Wer trägt die Verantwortung für den 500 Mio.-Verlust bei den RWE-Aktien?

500 Mio. Euro haben die 6,6 Mio. städtischen RWE-Aktien seit 2007 an Wert verloren. Trotz des unaufhaltsamen Sinkflugs der Aktie verweigert sich die Koaltion aus SPD und Grünen in Bochum immer wieder beharrlich dem Verkauf. Thomas Eiskirch (SPD) erklärte 2007: "Es ist mir völlig unverständlich wie man ... über einen Verkauf von Anteilen von RWE nachdenken kann. Dies zeigt ein völliges falsches Verständnis von nachhaltiger Wirtschafts- und Energiepolitik". Er fügte hinzu, jeder, der das anders sehe, habe die "Erfordernisse zukunftsfester Kommunalpolitik ... offenbar schlichtweg nicht verstanden." Verblendet von der Wirtschaftsmacht des ehemaligen Monopolunternehmens RWE bis zur Liberalisierung des Strommarktes und dem kompletten Ausblenden der Folgen der sich abzeichnenden Energiewende, hält Rot-Grün bis heute verzweifelt an dem untergehenden Reisentanker RWE fest.

Die Chance, der Stadtkasse 500 Mio. zuzuführen und einen wesentlichen Teil davon in die Zukunft der Stadt zu investieren, wurde leichtfertig vergeben. Hatte unter anderem die Stadt Düsseldorf die RWE-Anteile 2007 noch für knapp 90 Euro/Aktie verkauft, ist die Aktie jetzt nicht mal mehr 13 Euro wert. Auch die Dividendenerträge sind von 23,3 auf 6,6 Mio. geschrumpft. Ab 2016 werden nur noch 3,3 Mio. erwartet. Damit würde die Zinslast, der für den Kauf der Aktien laufenden Kredite, die Dividenden übersteigen. Die RWE-Aktien werden zu einem städtisches Zuschussgeschäft, in das jedes Jahr Mio. gepumpt werden müssen, um die Kredite zu bedienen.

Doch was wäre gewesen, hätte die Stadt sich nicht von der Energielobby zu schlechten Investments in der Energiebranche verleiten lassen, sondern hätte sich wirklich einer zukunftsfesten Kommunalpolitik verpflichtet gefühlt? Nicht nur die 500 Mio. Euro aus den RWE-Aktien wären der Stadt zu gute gekommen, auch die 200 Mio. für den Kauf der STEAG, die 65 Mio. für den Kraftwerksbau in Hamm und die 18,5 Mio pro Jahr für das Kraftwerk in Lünen hätten in die Stadt investiert werden können. Wenn man bedenkt, dass die Stadt fast 1,8 Mrd. Schulden hat, erkennt man, welch gigantische Werte Rot-Grün hier im wahrsten Sinne des Worte leichtfertig verheizt hat.

Hatte die Stadt irgendeinen Vorteil von den Energieinvestments? Der dadurch erhoffte Einfluss auf die Energiewirtschaft, hat der Stadt nichts gebracht. RWE schloss trotzdem die Verwaltung in Bochum, die Arbeitsplätze gingen für die Stadt verloren. Es gibt auch keine billigere Energie für die Einwohner. Im Gegenteil, der Preis für den Strom, den zum Beispiel das Kraftwerk in Lünen an die Stadtwerke liefert, liegt deutlich über dem marktüblichen Preis. Der Kauf der STEAG erfordert von der Stadt in Zukunft weitere Millioneninvestitionen. Das Unternehmen muss für die Zukunft umgebaut werden. Nach der Energiewende ist der Betrieb von Kohlekraftwerken in Deutschland und Europa ein Auslaufmodell. Die Stadt bzw. die Stadtwerke werden mit weiteren Kosten belastet, die nichts mit kommunaler Daseinsvorsorge zu tun haben. Um die Gelder aufzubringen, wird bei den Bürgern weiter gespart werden müssen.

Wieso haben sich die verantwortlichen Stadtpolitiker von Rot und Grün auf die Energiedeals eingelassen? Zum einen wurden sie von den Landespolitikern gedrängt. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Eiskirch, etwa verkaufte die Investments immer wieder als für eine gute Kommunalpolitik unabdingbar. Derartige Aussagen wurden offenbar nie ernsthaft hinterfragt. Auch der ehemalige Chef der Stadtwerke Wilmert (SPD) konnte schalten und walten wie er wollte. Alles, was er dem Rat an Energiedeals vorschlug, wurde breitwillig von der Stadtpolitik durchgewunken. Bei den Ratspolitikern fehlte es an energiewirtschaftlichem Sachverstand wie Prinzipientreue gleichermaßen. Als die Energiemanager den Grünen den ökologischen Umbau der STEAG versprachen, hatten auch diese einen Grund gefunden diesem Deal zuzustimmen. Als längst klar war, dass mit dem Versprechen allein ihre Naivität ausgenutzt wurde, fehlte ihnen das Rückgrat, zumindest den zweiten Teil des Deals zu verhindern. Zudem wurden die Lokalpolitiker mit den angeblich aus den Energiegeschäften zu erwartenden Millionengewinnen gefügig macht. Nur zu gerne mochten sie glauben, dass man die ruinierten Stadtfinanzen mit diesen Einnahmen wieder halbwegs ins Lot bringen könnte.

So liegt die Verantwortung für die Fehleinschätzungen und Fehlinvestitionen nicht nur bei denen, die die Stadt wie Eiskirch und Wilmert dazu gedrängt haben, sondern genauso bei denen, die blauäugig für die Geschäfte gestimmt haben, trotzdem sie deren Umfang und Folgen niemals absehen konnten.

Was nun? Die Stadtpolitik steht vor einem Scherbenhaufen. Hunderte Millionen Euro sind unwiderbringlich verloren. Jetzt lässt sich nur noch das Risiko aus diesen Geschäften minimieren. Für die Anteile an der RWE bedeutet dies, eine Ausstiegsstrategie muss gefunden werden, damit eine weitere Senkung von Aktienkurs und Dividende oder gar die Insolvenz der RWE der Stadt nicht noch weiteren Schaden zufügen kann. Für die STEAG-Beteiligung gilt genau dasselbe.

Die Stadtpolitik muss aus den Erfahrungen lernen. Sie muss umdenken und zukünftig unabhängig von der Landespolitik selbstständig handeln und entscheiden. Sie darf sich nicht von Energielobbyisten verführen oder von vermeintlichen Wirtschaftsexperten beeinflussen lassen. Es ist wichtig, dass jedes einzelne Ratsmitglied den Grundsatz verinnerlicht, dass er nur Geschäften zustimmt, die er versteht und deren Umfang und Folgen er absehen kann. Jeder ist für sein Handeln und seine Entscheidungen voll verantwortlich, auch im Rat der Stadt. Daran ändert nichts, dass Stadtpolitiker ihre Ämter ehrenamtlich ausüben.

Das heißt für SPD und Grüne, dass sie sich ihrer Verantwortung für das durch die Energieinvestments mitausgelöste Finanzdebakel für die Stadt stellen müssen. Das gilt insbesondere für den wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und OB-Kandidaten Thomas Eiskirch (SPD). Es reicht nicht, dass er mittlerweile offenbar ebenfalls zu der Einsicht gelangt ist, die Stadt müsse die RWE-Beteiligungen wie ein Finanzinvestment behandeln (WAZ vom 16.05.14). Es muss endlich entsprechend gehandelt werden. Es muss ein Weg für die Stadt raus aus den risikoreichen Energiebeteiligungen und -geschäften gefunden und verfolgt werden.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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