Die Pläne zum Bochumer City-Einkaufsviertel - eine kritische Betrachtung

In der Einkauspassage auf dem heutigen Justizgelände
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  • hochgeladen von Dr. Volker Steude

Für die Bebauung des jetzigen Telekom- und Justizgeländes zwischen Rathaus- und Husemannplatz liegt jetzt ein Bebauungsvorschlag vor. Aus leider nur zwei Wettbewerbsbeiträgen, hat eine städtische Jury diesen als Sieger ausgewählt.

Die Grunddaten des Entwurfs: 15.000qm Einzelhandelsfläche, Gebäude mit in der Regel 4 Geschossen, an der Ecke ABC-Straße/ Husemannplatz auch 6 Stockwerke (Bild 2), Einzelhandel- und Gastronomie in den Geschossen 1 und 2., 2 Tiefetagen mit weiteren Geschäfts- und Parkflächen, in den Geschossen 3-6 Wohnungen und Büros.

Der Schwerpunkt der Einzelhandelsflächen soll sich auf dem jetzigen Justizgelände ballen. Büroflächen sollen insbesondere entlang der Viktoriastraße ausgewiesen werden. Dafür soll die jetzige Bebauung mit Ausnahme des Schlegelturms und des nach Norden angrenzenden Schlegelgebäudes sowie des Bürogebäudes der EGR an der Ecke Jungesellen-/ Viktoriastraße, vollständig weichen.

Die Dachflächen sollen begrünt und als Dachgärten für die geplanten Dachgeschosswohnungen genutzt werden. Sämtliche neue Parkflächen sollen ausschließlich der Nutzung durch die Mieter oder Eigentümer sowie deren Mitarbeiter vorbehalten sein. Zusätzlich Parkflächen für Stadtbesucher oder Kunden sollen angesichts des in der Innenstadt diesbezüglich bestehenden Überangebotes nicht entstehen.

Es soll ein neuer „Rundlauf“ für die Besucher der Innenstadt entstehen (Bild 8), der vom Rathausplatz zur Kortumstraße bis zum Husemannplatz und von da durch das neue Quartier wieder zum Rathausplatz zurückführt. Dazu sollen zwei neue Plätze entstehen, der Schlegelplatz vor dem Schlegelturm (Bild 3) und ein Innenhof am Ende der Einkaufspassage auf dem heutigen Justizgelände.

Die Bebauung soll offen sein, durchschnitten von Durchgängen und Sichtverbindungen, z.B. von einer Sichtachse von der Bongardstraße auf den Schlegelturm (Bild 8). Teilweise sind die Passagen überdacht, so dass der Schwerpunkt des Einzelhandels auf dem Justizgelände mehr den Charakter eines Einkaufscenters erhält (Bild 1), während die Bebauung auf dem Telekomgelände mehr den Eindruck einer Stadtviertelbebauung vermitteln soll (Bild 3).

Laut Entwurf sollen die neuen Passagen und Plätze auch mit größeren Bäumen durchgrünt werden (Bild 4).

Schaut man sich die Bilder des Entwurfs an, so ist er im ganzen guter Durchschnitt, leider fehlt ihm aber das Außergewöhnliche, Unverwechselbare. Vieles wurde bedacht, die politischen Vorgaben umgesetzt, besonders kreativ ist die Bebauung aber letztlich leider nicht.

Die Plätze auf den Bildern wirken etwas steril, teilweise öd und uninspiriert (Bild 2, Bild 3). Ob die eingezeichneten Bäume dort jemals in dieser Größe wachsen werden, ist zu bezweifeln, da alle Plätze und Passagen gleichzeitig als Dach der flächendeckenden Tiefgeschosse dienen. Für das erforderliche Wurzelwerk fehlt da der Platz.

Die Fassadengestaltung entspricht im Wesentlichen dem üblichen Design, wie man es in vielen neuen Einkaufspassagen in Europa findet. Viel Glas, durchbrochen von Stein und Putzflächen, Unverwechselbarkeit – Fehlanzeige.

