Herzspezialisten über Vorhofflimmern: Riesige Resonanz

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Der Saal im RuhrCongress Bochum war bis auf den letzten Platz belegt. 700 Personen besuchten die dreistündige Eröffnungsveranstaltung des neuen Kompetenzzentrums Vorhofflimmern KOMVOR der Klinik für Kardiologie und Angiologie in den Augusta Krankenanstalten Bochum zum bedeutenden medizinischen Thema Vorhofflimmern. Die große Resonanz zeigt, wie stark das Informationsbedürfnis rund um diese am häufigsten vorkommende Form einer Herzrhythmusstörung ist. Sechs Herzspezialisten gaben ihren Zuhörern eine Menge Fakten zu den Ursachen, der Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern an die Hand und mit auf den Weg in eine hoffentlich gesunde Zukunft.

Priv.-Doz. Dr. med. Bodo Brandts berichtete zu Beginn der Veranstaltung von einer Herzrhythmusstörung, die er selbst im Alter von 22 Jahren nachts gespürt hatte. „Da habe ich direkt und unmittelbar aus Patientensicht erfahren, was Vorhofflimmern ist. Ich war Medizinstudent und wollte ursprünglich Grundlagenforschung betreiben. Nach dem Vorfall war für mich klar: Ich will Kardiologe werden“, erzählte der heutige Chefarzt der Augusta-Kardiologie. Dort hat er in den vergangenen zwei Jahren ein hochkompetentes Team von Herzspezialisten zusammengestellt, welche die wichtigen Bereiche in der Kardiologie abdecken. „In der Herzabteilung im Augusta wird der patientenorientierte Ansatz groß geschrieben. Man kann hier von einer kardiologischen Champions League sprechen“, würdigte Prof. Dr. med. Alexander Petridis, Ärztlicher Direktor der Augusta Krankenanstalten, in seinen Begrüßungsworten die Struktur der Abteilung in seinem Haus.

Kompetenzzentrum KOMVOR
Oberarzt Dr. med. Marc van Bracht, der gleichzeitig Leiter des neuen Kompetenzzentrums Vorhofflimmern KOMVOR ist, beschrieb Vorhofflimmern so, dass hier keine geordnete elektrische Erregung der Vorhöfe des Herzens mehr vorliege. Im Reizleitungssystem des Herzens liege ein Chaos vor, in dessen Folge das Herz nur noch unregelmäßig pumpe. Blut sammle sich im Vorhof an und würde gerinnen. Und die Blutgerinnsel würden Gefäße - häufig zu allererst im Kopf - verstopfen. Funktionsverlust und Schlaganfall sind häufige Folgen eines zu schnell schlagenden Herzens. „Es ist ähnlich wie bei einem Auto. Fährt man es eine lange Zeit übertourig, hat man irgendwann einen Motorschaden. Statistisch gesehen bekommt einer von 100 Patienten, die an Vorhofflimmern leiden, einen Schlaganfall“, sagte Dr. van Bracht und machte damit deutlich, wie wichtig es ist, diese Herzrhythmusstörung zu behandeln.

Ein Therapieansatz ist die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten, denn durch verschlossene Arterien ist die Durchblutung stark eingeschränkt. Augusta-Oberarzt Henrik Sobczak erklärte, dass es relevant ist, eine individuelle Abwägung vorzunehmen zwischen dem jeweiligen Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, und der persönlichen Blutungsneigung. Hierfür werden für jeden Einzelfall Punkteschemata aufgestellt, und je nach individuellem Schlaganfallrisikograd wird eine vierwöchige (niedriges Risiko) oder lebenslange (hohes Risiko) Medikamenteneinnahme verordnet. Oberarzt Sobczak stellte neben dem Vitamin-K-Antagonisten Marcumar, der schon über 50 Jahre erfolgreich eingesetzt wird, auch neuere Antikoagulantien vor, bei denen keine Gerinnungskontrollen mehr nötig sind. Es sei wichtig, für jeden Patienten ganz individuell zu entscheiden, welches Medikament genommen werden soll.

