Im Rahmen der Fernseh-Talkshow „Hart aber fair“ am Montag, 11. Januar, wurde deutlich, wie sehr die Flüchtlingssituation inzwischen in immer mehr Teilen der Gesellschaft Zerrissenheit verursacht. Auch innerhalb der exekutiven – also ausführenden – Gewalt des Staates. Zu dieser gehört auch die Polizei und für diese nahm Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, an der Diskussion teil.
Einen Teil der Diskussion nahm die Frage nach der Informationspolitik ein. Der verantwortliche Dienstgruppenleiter der Polizei bei den Übergriffen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof nannte die Herkunft der kontrollierten Männer bewusst nicht, weil ihm dies „politisch heikel” erschienen sei, berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine große Gruppe männlicher Täter, vor allem aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum stammend, hatte Frauen bedrängt, beraubt und sexuell belästigt.Wendt erklärte dazu, dass die Polizeibeamten seit geraumer Zeit eine gewisse „politische Erwartungshaltung zu erfüllen haben, die gezüchtet wird“.
„Politische Erwartungshaltung“
Den Widerspruch von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, es gebe keine politischen Vorgaben, Straftaten von Ausländern zu kaschieren, quittierte Wendt mit einem Kopfschütteln. Sein konkret genanntes Beispiel: Die Pressestellen der Polizei dürften nicht mehr, wie früher, von „reisenden Roma-Gruppen“ reden, sondern stattdessen politisch korrekt von „Menschen mit häufig wechselndem Wohnort“. Wer ganz generell Klartext rede, werde „sofort in die rechte Ecke geschoben“. Mit „Taschenspielertricks“ werde in den polizeilichen Verlautbarungen und in der Kriminalitätsstatistik gearbeitet. Explizit nannte Rainer Wendt hier die Bochumer Polizistin Tania Kambouri, die sich nach ihrem Buch „Deutschland im Blaulicht“ (der lokalkompass berichtete) und verschiedenen kritischen Anmerkungen zu sich nicht gesetzeskonform verhaltenden männlichen Migranten dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt sah.Tania Kambouri: Eine Polizistin schlägt Alarm!
Wendts Ausführungen stehen in einem klaren Widerspruch zur Auffassung von André Schulz (Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter) und Arnold Plickert (Vorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP in Nordrhein-Westfalen). Hier spielt hinein, dass die Deutsche Polizeigewerkschaft (auf Bundesebene vertreten durch Wendt) und der Bund Deutscher Kriminalbeamter in einem kernigen Konkurrenzverhältnis untereinander stehen. Beide buhlen intensiv und mit verschiedenen Standpunkten bei vielen Themen um die Gunst der Beamten.
Plickert ohne Kommentar zu Wendt
Die Bochumer Streifenpolizistin Kambouri hatte – ohne Belege zu liefern – zum Jahresende 2015 in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ gesagt, dass das Bundeskriminalamt Zahlen zur Flüchtlingskriminalität fälsche, weil die korrekten Zahlen „politisch nicht gewollt“ seien. „Ich könnte mir vorstellen, dass da etwas beschönigt wurde, um keine Angst in der Bevölkerung zu schüren“, wird Kambouri zitiert. Einige Tage später relativierte sie ihre Aussagen, nannte sie „unglücklich“.Plickert erklärte dazu gegenüber der „WAZ“: „Vertuschung von Statistiken gibt es nicht. Weder beim BKA noch bei uns in NRW. Als GdP-Vorsitzender würde ich mich vor einer Aussage wie der von Frau Kambouri mit Zahlen absichern.“ Zu den von Wendt getätigten Aussagen in der TV-Sendung enthält sich Plickert ausdrücklich jedweden Kommentars.
Schulz stellte in einem Facebook-Beitrag die Frage, „woher eigentlich die Expertise der jungen Streifenbeamtin für ihre wenig fundierten Aussagen stamme?“ Von NRW-Innenminister Ralf Jäger forderte er, Kambouri zur Rechenschaft zu ziehen: „Wann gibt es eigentlich das erste Disziplinarverfahren?“ Starker Tobak, selbst – oder gerade – für einen privaten Facebook-Eintrag. Auf lokalkompass-Nachfrage räumt Schulz ein: „Die Forderung nach einem Disziplinarverfahren war nicht in Ordnung, da habe ich mich hinreißen lassen. So etwas macht man unter Kollegen nicht!“
„Wer Fälschung unterstellt, muss Beweise liefern“
An seinem Unverständnis über Kambouris Aussagen habe sich jedoch nichts geändert: „Wenn ein Polizeibeamter dem BKA Fälschung unterstellt, müssen Beweise geliefert werden!“ Ganz grundsätzlich unterstreicht Schulz zu diesem Thema: „Es wird nicht strukturell manipuliert. Genauso wenig kann man jedoch, wie es Herr Plickert tat, jegliche Manipulation ausschließen. In Köln etwa wurde in der Silvesternacht offenbar in einer Art vorauseilendem Gehorsam gehandelt. Es liegt eindeutig nicht in der Entscheidungskompetenz der Polizei, politisch möglicherweise heikle Informationen zurückzuhalten.“Und Tania Kambouri? Sie teilte dem lokalkompass mit, dass sie sich derzeit nicht mehr in der Öffentlichkeit äußern möchte.
Warum zeigen Leute, die als Asylbewerber in Deutschland sind, so wenig Respekt vor dem Gesetz, wie das die Kölner erleben mussten? Die Leute pfeifen aufs Gesetz, weil sie von Polizei und Justiz nicht viel zu befürchten haben."Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel", hat der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger bei einer Anhörung im Landtag erwähnte. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass die Beamten einer politischen Maßgabe folgten, die unter dem Stichwort Deeskalation den Polizeialltag bestimmt. Bloß nicht provozierend wirken, auf keinen Fall obrigkeitsstaatlich auftreten - das sind die Erwartungen, die man - außerhalb von Bayern - an Polizisten hat
Wer Polizist werden will, muss sich einer strengen Aufnahmeprüfung unterziehen. Er wird auf seine psychische und physische Fitness getestet, weil man davon ausgeht, dass ihn sein Job in Gefahrensituationen bringt, denen ein normaler Bürger nur im Ausnahmefall ausgesetzt ist. Aber kaum ist der Bewerber im Amt, wird ihm eingeschärft, alles zu unterlassen, was den Unmut der Öffentlichkeit erregen könnte, wozu in erster Linie die Anwendung von zu viel Gewalt gehört. Wenn es doch zum Einsatz von Gummiknüppel oder Wasserwerfer kommt, tagt das Mediengericht und fragt nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Wer seine Polizisten dazu erzieht, sich wie Schülerlotsen zu verhalten, muss sich nicht wundern, wenn ihnen am Ende jede Kontrolle entgleitet.