Der neue Platz vor dem Schlegelturm, ist eher ein Plätzchen (Bild 3), der von den Bauten drum herum fast erdrückt zu werden scheint. Die Bilder überzeugen leider nicht.

Ob der Rundlauf (Bild 8) funktioniert ist fraglich. Die Anbindung an die Kortumstraße über den Rathausplatz und die Bongardstraße und den Husemannplatz ist zumindest aktuell wenig attraktiv. Wie dieses Problem gelöst wird, bleibt offen. Lediglich die Eingangsbereiche der geplanten Neubebauung, die den beiden Plätzen zugewandt ist (Bild 5, Bild6), wirkt offen und einladend.

Die Lösung am Rathausplatz, die Öffnung des neuen Komplexes mit einer davor liegender Treppe und dahinter zu erkennendem Schlegelturm erscheint intreressant. Sie kann diesem Platz, wenn er für den Durchgangsverkehr mit Ausnahme des Busverkehrs gesperrt wird, einen ganz neuen Charakter geben (Bild 5). Der Husemannplatz dagegen kann durch die neue Architektur nur wenig gewinnen (Bild 2). Ihm fehlt auf den Bildern ein besonderer Charakter, der ja auch bereits dem Dr.-Ruer-Platz abgeht.

Insgesamt ist gegen die Eckdaten und Ideen, die dem Entwurf zugrunde liegen, nichts einzuwenden. Ein „Rundlauf“ macht Sinn, auch die Aufteilung in Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, die Betonung des Schlegelturms und auch die Schaffung neuer Plätze.

Was die Architektur betrifft, müsste es aber bessere Lösungen geben. Auch wurde die Markthallen-Idee, die jetzt auch die SPD verfolgt, leider nicht aufgegriffen. Es zeigt sich, dass die Auswahl aus zwei Entwürfen zu wenig war. Der Siegerentwurf ist jedoch eine gute Basis, auf der sich aufbauen lässt.

Die Bebauung der Justiz- und Telekomflächen ist für die weitere Entwicklung der Stadt in den nächsten 20-50 Jahren von überragender Bedeutung. Gelingt es nicht, dieses Quartier als sinnvolle Ergänzung und zum Vorteil der gesamten Innenstadt zu gestalten, kann man diesen Fehler über Jahrzehnte nicht mehr wieder gut machen. Es lohnt sich also, ehe man wirklich zur Tat schreitet, einen neuen Wettbewerb auszuschreiben, damit man aus mehr als nur zwei Bebauungsvorschlägen auswählen kann. Nur so wird man zu einer Bebauung kommen, die herausragend und unverwechselbar ist. Und genau das sollte unser Anspruch sein. Die übliche Einkaufscenter- und Bürohäuser-Architektur, die spätestens nach 20-Jahren ihre Aktualität verliert, gibt es in unserer Stadt schon genug.

Wir sollten mutig sein und in Erwägung ziehen, die Fläche für eine außergewöhnliche Bebauung zu nutzen. Andere Städte gehen diesen Weg. Hier z.B. die neue Markthalle von Rotterdam (http://markthalrotterdam.nl/). Die passt so natürlich nicht nach Bochum auf das Telekom- und Justizgelände. Aber auch wir sollten nach einer außergewöhnlichen, für Bochum passenden Idee für diesen außergewöhnlichen Platz suchen. Da kann der jetzt vorliegende Entwurf nur ein Ausgangspunkt sein, mehr nicht.

Liegen dann mehrere interessante Entwürfe vor, muss ein Votum der Bürger eingeholt werden, welche der Planungsalternativen sie überzeugt. Dazu ist im Vorfeld ein Dialog erforderlich, in der die Bürger mitdiskutieren, welcher Entwurf mit welchen Vor- und Nachteilen für ihre Stadt verbunden ist. Erst danach kann entschieden werden, welche Bebauung realisiert werden soll.

So kann vermieden werden, dass städtische Planungen ihr Ziel verfehlen wie z.B. beim Gerberviertel, der Stadtbadgalerie oder dem Rathauscenter geschehen.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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