Laufsteg Beckenrand

Ort der Sehnsucht: Ab dem 2. Mai 1976 wollte jede "Wasserratte" ins Wellenfreibad Südfeldmark - auch dieser kleine Junge. Seinerzeit wurden noch Blümchenbadekappen gesichtet. Anstelle von Mono- und Tankinis trugen viele Damen Bikinis. 
Foto: Stadt Bochum, Referat für Kommunikation
  • Ort der Sehnsucht: Ab dem 2. Mai 1976 wollte jede "Wasserratte" ins Wellenfreibad Südfeldmark - auch dieser kleine Junge. Seinerzeit wurden noch Blümchenbadekappen gesichtet. Anstelle von Mono- und Tankinis trugen viele Damen Bikinis.
    Foto: Stadt Bochum, Referat für Kommunikation
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Bei strahlend schönem Wetter gleichen die Bilder auf den Liegewiesen und am Beckenrand einem Ausschnitt aus den aktuellen Katalogen großer Modeketten. Hier ist in der prallen Sonne wie im angenehmen Schatten nahezu alles zu sehen, was in puncto Badekleidung diesen Sommer ein „must have“ ist. Doch nicht alles, was modisch angesagt ist, entspricht der Hausordnung in den hiesigen Bädern.

Das Team um Frank Breßa etwa, der das städtische Ostbad in Langendeer leitet, bleibt dennoch entspannt, so lange die sittlichen Grenzen gewahrt sind. Geschmacksfragen stellen die in der „Draußen-Saison“ zirka 18 Mitarbeiter geübt hinten an. „Wenn es mir persönlich nicht gefällt, bedeutet es ja nicht, dass sich auch die tausend anderen auf der Wiese daran stören müssen“, sagt Frank Breßa. Entscheidend sei daher, wie die große Masse auf das Schwimm-Outifit des einen oder anderen Badegastes reagiere.

Monokinis sind angesagt

Und das sei mittlerweile sehr tolerant. Beschwerden über zu knappe Badekleidung gebe es kaum, „oben ohne“ selten, FKK ohnehin nicht. „Ein oder zwei Mädels sonnen sich auf der oberen, schwer einzusehenden Liegewiese schon mal oben ohne, wenn wenig Betrieb im Bad ist“ berichtet Frank Breßa. Doch auch das dezent. „Die liegen dann auf dem Bauch und haken ihr Oberteil auf“, berichtet Denis Neitzel, Fachangestellter für Bäderbetrieb. Nichts worüber man sich als Badegast oder Bademeister heute noch moralisch entrüsten würde.
Gelassen beobachten die Mitarbeiter die wechselnden Trends von Sommer zu Sommer. Aktuell sind es bei den jugendlichen Mädchen und jungen Frauen die angesagten Mono- und Tankinis. „Die Monokinis sehen fast aus wie ein Bikini, haben vorne aber noch ein Bändchen zwischen Oberteil und Höschen“, erklärt Vanessa Gudweth. Die 22-Jährige arbeitet als Saisonkraft an der Kasse. „Die Tankinis haben ein längeres Oberteil – wie ein Top“, schildert sie. „Oft mit Häkeldeckchen“, ergänzt Denis Neitzel und meint die top aktuellen Fransen, die Schwung in die Outfits bringen sollen. Burkinis, die ihre Trägerinnen aus Glaubensgründen nahezu vollständig bedecken, sehen der 39-Jährige und seine Kolleginnen wie Kollegen in ihren Freibadschichten dagegen sehr selten. „Dafür hier und da im Schwimmunterricht der Schulen“, so der Bademeister.

Viel Textil - viel Aufbereitung

Im Gegensatz zum Schwimmsport ist bei den gleichaltrigen Jungen und Männern beim Freizeitplantschen die Badehose nach wie vor „out“. Sie tragen Schwimmshorts, gerne mal mehr als eine übereinander. Das ist prinzipiell okay. Auch wenn das Beinkleid zum Baden bis knapp unter die Knie reicht. „Nur unsere Wasseraufbereitungsanlage hat dann unheimlich viel zu arbeiten“, erklärt Frank Breßa. „Denn durch jedes Baden werden Fasern und Farbstoffe ausgeschwemmt, die das Wasser eintrüben.“ Ein Grund, warum die Badekleidung aus Schwimmtextilien wie Polyester sein sollte und nicht aus Baumwolle. Nicht gern gesehen sind daher Feinripp-Unterhosen bekannter Modelabel, die männliche Teenager prominent unter ihren Schwimmshorts hervorblitzen lassen. Ein Trend, den Frank Breßa schon aus den 80ern kennt und der wieder zunehmend während der Freibadsaison zu sehen ist. Denis Neitzel greift da bei der Beckenaufsicht durchaus ein: „Ich bitte die Jungs, eine normale Badehose drunter zu ziehen. Das ist hygienischer und eigentlich auch angenehmer für die Träger: Eine Badehose transportiert das Wasser besser weg und trocknet so auch schneller.“

