Erste Hilfe für die Seele: Christiane Lammerding ist ehrenamtliche Notfallseelsorgerin

Wenn Christiane Lammerding zum Einsatz gerufen wird, weist sie eine Weste als Notfallseelsorgerin aus. | Foto: Michael Kaprol
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Es gibt eine Situation, die Christiane Lammerding nie erleben möchte: einen schweren Unfall auf der Autobahn mit Toten und Verletzten. Doch wenn es passieren sollte und sie gerufen würde, wäre sie da. Christiane Lammerding ist ehrenamtliche Notfallseelsorgerin.

„Wenn die Seele in Not ist, braucht sie Hilfe“, sagt die 45-Jährige, „da ist der Glaube zweitrangig, das spielt für mich keine Rolle.“ Und so versteht sie auch ihre Aufgabe. Dasein für Menschen, die gerade etwas Schlimmes erleben, zuhören, trösten, Unterstützung anbieten. „Ich habe auch immer ein paar Utensilien dabei. Eine Kerze, ein Kreuz oder auch einen Teddy für die Kinder.“
Der diensthabende ehrenamtliche Notfallseelsorger wird bei Bedarf von der Leitstelle der Feuerwehr angefordert. Er kommt zum Beispiel bei häuslichen Todesfällen zum Einsatz, bei Suizid oder wenn Angehörigen eine Todesnachricht überbracht werden muss.

Ein Jahr lang ist Christiane Lammerding durch Mitarbeiter des evangelischen Kirchenkreises auf ihren Einsatz vorbereitet worden. Aber auch andere Fachleute wie Traumatherapeuten, Polizisten oder Feuerwehrleute arbeiten mit den späteren Notfallseelsorgern zusammen, um diese für ihre Aufgabe fit zu machen. „Die Notfallseelsorge im Kirchenkreis ist schnelle erste Begleitung in einer Krisensituation, kurz, Erste Hilfe für die Seele“, erklärt Pfarrer Achim Solty, Beauftragter des Kirchenkreises für die Notfallseelsorge.

Auch nach ihrer Ausbildung werden die Notfallseelsorger nicht allein gelassen. „Regelmäßige Fortbildung, Betreuung und Nachbesprechungen sind unerlässlich“, weiß Achim Solty. Dennoch stellen viele nach ein paar Einsätzen fest, dass dieses Ehrenamt sie überfordert. „Von den 15 Teilnehmern in meinem Kurs sind nur noch drei übrig“, sagt Christiane Lammerding.

„Wenn man das erste Mal auf dem Dienstplan steht, ist das schon komisch“, erzählt die Bottroperin. Ihr erster Einsatz hat gleich viel von ihr abgefordert. „Eine Frau, ungefähr in meinem Alter, drei Kinder, ungefähr so alt wie meine eigenen, wurde tot auf ihrer Couch gefunden. Das war schon hart. Als ich danach durch die Stadt gefahren bin habe ich gedacht: hier pulsiert das Leben, und für diese Familie ist gerade die Welt zusammen gebrochen. Da schluckt man erstmal, da fließt auch die ein oder andere Träne.“ Nach diesem Einsatz ist sie erstmal mit dem Hund spazieren gegangen. „Ich habe mich gefreut, dass ich lebe.“ Ihre Tätigkeit als Notfallseelsorgerin habe ihr vor Augen geführt, wieviel Trauer und Leid es gibt, erzählt Christiane Lammerding, die als Sozialpädagogin an der Albert Schweitzer Schule tätig ist.

„Ich möchte die Welt ein bisschen besser machen“, versucht sie ihre Motivation, sich als Notfallseelsorgerin zu engagieren, auf den Punkt zu bringen. „Ich glaube, wenn jeder etwas macht, kann man viel erreichen.“
Es gab einen auslösenden Moment in ihrem Leben, der zu der Entscheidung führte, als Notfallseelsorgerin denen beizustehen, die gerade am Boden zerstört sind. „Mein Vater ist mit meiner Mutter spazieren gegangen, ich habe ihnen noch gewunken. 20 Minuten später ist er umgefallen, lag im Park. Die Welt stürzte ein, und ich konnte nichts machen.“

Autor:

Judith Schmitz aus Bottrop

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