Stadt will 9,6 Mio. Fördermittel bei der Sanierung von Wattenscheid verschenken

Sanierungsgebiet Wattenscheid | Foto: Stadt Bochum

Erst beauftragt die Stadt eine teure Untersuchung, die klären soll, ob es sinnvoll ist für die Innenstadt von Wattenscheid Sanierungsmaßnahmen (gem. §136 ff. BauGB) zu ergreifen und dafür ein Sanierungsgebiet einzurichten. Dann plötzlich will sie es doch nicht mehr, weil zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen 1,5 neue Stellen bei der Verwaltung eingerichtet werden müssten. Und das obwohl der Ergebnisbericht bestätigt, dass es massive städtebaulichen Missstände in der Wattenscheider Innenstadt gibt (Ergebnisbericht) und schon vor der Untersuchung klar war, dass die Stellen erforderlich werden, wenn der Ergebnisbericht zu diesem Ergebnis kommt.

Viele Gebäude in Wattenscheid befinden sich in schlechtem Zustand. Eine Modernisierung und Sanierung ist überfällig. Ebenfalls gibt es viele Gründerzeithäuser, deren Fassaden eine Renovierung gut täte. Würden all diese Häuser saniert, bekäme Wattenscheid ein neues Gesicht. So viele Häuser aus dieser Zeit gibt es in keiner Innenstadt des Ruhrgebietes. Wattenscheids Innenstadt könnte sich von den anderen Städten deutlich abheben.

Doch wie soll man die Eigentümer dazu bewegen, ihre Häuser zu sanieren, wenn aktuell bei vielen Objekten die Mieteinnahmen so niedrig sind, dass den Vermietern das Geld für Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen fehlt?

Würde die Innenstadt zum Sanierungsgebiet erklärt, könnten die Eigentümer der Immobilien ihre Aufwendungen für die Modernisierung und Sanierung der Gebäude nach Sonderregeln abschreiben. Den Wattenscheider Immobilienbesitzern würde ein geldwerter Vorteil bzw. ein Födervolumen in Höhe von rund 9,6 Mio. Euro zufließen (Berechnung Steuereffekt).

Bisher sollen aus dem integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept „Gesundes Wattenscheid“ nur 1,5 Mio. für die Modernisierung und Instandsetzung von Gebäuden und 4 Mio. öffentliche Fördermittel für ein Hof- und Fassadenprogramm bereitgestellt werden.
Kämen die Sonderabschreibungen aufgrund des Sanierungsgebietes hinzu, würden sich die Förderungsbeträge für die Bereiche Wohnen und Stadtgestaltung in Wattenscheid also fast verdreifachen.

Was bedeutet diese Förderung für die Eigentümer? Die Sanierung einer Fassade kostet in einem typischen Fall ca. 53.000 Euro. Beabsichtigt ein Wattenscheider Hauseigentümer die Fassade seines Hauses im Sanierungsgebiet zu sanieren, erhält er dafür einen Förderbetrag von 16.000 Euro aus dem Hof- und Fassadenprogramm. Modernisiert er dazu noch die Wohnungen für 40.000 Euro, erhält er weitere 6.000 Euro Förderung aus dem Modernisierung und Instandsetzungsprogramm. Seine finanzielle Eigenleistung für beide Maßnahmen liegt somit bei über 71.000 Euro.

Ist die Innenstadt Sanierungsgebiet, kann der Eigentümer zusätzliche Sonderabschreibungen vornehmen, die einem zusätzlichen Förderbetrag von über 22.000 Euro entsprechen. Das erst macht die Sanierung und Modernisierung wirklich attraktiv. Für Maßnahmen mit einem Wert von insgesamt 93.000 Euro werden so 38.000 Euro aus direkten Fördermitteln und Steuerersparnissen finanziert. Der Eigentümer selbst muss nur 55.000 Euro aufbringen.

Mit den Förderprogrammen und den Steueranreizen in Folge des Sanierungsgebietes ließen sich so mindestens 250 Gebäude sanieren und modernisieren. Das wäre für Wattenscheid ein Riesenschritt nach vorne.

Was würde die Stadt die Einrichtung des Sanierungsgebietes kosten? Die Stadt müsste 1,5 neue Stellen in der Verwaltung schaffen. Das würde 60-80.000 Euro pro Jahr kosten. Über einen Zeitraum von 5 Jahren wären das insgesamt Kosten in Höhe von rund 350.000 Euro. Bei einem Fördervolumen von 9,6 Mio. Euro eine kleiner Betrag.

Völlig unverständlich warum die Stadt trotz der immensen finanziellen Anreizeffekte die Einrichtung eines Sanierungsgebietes ablehnt.

Es scheint so, als hätten viele nicht verstanden, was ein Sanierungsgebiet bedeutet: So schreiben die Wattenscheider Grünen auf ihrer Seite, mit einem Sanierungsgebiet würden die Eigentümer zur Sanierung und Modernisierung gezwungen (FB-Post vom 16.09.15). Das ist ein Missverständnis: Kein Eigentümer, kann zu Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen gezwungen werden, nur weil sein Haus in einem Sanierungsgebiet liegt. Wer möchte, aber kann sein Objekt sanieren und modernisieren und erhält dafür Steuererleichterungen. Will man möglichst viele Eigentümer dafür gewinnen hochwertige Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen, dann sollten die Anreize entsprechend groß sein.

Auch könnte die bisherige Ablehnung der Einrichtung eines Sanierungsgebietes darin begründet sein, dass es bisher versäumt wurde die Höhe der Fördereffekte auszurechnen, weil die Politik sich nicht intensiv genug mit den Vorteilen von Sanierungsgebieten beschäftigt hat.

Die Ratsfraktion FDP und Die STADTGESTALTER befürchtet, dass ohne steuerliche Anreize für die Eigentümer, in die eigenen Immobilien zu investieren, es beim jetzigen Zustand und damit bei einem Stillstand in der Fortentwicklung der Wattenscheider Innenstadt bleibt. Alle realisierbaren Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Abwärtstrend, in dem sich die Stadt aktuell befindet, endlich umzukehren. Die Maßnahmen aus dem Entwicklungskonzept „Gesundes Wattenscheid“ werden dazu erkennbar nicht ausreichen. Es muss mehr getan werden. Steueranreize in Höhe von 9,6 Mio. Euro zu verschenken nur um 350.000 Euro zu sparen, wäre fahrlässig, deshalb hat die Fraktion im Rat beantragt, entgegen dem Vorschlag der Verwaltung für die Innenstadt von Wattenscheid doch ein Sanierungsgebiet einzurichten (Antrag).

Bei der Abstimmung über das Sanierungsgebiet und den Antrag der Ratsfraktion FDP und Die STADTGESTALTER wird sichtbar werden, wie wichtig es den verschiedenen Ratsfraktionen wirklich ist, eine positive Entwicklung in Wattenscheid anzustoßen.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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