Ein Platz in der Suppenküche Kolüsch

Andi Hennig und Doris Machozek haben, wie alle Kolüsch-Mitarbeiter, immer ein offenes Ohr für die Besucher. | Foto: Kappi (Michael Kaprol)
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  • Andi Hennig und Doris Machozek haben, wie alle Kolüsch-Mitarbeiter, immer ein offenes Ohr für die Besucher.
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Kolüsch, das „Restaurant der Herzen“, deckt seit 1993 jeden Winter den Tisch für Wohnungslose und Arme. In der kalten Jahreszeit bekommen sie in der „Suppenküche“ ein warmes Mittagessen.

Aber hier Platz zu nehmen fällt nicht jedem Bedürftigen leicht. „Ich habe nur runter geschaut und mich geschämt“, erzählt Ingrid Wenzlawski von ihrem ersten Besuch bei Kolüsch. Heute betrachtet sie die, die sie im „Restaurant des Herzens“ trifft, als ihre Familie.

Es dauerte mehr als ein halbes Jahr, bis sie bei ihren Kolüsch-Besuchen auftaute: „Wenn mich jemand angesprochen hat, habe ich natürlich geantwortet. Auf andere zuzugehen war mir aber unmöglich. Über mein Privatleben wollte ich damals nichts preisgeben.“
Warum sie seit gut zehn Jahren Gast bei Kolüsch ist, kann sie heute erzählen: „Ich habe mit 20 Jahren geheiratet. Als ich meinen Mann mit 16 Jahren kennenlernte, hat der mir verboten, zu arbeiten. Er war krankhaft eifersüchtig.“ Eine Ausbildung hat die heute 76-Jährige deshalb nie angestrebt.
Für ihre erste Ehe findet sie kein gutes Wort: „Bei ihm habe ich 42 Jahre in der Gefangenschaft gelebt, er hat mich geschlagen.“ Für ihren finanziellen Notstand macht sie ihren zweiten Ehemann verantwortlich: „Der hat mir den Himmel auf Erden versprochen. Damals hatte ich noch eine Doppelhaushälfte, aber – Liebe macht blind – durch ihn habe ich alles verloren.“
Gut 200 Euro bleiben ihr zurzeit zum Leben. „An so etwas wie Weihnachtsmarkt oder Feste in der Innenstadt darf ich gar nicht denken. Ich könnte mir da nichts zu Essen gönnen, und das riecht so lecker.“
Heute ist Kolüsch wie ein zweites Zuhause für sie: „Alle, die sich hier zusammenfinden, sind genauso abgesackt wie ich. Für mich ist das hier meine große Familie. Wir können uns alles erzählen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich mit jemandem von hier eine Wohnung teilen soll - zusammen wäre das Leben günstiger.“ Und darauf wird sie ab diesem Monat noch mehr angewiesen sein. Denn mit Jahresbeginn hat sich ihre Miete um 31 Euro erhöht. Damit hat sie keine 200 Euro zum Leben im Monat. „Meine dreieinhalb Raum-Wohnung ist zu groß. Ich würde ja umziehen, aber das Sozialamt stellt nur den Umzugswagen. Ich habe keine Leute, die etwas transportieren können und mein Kreuz ist kaputt - ich kann deshalb nicht umziehen und dadurch meine Kosten reduzieren.“ Wenn Kolüsch am 14. März geschlossen wird, sucht sie den Mittagstisch in der Nachbarstadt Gelsenkirchen auf. „Da habe ich auch schon zwei sehr gute Freunde gefunden.“
Auf die Frage, was sie sich wünschen wurde, wenn sie eine Fee fragte, antwortet sie ad hoc: „Etwas Neues zum Anziehen.“ Sie hat Angst, dass es Kolüsch nicht mehr in den Wintermonaten in Bottrop geben wird. „Aber das ist unbegründet“, sagt Claudia Kretschmer von der Evangelischen Sozialberatung. „Für 2013/2014 gibt es noch den vollen Zuschuss seitens der Stadt. Für die kalte Jahreszeit 2014/2015 will sich die Vorsitzende des Sozialausschusses Renate Palberg darum kümmern, dass die Gelder nicht halbiert werden.“ Kolüsch ist auf Spenden angewiesen und finanziert sich zu einem großen Teil darüber. „Zum Glück hat Bottrop sehr viele solidarische Bürger mit Verantwortung für diejenigen, denen es nicht so gut geht.“
Claudia Kretschmer oder ihre Kollegen sind beim Mittagstisch vor Ort: „Wir kümmern uns auch um die soziale Beratung. Einfach auf uns zukommen, dann können wir vielleicht helfen.“

Andi Hennig und Doris Machozek haben, wie alle Kolüsch-Mitarbeiter, immer ein offenes Ohr für die Besucher. | Foto: Kappi (Michael Kaprol)
Autor:

Bettina Meirose aus Bottrop

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