Ein Gespräch ist immer sinnvoll

Pfarrerin Bärbel Vogtmann von der Beratungsstelle PRISMA für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen und Freunde
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Pfarrerin Bärbel Vogtmann von der Beratungsstelle PRISMA für Suizidgefährdete

Die Beratungsstelle PRISMA für Menschen mit lebensmüden Gedanken und ihre Angehörigen steht seit 20 Jahren für engagierte Beratung und Seelsorge. Ein Gespräch mit Pfarrerin Bärbel Vogtmann über die Arbeit von PRISMA:

Warum ist das Thema Suizid und Suizidversuch immer noch ein gesellschaftliches Tabu-Thema?

Vogtmann: Ich denke, wir versuchen uns durch das Tabu vor sehr belastenden Gefühlen wie Angst, Überforderung und Ohnmacht zu schützen, die uns unwillkürlich überfallen, wenn wir mit Suizidgedanken oder -versuchen konfrontiert sind. Wir vermeiden es, mit Betroffenen darüber zu reden, damit diese Gefühle möglichst nicht in uns aufkommen. Vielleicht kennen wir auch selbst lebensmüde Gedanken und fürchten um unser eigenes Gleichgewicht. Darüber hinaus hat das gesellschaftliche Tabu aber sicher auch den Sinn, lebensmüde Gedanken oder Suizidpläne nicht noch zu befeuern, sozusagen Menschen nicht noch auf "dumme Gedanken" zu bringen. Dazu dient z.B. die Selbstverpflichtung der Medien, über Suizide i.d.R. nicht zu berichten.

Können Sie schildern, wie ein suizidgefährdeter Mensch denkt und fühlt?

Vogtmann: Ich glaube, jeder Mensch denkt im Laufe seines Lebens irgendwann daran, dass es besser sein könnte, nicht mehr zu leben. Vieles kann uns dazu einen - oft vorübergehenden - Anlass bieten. Bei einem suizidalen Menschen aber gehen diese Gedanken nicht vorüber, sie werden stärker; oft fühlt er sich zunehmend eingeengt, unfähig, an seiner Situation etwas zu verändern. Die ausweglos erscheinende Situation verbindet sich mit Fantasien darüber, wie der eigene Tod herbeigeführt werden kann, und schließlich entwickelt die Person konkrete Pläne. Am Ende kann ein so starker Sog dieser Gedanken entstehen, dass die Betroffenen nicht mehr gegensteuern können.

Wie kann eine „Erste Hilfe“ von Angehörigen oder Freunden aussehen?

Vogtmann: Als "Erste Hilfe" ist immer ein Gespräch sinnvoll. Sie sollten besonnen, aber ruhig direkt fragen, ob jemand Suizidgedanken hat oder konkrete Pläne. Interessieren Sie sich für die Hintergründe. Fragen Sie nach, hören Sie zu und nehmen Sie Not und Verzweiflung ernst. Das ist eine gute "Erste Hilfe", besonders wenn Sie dabei ohne Verurteilung oder anderen Druck auskommen. Danach können Sie eventuell mit dem Betroffenen besprechen, ob und wie weitere Hilfe ins Boot geholt werden kann, z.B. ein Gespräch mit PRISMA oder dem Hausarzt, Kontakt zum sozialpsychiatrischen Dienst oder einer psychiatrischen Klinik.

Eine persönliche Frage: Wie gehen Sie mit den Schicksalen um, die Ihnen in Ihrer täglichen Arbeit begegnen?

Vogtmann: Ich nehme natürlich Anteil an den Schicksalen, die mir bei PRISMA begegnen und fühle mit den Menschen. Wenn im Laufe der Beratung oder seelsorglichen Begleitung ein Mensch wieder stabiler wird und zurück ins Leben findet, freue ich mich. Manchmal aber kann ich ein schweres Schicksal nur mit aushalten, das ist auch schwer für mich. Mir hilft es sehr, zu wissen, dass ich Menschen zwar zur Seite stehen kann, aber ich kann und muss und werde sie nicht "retten". Ich lege sie Gott ans Herz, unserem gemeinsamen Schöpfer, dem wir alle unser Leben verdanken.

Autor:

Rolf Stegemann aus Bochum

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