Vorwürfe gegen Apotheker ausgeweitet

In dem Fall des Bottroper Apothekers, der wegen des Verdachts, gestreckte und damit nicht in vollem Umfang wirksame Krebsmedikamente in Umlauf gebracht und die Krankenkassen um rund 2,5 Millionen Euro betrogen zu haben, ermittelt die zuständige Staatsanwaltschaft Essen weiterhin mit Hochdruck. Die Rede ist von 40.000 Fällen. Ein Insidertipp hat die Ermittler auf die Spur des 46-Jährigen gebracht.
Kern des Vorwurfs ist, bei der Herstellung von Infusionen für die sogenannte Krebsimmuntherapie nicht korrekt gearbeitet und zu niedrige Anteile der wirksamen Arzneimittel zubereitet zu haben. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Hinweise darauf, dass Krebsmedikamente, die zurück zur Apotheke gegangen sind und hätten entsorgt werden müssen, an andere Patienten weitergereicht wurden.
Ob diese Infusionen für die Betroffenen wirksam waren, kann kaum noch geklärt werden. Sicher scheint jedoch, dass der 46-Jährige für diese Medikamente ein zweites Mal mit der Krankenkasse abgerechnet hat.

Stadt schaltet eine Hotline

"Die Anschuldigungen machen mich persönlich sehr betroffen und da kann ich auch für die gesamte Stadtgesellschaft sprechen", erklärt Oberbürgermeister Bernd Tischler. Die Stadtverwaltung bietet ab sofort jeweils von 8 bis 16 Uhr möglicherweise Betroffenen die Möglichkeit an, sich an eine Telefon-Hotline der Stadtverwaltung zu wenden. Die zentrale Rufnummer lautet 70 44 88. Außerhalb der genannten Zeit läuft ein Anrufbeantworter.
Durch die Hotline kann nun geholfen werden zu klären, ob die behandelnde Stelle zu den Ärzten und Krankenhäusern gehört, die vom Bottroper Apotheker beliefert worden sind. In den Gesprächen wird dann mit Sicherheit auch erörtert werden, welche Wirkstoffe bei den möglicherweise fehlerhaft oder unterdosiert zubereiteten Zytostatika eine Rolle spielen. Es sind dies nach den bisherigen staatsanwaltlichen Erkenntnissen die Mittel Nivolumab (Handelsname Opdivo), Denosumab (Handelsname Xgeva beziehungsweise Prolia), Ramuciromab (Handelsname Cyramza), Nab-Paclitaxel (Handelsname Abraxane) und Bevacizumab (Handelsname Avastin).

Laufende Ermittlungen abwarten

Die Stadtverwaltung weist in Absprache mit den Krankenhausspitzen und Ärztevertretungen mit Blick auf die Telefon-Hotline aber auch darauf hin, dass in vielen weitergehenden Fragen eine Antwort noch nicht möglich ist, weil hierzu die Ergebnisse der noch laufenden Ermittlungen abgewartet werden müssen.

Patienten sollten sich an ihren Arzt wenden

Eine Apotheke aus dem Kreis Soest hat inzwischen die Belieferung der Betroffenen übernommen. Der Apotheker hatte Kliniken und Praxen im gesamten Ruhrgebiet, im Düsseldorfer Raum und am Niederrhein beliefert.
Ob die Patienten, die von dem Apotheker mit zu gering dosierten Medikamenten beliefert wurden, gesundheitlichen Schaden genommen haben, lässt sich vermutlich nicht nachweisen. Die zuständige Oberstaatsanwältin Anette Milk sagt: "Das dürfte auch kaum noch geklärt werden können. Wir konzentrieren uns daher zurzeit auf den Vorwurf des Abrechnungsbetruges."
Der Apotheker soll zudem, anders als üblich, oft alleine im Labor gearbeitet haben. Nach Aussagen des Insiders, der die Staatsanwaltschaft auf die Spur gebracht hat, sei dies oft in den frühen Morgenstunden und unter Nichtbeachtung der Hygienevorschriften passiert. "Er soll nicht in keimfreier Schutzkleidung, sondern im normalen Straßenanzug den Reinraum, der so steril wie möglich sein muss, betreten haben", erklärt die Oberstaatsanwältin Anette Milk. Der Apotheke ist bis auf weiteres vom Gesundheitsamt die Erlaubnis zur Herstellung dieser speziellen Krebsmedikamente entzogen worden.

Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz verlangt Untersuchungen wegen des Verdachts der Körperverletzung und der Körperverletzung mit Todesfolge. Das Düsseldorfer Gesundheitsministerium hat sich auch in den Fall eingeschaltet: Das Landeszentrum Gesundheit NRW unterstütze die Ermittler durch Analysen sichergestellter Medikamentenproben.
Der beschuldigte Apotheker schweigt weiter zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, er sitzt wegen Fluchtgefahr noch immer in Untersuchungshaft. Ob er allein gehandelt hat oder Mitwisser hatte, ist noch unklar. "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten, hat er eine mehrjährige Haftstrafe zu erwarten. Ob ein Berufsverbot erlassen wird, kann von dem im Verfahren zuständigen Richter entschieden werden", so die Oberstaatsanwältin.

Autor:

Judith Schmitz aus Bottrop

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