"Wir haben den besten Trainer der 2. Liga" - VfL-Sportvorstand Christian Hochstätter im Exklusiv-Interview (Teil 2)

Sportvorstand Christian Hochstätter will mit dem VfL Bochum in der Tabelle klettern und mehr Zuschauer ins Stadion locken. Foto: Molatta
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Wie Christian Hochstätter mehr Fans ins Stadion locken will, was er zu seinem Flirt mit dem HSV sagt und warum Gertjan Verbeek der beste Trainer der 2. Liga ist - darüber spricht der Sportvorstand des VfL Bochum kurz vor dem Saisonstart des VfL bei Union Berlin am Freitag (27.1.) im zweiten Teil des großen Exklusiv-Interviews mit dem Stadtspiegel.

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews: Hochstätter über Verletzungssorgen, Talente und Saisonziele!
Christian Hochstätter, auch wenn die laufende Saison eher der Stabilisierung der Mannschaft gilt – Sie wollen in der Tabelle schon noch ein bisschen klettern?
Natürlich! Selbst wenn wir nicht ganz oben mitspielen können, bedeutet das nicht, dass wir mit Rang elf zufrieden sind. Es ist uns in der Vorrunde nicht einmal gelungen, zwei Spiele in Folge zu gewinnen. Das gehört zu den Dingen, die man sich für die Rückrunde zum Ziel setzen kann. Fakt ist, dass man im Fußball nicht viel vorhersehen kann. Aber der Anspruch muss doch sein, dass wir nach oben wollen und nicht immer gucken, was hinter uns passiert.

Das berühmte Niemandsland der Tabelle, in dem der VfL jetzt steht, möchten Sie wahrscheinlich so schnell wie möglich wieder verlassen?
Es geht ja nicht nur darum, dass man als Mannschaft und als Verein nach oben will. Wir möchten attraktiven Fußball spielen, wir möchten mehr Zuschauer haben, wir möchten mehr Mitglieder gewinnen, wir möchten neue Sponsoren akquirieren. Das gehört alles mit dazu, um diesen Verein entsprechend zu positionieren. Und deswegen ist es klar, dass die Blickrichtung nach oben geht.

"Wenn ich spektakulären Fußball sehen möchte, muss ich nach Bochum gehen"


Sie hatten im Interview mit dem Stadtspiegel im Sommer betont, der VfL müsse wieder eine feste Größe in der Stadt werden, mit der sich die Menschen identifizieren. Hat dieser Prozess durch die letzten Monate Schaden genommen?

Einen Schaden sehe ich nicht. Die Zuschauerzahlen sind in dem Bereich mit denen, die wir in der vergangenen Saison hatten. Aber man sieht in Bochum generell eines: Ist der Erfolg beim VfL nicht in dem Maße da, dass etwas nach oben geht, dann kommen die Zuschauer leider auch nicht in größerem Maße. Uns muss es gelingen, den Menschen auch in der Rückrunde zu vermitteln, dass sie beim VfL guten Fußball zu sehen bekommen und gut unterhalten werden. Das ist es, was uns ausmachen muss. Und was die Menschen im gesamten Ruhrgebiet ansprechen soll. Ich möchte, dass sie sagen: Okay, wenn ich spektakulären Fußball sehen möchte, dann muss ich nach Bochum gehen. Das hört sich nach einem hohen Ziel an. Aber warum soll das nicht möglich sein?

Sind Sie enttäuscht, dass bisher nicht noch mehr Zuschauer den Weg zur Castroper Straße gefunden haben?

Ich bin nicht enttäuscht. Aber bei dem einen oder anderen Spiel hätte ich es der Mannschaft gewünscht. Und manchmal denkt man schon: Mensch, was sollen wir denn noch alles tun, damit die Fans kommen? Gerade bei Spielen, in denen es darum ging, oben heranzukommen oder den nächsten Schritt zu machen. Und die Fans machen viel aus. Die drei Punkte gegen 1860 München zum Beispiel hat das Publikum gewonnen. Die Mannschaft ist ins Schwimmen geraten und unsere Zuschauer haben gemerkt, dass die Mannschaft sie braucht. Da hat man gesehen, was die Unterstützung des Publikums ausmachen kann. Und das wünschen wir uns – dass die Zuschauer verstehen, dass wir sie brauchen.

