Sanieren, abreißen oder neu bauen? - Die Zukunft der Schwimmbäder in Bochum und Wattenscheid

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Nachdem nun klar ist, dass das bestehende Hallenfreibad Höntrop aufgrund des Brandschadens nicht mehr zu retten ist, diskutiert die Stadt erneut, was mit den insgesamt vier schwer sanierungs- und modernisierungsbedürftigen Bochumer Hallenfreibäder zukünftig passieren soll.

Die Ausgangslage

Aktuell verfügen Bochum und Wattenscheid über 4 Hallenfreibäder und ein Hallenbad. Davon haben alle bis auf das Unibad erheblichen Sanierungs- und Modernisierungsbedarf.

Während die Besucherzahlen beständig abnehmen, steigt der Zuschussbedarf immer weiter. 7,4 Mio. haben die Hallen und Freibäder 2016 die Stadt gekostet (WAZ vom 15.03.2017). 2013 waren es noch nur 5,4 Mio (Wasserflächenbedarfskonzept). Sämtliche Maßnahmen um die Kosten in den Griff zu bekommen sind gescheitert. Das neue Kassen- und Tarifsystem, die geänderten Öffnungszeiten, das Aufhübschen der Bäder in Hofstede und Langendreer, alle diese Maßnahmen haben nichts bewirkt.

Die Besucherzahlen sind von 2009 bis 2016 um 39% eingebrochen (Tabelle). Die Bäder sind überaltert, unattraktiv und unmodern. Immer weniger Bochumer und Wattescheider wollen sie besuchen. Darüber hinaus sind alle Hallenfreibäder mit Bus und Bahn schlecht zu erreichen. Nach der Schließung des Nordbades und des Stadtbades ist von vielen Stadtteilen ein Schwimmbad nicht mehr in 20 Minuten zu erreichen (Karte, Schwimmbadversorgung Stadtgebiet). Insbesondere Kinder, Jugendliche, alte Menschen und Studierende, die in diesen Stadtteilen wohnen und regelmäßig nicht über ein Auto verfügen, haben kein Bad in der Nähe und verzichten daher schon heute zwangsläufig auf Schwimmbadbesuche.

Die in der Politik häufig vertretene These, Bochum und Wattenscheid würden über eine flächendeckende, dezentrale Schwimmbadversorgung verfügen ist ein Märchen.

Die Politik hat in Absprache mir der Bezirksregierung in den Haushaltssicherungskonzepten 2009 und 2012 beschlossen, das aufgrund der enormen Kosten zwei Schwimmbäder bis 2022 auf Dauer geschlossen werden bzw. nicht mehr von der Stadt betrieben werden sollen. (Haushaltssicherungskonzept 2009). Das von der Stadt beauftragte Wasserbedarfsflächenkonzept (Gutachten)
kommt zu der Empfehlung, zwei Bäder zu schließen und eines an einem gut erreichbaren Standort neu zu bauen.

Die Stadt braucht ein flächendeckendes Schwimmbadkonzept

Spätestens seit Anfang 2013 fordern u.a. die STADTGESTALTER ein Schwimmbadgesamtkonzept für das gesamte Stadtgebiet (LK vom 07.02.2013). Die Mehrheit in Politik und Verwaltung hat ein solches Konzept leider bisher aber immer wieder auf die lange Bank geschoben.

Dies hat dazu geführt, dass nunmehr das erste Bad (Höntrop) dauerhaft geschlossen werden musste, da die Sanierungskosten einen Weiterbetrieb wirtschaftlich unmöglich machen. Dass dieser Fall über kurz oder lang bei einem der Bäder eintreten würde, war aufgrund des schlechten Instandhaltungszustandes aller Bäder absehbar, er steht auch bei den verbleibenden Hallenfreibädern kurz bevor, trotzdem blieb die Politik bisher untätig.

Die Notwendigkeit ein flächendeckendes Schwimmbadkonzept für die gesamte Stadt aufzustellen besteht unverändert. Dieses Konzept muss folgende Anforderungen erfüllen:

1. Gute Erreichbarkeit aller Bäder aus allen Stadtteilen, insbesondere für Kinder, Jugendliche, alte Menschen und in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkte Menschen, die regelmäßig nicht motorisiert sind.

2. Schaffung eines modernen Bäderangebotes, mit dem wieder zusätzliche Besucher in die Schwimmbäder gelockt werden können.

3. Ausreichendes Wasserflächenangebot für Schulen und Verein.

4. Senkung der jährlichen Betriebskosten auf 3-4 Mio. Euro.

5. Maximale städtische Investition in die neue Bäderstruktur: 45 Mio. Euro

Das neue gesamtstädtische Schwimmbadkonzept

Aus den genannten Bedingungen ergibt sich, dass ein Erhalt der jetzigen Bäder nicht sinnvoll erscheint. Lediglich das Unibad steht aufgrund des gemeinsamen Betriebes mit der RUB, der bereits erfolgten Sanierung und seines verhältnismäßig geringen Zuschussbedarfes nicht zur Disposition.