Ösen machen Furchen

Diesen Effekt haben auch die Metallnieten in den hinteren Hosentaschen lässiger Surfershorts. Der trendige Badehosen-Ersatz aus geeignetem Material darf durchaus in den hiesigen Bädern getragen werden, auch tief auf den Hüften sitzend. Doch so praktisch der „Ablauf“ für das Meerwasser am Strand ist – in den Augen der Beschäftigten des Sport- und Bäderamtes hat er im Freibad einen bleibenden Nachteil: „Die Ösen machen Furchen in die Rutschen“, bedauert Denis Neitzel, der auch immer mal im Wellenfreibad Südfeldmark im Einsatz ist. Dort wie im Freibad Werne, wo es aufgrund des größeren Becken- und Freizeitangebots verstärkt Jugendliche hinzieht, beobachtet der 39-Jährige zudem einen anderen Trend: Neben den Mädels, die im Zeitalter der Selfie-Kultur gerne knapp im Bikini verpackt zeigen, was sie haben, gibt es Geschlechtsgenossinnen, die über dem Badeanzug eine Surfershorts und oft noch ein passendes Schwimmshirt dazu tragen. „Von Shirts waren wir anfangs wegen der Fasern- und Farbstoffausschwemmungen nicht begeistert, aber mit Blick auf Sonnenbrand und das Hautkrebsrisiko gestatten wir es“, so Frank Breßa. Selbst wenn die stoffreiche Kombi modisch manchmal eher dazu dient, das eine oder andere Pfund der übergewichtigen Trägerin zu kaschieren. Was auch für eben solche Träger gilt.
Gesehen hat der 47-Jährige bei seinem Dienst am Beckenrand sowieso schon so einiges. Große Körpermasse in wenig textiler Verpackung zählt dazu, aber auch der umgekehrte Fall. „Im Freibad Werne hatten wir eine Zeit lang einen Gast, der kam nur, wenn es geregnet hat. Er hatte einen original verpackten, offensichtlich nagelneuen Anzug – einen richtigen Abend- und Ausgehanzug – dabei und hat uns gefragt, ob er damit kurz ins Wasser springen darf“, erzählt Frank Breßa. Das sei aber gut 15 Jahre her. Vergangen sei auch die Zeit, in der Herren häufig erst unter der Kaltwasserdusche bemerkt haben, dass sie vergessen haben, ihren Hut abzunehmen, und sie deshalb nicht richtig nass wurden. Der Grund: „Die Herren hatten die Schuhe in der einen und die Kleidung am Haken in der anderen Hand. Wohin also mit dem Hut? Daher haben sie ihn wieder aufgesetzt und dann auf dem Kopf vergessen“, schmunzelt Frank Breßa noch heute.

Wo ist die Blümchenbadekappe?

Noch nicht wieder entdeckt hat der Badleiter bei seinen weiblichen Badegästen die einst moderne Blümchenbadekappe mit Kinnriemen, obwohl auch dieser vergangene Klassiker in den Modezeitschriften dieser Sommersaison wieder zu sehen ist. Strings sind darin ebenfalls abgebildet. Die werden auch im Ostbad getragen, mit Sicherheit von einem etwas älteren, männlichen Stammgast, der lieber in der Halle seine Bahnen zieht. Überhaupt unterscheidet sich das Publikum in der Halle von dem im Freibad: „Die Gäste im Hallenbad sind deutlich älter und tragen normalerweise ganz klassisch Badehose und Badeanzug“, so Frank Breßa und Denis Neitzel. Die beiden bleiben gespannt, was die nächste Sommersaison modisch bringt. „Alles okay, so lange niemand wie ,Borat‘ kommt“, scherzt Denis Neitzel. Die Hauptsache ist eh: gutes Badewetter. 

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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