Erstimplantation von EKG-Gerät
Eine Alternative zur Verhinderung von Schlaganfällen stellte Oberarzt Dr. med. Magnus Prull vor: den Vorhofohrverschluss. Im stark verästelten Vorhofohr könnten sich Blutgerinnsel sehr leicht ablagern und von dort in den Kopf wandern. Durch einen Schirm, der über einen Katheter eingeführt und schließlich im linken Vorhof aufgeblasen wird, kann das Vorhofohr komplett verschlossen werden – und sechs Wochen später könnte komplett auf Blutverdünnungsmittel verzichtet werden. Dr. Prull machte noch auf einen weiteren Umstand aufmerksam: „20 bis 30 Prozent der Patienten merken gar nicht, dass sie Vorhofflimmern haben.“ Bei einem EKG würde es nur zufällig festgestellt, die Herzrhythmusstörung müsste schon genau zum Zeitpunkt der Untersuchung auftreten. Beim Langzeit-EKG über 24 Stunden wäre die Trefferquote schon höher. Aber erst durch ein implantierbares EKG könnte der Herzrhythmus permanent überwacht werden. Dr. Prull führte erst vor wenigen Tagen die europaweite Erstimplantation eines solchen Loop-Rekorders „mit guter EKG-Qualität“ durch, bei dem der Patient örtlich betäubt und das Gerät unter die Haut geschoben wird.

Im Anschluss ging Prof. Dr. med. Herbert Vetter, Direktor am Herzzentrum Wuppertal, auf die chirurgischen Ablationsverfahren ein. Diese würden in der Regel in Verbindung mit Operationen am offenen Herzen durchgeführt. Selten würde Vorhofflimmern als eigenständiger, operativer Eingriff - dann minimal-invasiv - behandelt. Der Herzchirurg zeigte anschaulich mit einigen Videos aus dem OP-Saal, wie er Gewebe verödet, damit das Flimmern aufhört. Verödung mit Hochfrequenzstrom und Kälte seien gängige Techniken.

Priv.-Doz. Dr. med. Axel Meissner, Chefarzt am Klinikum Köln-Merheim, beleuchtete die verschiedenen medikamentösen Therapieansätze, die neben der reinen Blutverdünnung gemäß der neuen Leitlinien vorgenommen werden. Dies sind Medikamente zur Herzfrequenz-Kontrolle, Medikamente, die bei der Kardioversion neben dem Elektroschock gegeben werden, sowie Medikamente zum Erhalt der Sinusfrequenz.

Erfolgreiche Verödung durch Kälteballon

Wie die Kardiologen bei der Vorhofablation vorgehen, erläuterte zum Abschluss der Info-Veranstaltung Dr. Marc van Bracht. Weltweit seien verschiedene Methoden (Verödung durch Kälte, Verödung durch Herzfrequenzstrom oder Verödung durch Lasertechnik) verlässlich. Diese sind aber so komplex, dass sich jeder Kardiologe auf eine Technik fokussieren müsse und nur eine perfekt beherrschen könne – und zwar sicher, komplikationsarm, einfach, schnell und erfolgreich. In der Augusta-Kardiologie wird die sogenannte Cryoablation angewendet, wobei per über die Leiste eingeführtem Katheter ein Kälteballon aufgeblasen und auf bis zu minus 60 Grad Celsius heruntergekühlt wird. Mit der ersten Verödung dieser Art, die primär an den Lungenvenen vorgenommen wird, erreiche man eine Erfolgsquote von 60-75 Prozent. Durch weitere Ablationen könnten die Erfolgsaussichten auf 80 oder 90 Prozent gesteigert werden, berichtete Dr. van Bracht und ergänzte: „Wir haben viele Pfeile im Köcher. Wichtig ist nur, dass man diese Therapie mit jedem Patienten individuell vorab bespricht und je nach Einzelfall und persönlichem Risiko entscheidet, welche Therapie man schließlich anwendet.“ (c_ob)

Autor:

Eberhard Franken aus Bochum

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