Wenn wir über die Identifikation der Menschen mit dem VfL sprechen: Es ist im Umfeld nicht gerade gut angekommen, dass Sie als Sportvorstand im Herbst über einen Wechsel zum HSV verhandelt haben. Ist diese Kritik für Sie nachvollziehbar?

Ich habe für jeden Verständnis, der das anders sieht als ich. Es ist eine berechtigte Kritik, wenn jemand sagt, er verstehe das nicht. Aber letztlich bin ich gefragt worden und ich musste damit umgehen. Ich habe im Sommer meinen Vertrag in Bochum um vier Jahre verlängert, weil wir gemeinsam hier einiges vorhaben. Dann erst kam die Anfrage aus Hamburg. Ich habe das auch als Wertschätzung meiner Arbeit empfunden. Und der HSV steht für die 1. Bundesliga. Für das, wo ich hin will – auch mit dem VfL Bochum. Ich finde nichts Verwerfliches daran, mir dieses Angebot anzuhören, zumal ich dem VfL gegenüber damit sehr transparent umgegangen bin.

"Vielleicht habe ich meine Interessen vor die des VfL Bochum gestellt"


Am Ende haben Sie sich dann gegen den HSV entschieden.

Ich habe abgesagt und ich muss zugeben, dass ich den ganzen Prozess etwas unterschätzt habe. Ich habe in dem Moment vielleicht meine Interessen vor die des VfL Bochum gestellt, das gebe ich offen zu. Das ist ein Fehler gewesen. Aber das heißt doch nicht, dass ich mich mit diesem Verein nicht identifiziere. Ich habe hier eine Mitgliedschaft auf Lebenszeit unterschrieben, das habe ich vorher noch nie getan. Und zwar, weil ich mich in Bochum wohl fühle und glaube, dass wir in den letzten drei Jahren schon einiges erreicht haben. Wir haben den Verein wirtschaftlich und sportlich saniert. Mich ärgern Kommentare, in denen gefragt wird, wo das ganze Geld aus Transfereinnahmen geblieben ist. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich vor drei Jahren hier gesessen habe und wir mussten die Lizenz für die 3. Liga abgeben. Und das waren Zahlen, die möchte keiner sehen. Da ist mir zum ersten Mal als Sportvorstand wirklich der Arsch auf Grundeis gegangen. Das passiert heute nicht mehr, weil Wilken Engelbracht und ich zusammen mit dem Aufsichtsrat und dem Trainer in den letzten drei Jahren diesen Verein wirtschaftlich und sportlich auf andere Beine gestellt haben. Die Mannschaft ist die jüngste der 2. Liga und hat eine glänzende Perspektive. Zudem steht der VfL wirtschaftlich besser da als in den letzten fünf Jahren. Das ist auch meine Arbeit. Wenn dann jemand meint, ich identifiziere mich nicht mit dem Verein, dann soll er das gerne tun. Ich weiß, was ich tue. Und ich weiß, dass ich hier beim VfL gerne arbeite. Und wenn ich mir etwas anderes anhöre, heißt das nicht, dass der VfL Bochum für mich ein Verein zweiter Kategorie ist. Aber gerade der HSV ist für mich persönlich ein ganz spezieller Verein.

Was macht diese besondere Verbindung zum HSV aus?

Der Hamburger SV ist der Klub, der meine persönliche Sichtweise über Fußball massiv geprägt hat. Ich habe 23 Jahre für Gladbach gespielt. Trotzdem hat mich die Art und Weise, wie der HSV unter Happel und Netzer Fußball gespielt hat, geprägt. Das war der Fußball, den ich geil fand. Wenn du damals gegen die gespielt hast, hattest Du immer das Gefühl, die sind auf dem Platz zwei Spieler mehr. Die Hamburger haben schon in den 80er Jahren durchgedeckt und gepresst, das hat kein anderer Verein gemacht. Was Trainer und Manager da aufgebaut haben, hat mich beeindruckt und ist bei mir hängen geblieben. Wenn ein solcher Verein dann auf mich zukommt, dann hat man auch eine Vorstellung, wie der HSV spielen sollte. Das hat mich interessiert – aber mehr auch nicht.

Also hatten wir im Herbst den „Sonderfall HSV“ und kein Fan muss sich Sorgen machen, dass bald die nächste Anfrage für Unruhe sorgen könnte?

