Sozialtarifverträge bei Opel werden zunehmend nicht unterschrieben

Auf der heutigen Montagsdemo stand die vorletzte Betriebsversammlung der Belegschaft des Bochumer Opelwerks im Mittelpunkt. Die Medien berichteten von einer Frustration der Beschäftigten und es gäbe kein Widerstand gegen den Arbeitsplatzabbau mehr. "Genau das Gegenteil ist der Fall", berichtete ein Vertrauensmann von Opel, "sehr viele Mitarbeiter warfen der Geschäftsleitung vor, ihre Abfindung falsch berechnet zu haben. Ebenfalls wurde der Sozialtarifvertrag zunehmend nicht akzeptiert, viele verweigerten dazu ihre Unterschrift. Die Beschäftigten erkannten, dass die sog. Qualifizierungsgesellschaft keine Alternative für ihre Zukunft ist. Zum einem läuft die Qualifizierung nur befristet, zum anderen sinkt das Entgelt von zunächst 100% der bisherigen Opel-Vergütung auf 85% und dann auf 75%. Die zuletzt genannte Prozentzahl ist die Berechnungsgrundlage für das spätere Arbeitslosengeld I, denn Ersatzarbeitsplätze sind auch nach der Qualifizierung nicht in Sicht".

Eine Frau vom Frauenverband Courage meldete sich: "Beim Betriebsrat von Opel meldeten sich mehrere Betriebsräte anderer Unternehmen wie Johnson Controls, Outokumpo, Thyssen Krupp aus Duisburg und sogar Delegierte von Daimler Benz aus Düsseldorf an, um ihre Solidaritätserklärungen auf der Betriebsversammlung zu überbringen bzw. zu verlesen. Ebenso verfuhren Organisationen wie der Frauenverband Courage, die Basta-Frauen und der Solidariätätskreis für die kämpfenden Opelaner. Niemand bekam jedoch Zutritt zu der Belegschaftsversammlung. Sogar der Betriebsratsvorsitzende von Opel, Reiner Einenkel, stand mit am Tor und unterstützte die Aussperrung der externen Delegierten. Eine andere Rednerin ergänzte: "Trotzdem waren die Kundgebungen der Betriebsräte und Organisationen vor den Opeltoren sehr informativ und eindrucksvoll. Ich konnte nirgendwo Vertreter der Presse sehen. Wahrscheinlich sollte der ganze Protest totgeschwiegen werden".

"Die Angst der Opel- Geschäftsführung vor einem möglichen Arbeitskampf in Bochum ging soweit, dass sie bundesweit auf die Presse einwirken konnten. So schrieben große Tageszeitungen als auch kleine Lokalausgaben bis in den Schwarzwald hinein, dass es in Bochum keinen Widerstand gegen die Schließung des Opel-Werks gibt. Damit soll die bundesweite Bevölkerung beruhigt werden", berichtete eine weitere Rednerin.

Einer der Moderatoren informierte: "Mit der Schließung des Opel-Werkes werden nicht nur tausende Arbeitsplätze vernichtet, sondern Opel hinterlässt auch "verbrannte" = vergiftete Erde. Die Altlastenbeseitigung durch Ölrückstände usw. im Boden muss im wesentlichen auf Kosten der öffentlichen Hand, d.h. durch die Kommune durchgeführt werden. Selbst wenn sich DHL mit einigen hundert Arbeitsplätzen dort ansiedeln möchte, würde noch eine lange Zeit für die Beseitigung der Altlasten verstreichen. Das Versprechen von Opel, viele Ersatzarbeitsplätze anzubieten, ist allein schon aus dem vorgenannten Grund eine Lüge".

Ein Delegierter der IG Metall Bochum-Herne prangerte aufs Schärfste das Verhalten des Ortsvorstandes an. Vertreter der Beschäftigten wie Betriebsräte usw. von mehren Betrieben wie Opel, Outokumpu, Johnson-Controls u.a. stellten einen Antrag an die Delegiertenversammlung, eine gemeinsame überregionale Protestaktion für den Erhalt der Arbeitsplätze, auch zusammen mit anderen Gewerkschaften, durchzuführen. Der Ortsvorstand empfahl der Delegiertenversammlung, diesen Antrag abzulehnen. Ich konnte an dieser Versammlung nicht teilnehmen und nahm schriftlich zu der Entscheidung des Ortsvorstand Stellung. Wie ich von anderen Kollegen der Delegiertenversammlung erfuhr, wurde meine Stellungnahme nicht einmal verlesen. Stattdessen versuchte der Bezirksleiter der Gewerkschaft IG Metall Wenzel (wurde zu dieser Delegiertenversammlung eingeladen), aufkommenden Widerstand im Keim zu ersticken. Die Gewerkschaftsbasis ist daher aufgerufen, ihre Interessen gegen solche Funktionäre durchzusetzen!"

Ein weiterer Opel-Mitarbeiter äußerte sich zu den Abfindungen: "Solange der Betroffene keine Arbeit mit entsprechendem Einkommen finden kann, hat er nur einen geringen Vorteil von den Abfindungen, denn diese werden sowohl auf das ALG I als auch auf zukünftige Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) angerechnet. Erst wenn die Abfindung bis auf geringe Freibeträge in einem vorgeschriebenen Zeitraum verbraucht ist, werden öffentliche Gelder gezahlt".

Nach einem Kampflied für Arbeiter gab es noch eine kurze Auswertung der Herbstdemo in Berlin. "Auch hier spielte die Arbeitsplatzvernichtung und die Werkschließungen eine große Rolle", berichtete eine Rednerin, "es gab viele Solidaritätserklärungen von Betriebsräten und Vertrauensleuten von Unternehmen aus anderen Städten".

Weiterhin beschloss die Montagsdemo, eine Solidaritätserklärung an die Streikenden bzw. dem Betriebsrat von Amazon zu senden.

Hartz IV wird in Kürze "vereinfacht". Das ist zwar in einigen Punkten positiv für den Bedürftigen, aber in vielen anderen Punkten negativ. Einer der Moderatoren wies in diesem Zusammenhang auf eine Aktion mehrerer Organisationen gegen Hartz IV hin. Am 2.10.14 soll "Zahltag" sein und es wird vor der Arbeitsagentur protestiert. "Wer kann, sollte daran teilnehmen", sagte er.

Am nächsten Montag steht analog dazu Hartz IV im Kreuzfeuer der Kritik.

Mit der Abschlusshymne endete die Kundgebung nach ausgiebiger Diskussion.

Der Moderator
Ulrich Achenbach

Autor:

Ulrich Achenbach aus Bochum

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