Eine Sanierung und Modernisierung der verbleibenden Bäder dürfte regelmäßig unwirtschaftlich sein. Die Wiederherstellung des Zustandes der Bäder, wie er in den 60er und 70er Jahren erbaut wurde, wird keine neuen Besucher in die Bäder locken. Die Bäder müssen den veränderten Bedürfnissen der Besucher an Schwimmbäder Rechnung tragen. Moderne Sauna- und Wellnessbereiche sowie Erlebnisbadelement und ansprechende Kinderbadbereiche, werden in modernen Schwimmbädern heute von den meisten Besuchern selbstverständlich erwartet.

Es erscheint also lohnenswert, die bestehenden Bäder durch 2-3 neue Schwimmbäder zu ersetzen, die durch ihre Lage an einer Straßen-, Stadt- oder S-Bahn von allen Stadtteilen gut zu erreichen sind.

Würde die Sanierung- und Modernisierung aller 4 Hallenfreibäder die Stadt mindestens 60 Mio. Euro kosten, dürfte der Neubau von 2-3 neuen Bädern mit maximal 45 Mio. durchführbar sein. Überlegenswert wäre auch der Erhalt des Hallenfreibades Linden und der Bau von einem Zentralbad, wie bereits 2015 von den STADTGESTALTERN vorgeschlagen (LK vom 12.12.15) oder der Bau von zwei neuen zentralen Bädern (Karte, Neubau zwei Bäder).

Bei der Errichtung von neuen Bädern bestünde die Möglichkeit private Investoren zu beteiligen, die mindestens ein Bad mit einem Spaß- und Erlebnisbereich, Wellness- und Fitnessmöglichkeiten sowie anderen zum Bad passenden Einrichtungen erweitern könnten. Auch sollte ein Schwimmbad alle Einrichtungen für ein inklusives Bad erhalten.

Hinsichtlich des Bades im Höntrop wäre zu prüfen, ob dieses, ergänzt um eine Beachvolleyball und –socceranlage sowie eine Saunanlage als attraktive Freizeitanlage mit einem deutlich abgespeckten Schwimmbereich, durch einen privaten Betreiber oder in Form eines Bürgerbades weiter geführt werden kann. Eine Ruine im Südpark ist unbedingt zu vermeiden.

Entsprechend beantragt die Fraktion „FDP & STADTGESTALTER“ im Sport- und Freizeitausschuss am 07.04.17, dass die Verwaltung anhand der dargestellten Vorgaben endlich ein gesamtstädtisches Schwimmbadkonzept entwickelt und dem Rat dann zur Abstimmung stellt (BOjournal vom 22.03.17). Auch die Grünen setzen sich für eine gesamtstädtische Bäderlösung ein (PM vom 22.03.17)

Alle bestehenden Bäder zu sanieren und zu modernisieren ist unbezahlbar

Die von Serdar Yüksel (SPD) vertretene Ansicht, es müssten alle bestehenden Schwimmbäder saniert und modernisiert werden, ist erkennbar realitätsfremd und steht den schon gefassten Ratsbeschlüssen zur Schließung von zwei Bädern entgegen. Darüber hinaus besitzt die Stadt die finanziellen Mittel für die Sanierung und Modernisierung von gleich 4 Bädern nicht. Zudem bliebe insbesondere der Norden von Wattenscheid und der Norden und Nordosten von Bochum weiterhin ohne gut erreichbares Bad.

Auch eine solitäre Entscheidung für den Neubau des Bades in Höntrop, ohne dass diese Gegenstand eines Gesamtkonzeptes ist, verbietet sich. Eine entsprechende Positionierung mag zwar Stimmen im Landtagswahlkampf generieren, im Sinne der Stadt ist eine solche Vorfestlegung jedoch nicht.

Nicht, dass in 2 Jahren der Neubau im Südpark wegen zu hoher Kosten verworfen wird und mindestens ein weiteres Bad aufgrund des Haushaltssicherungskonzeptes oder eines Brand-Betriebs- oder Wasserschadens, ohne dass es ein Alternativangebot gibt, unwiderbringlich geschlossen werden muss.

Am Ende ist entscheidend, dass alle Bürger ein attraktives, modernes Bad gut erreichen können. In welchem Stadtteil das dann steht, ist zweitrangig. Dieses Ziel lässt sich nur mit einem gesamtstädtischen Schwimmbadkonzept erreichen.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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