten Tag bin ich dann ins Ordnungsamt und habe die Veranstaltung angemeldet. Ich hab mir gesagt, wenn ich jetzt schon soviel Aufmerksamkeit errege, dann ziehe ich das jetzt auch durch.

Nach meiner Schätzung kamen zur Wanderung am 13.7.13 so 60 bis 70 Leute. Die meisten sind gar nicht wegen des Facebook-Eintrags gekommen, sondern wegen des Artikels im Griesheimer Anzeiger. Hätte die Polizei nicht so einen Bohai gemacht und wäre die Lokalpresse nicht drauf eingestiegen, wären wir vermutlich deutlich weniger gewesen.

Stern, Spiegel, TAZ und Deutsche Wirtschafts Nachrichten berichteten bereits über diesen Vorfall.

Autor:

Ulrich Bormann aus Bochum

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