Ich bin seit 1999, als ich Sportdirektor in Gladbach geworden bin, in verantwortlicher Tätigkeit aktiv. Es war jetzt in ähnlicher Funktion das erste Mal in meiner ganzen Karriere, dass ein Verein während eines laufenden Vertrages bei mir angefragt hat. Das war auch für mich Neuland. Und da muss es doch auch erlaubt sein, mit 53 Jahren mal über meine persönliche Karriere nachzudenken, denn ich habe auch schon drei Jahre Zuhause gesessen und es hat gar keiner angerufen. Ich habe beim VfL Bochum für vier Jahre unterschrieben, weil ich an das Projekt glaube, das wir hier angestoßen haben. Und ich bin doch nicht weniger loyal meinem Verein gegenüber, nur weil ich mir ein anderes Angebot anhöre. Dafür werde ich mich nicht entschuldigen, und schon gar nicht rechtfertigen.

"Am Ende wird Verbeek am Ergebnis gemessen"


Das Projekt VfL, über das Sie sprechen, ist auch eng mit dem Trainer verbunden. Hatten Sie in den letzten Monaten bei Gertjan Verbeek jemals das Gefühl, er könnte die Lust an dieser Aufgabe verlieren?

Wir haben den besten Trainer der 2. Bundesliga. Das ist meine feste Überzeugung, ohne dass es den anderen Trainern gegenüber despektierlich klingen soll. Wir haben einen Trainer, der nicht nur an sich denkt, sondern auch an diesen Verein. Es ist auch für ihn ein Risiko, dass wir keinen Spieler verpflichten wollen, der älter ist als 25 Jahre. Junge Spieler machen nun einmal mehr Fehler als erfahrene Profis. Und am Ende wird auch Gertjan Verbeek am Ergebnis gemessen. Aber Verbeek und wir wollen die jungen Spieler entwickeln, das ist unsere Philosophie. Wir sind kein Verein, der zukauft und daraus eine Mannschaft bildet. Wir bilden aus und geben ab. Das ist übrigens das, was der VfL Bochum seit 40 Jahren macht und was diesen Verein immer ausgemacht hat. Diese Philosophie hatte der Verein in den Jahren zuvor vielleicht ein Stück verloren, deswegen gab es auch das eine oder andere Problem. Unser Trainer jetzt legt Wert darauf, dass die Infrastruktur stimmt. Er ist bereit, auf Geld für den Kader zu verzichten, um es in die Infrastruktur zu investieren. Man kann nur gut ausbilden, wenn man auch optimale Bedingungen hat. Wir haben einiges an Geld in Plätze, Krafträume und Umbauten im Kabinentrakt gesteckt. Umbauten, die andere Trainer vorher nicht interessiert haben. Deswegen glaube ich nicht, dass Gertjan Verbeek die Lust am VfL Bochum verliert. Ihn interessiert das Projekt.

Und wenn einmal ein interessantes Projekt in der 1. Liga lockt?

Natürlich könnte sich auch mal ein Erstligist für ihn interessieren, wenn ich ihn schon für den besten Trainer der 2. Liga halte. Das gehört zum Geschäft dazu, damit müsste man dann leben. Deswegen sitzen bei uns aber auch die U19- und U17-Trainer mit in der Kabine. Das sind für uns Ausbildungsplätze, von denen wir als VfL Bochum uns erhoffen, vielleicht eines Tages einen Trainer aus dem eigenen Stall mit den gleichen Ideen und Vorstellungen auf die erste Position als Cheftrainer setzen zu können. Ob die Jungs dann so weit sind und wir es ihnen auch zutrauen, ist eine andere Geschichte. Aber erst einmal hat Gertjan Verbeek auch noch einen Vertrag bis 2018. Und ich hatte noch kein Gespräch mit ihm, in dem ich den Eindruck hatte, er könnte die Lust verlieren – auch wenn manches bei ihm viel Fingerspitzengefühl und auch viel Überzeugungskraft erfordert. Manche Dinge in Bochum erfordern mehr Zeit, als er es vielleicht gewohnt ist. Aber wir handeln, wir setzen Ideen um. Dieser Verein bleibt nicht stehen, sondern entwickelt sich kontinuierlich weiter.

Autor:

Dietmar Nolte aus Dortmund-West

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