Glosse: Politik und Karrieremuster

B. Eisenberg

Am Sonntag wird in Russland gewählt, und die Chancen stehen gut für den „lupenreinen Demokraten“. Es gibt kaum ernstzunehmende Konkurrenz. Auf dem Wahlzettel kann man sein Kreuz machen bei W. Putin, Wladimir Putin oder Wladimir Wladimirowitsch Putin.

In Russland braucht man kein halbes Jahr, um eine Regierung zu bilden. Da bleibt die alte einfach im Amt.

Gut, das ist bei uns eigentlich auch so, nur dass wir für diese Gewissheit ganze sechs Monate benötigt haben. Und es sind auch nicht mehr dieselben Minister.
Gabriel ist das Außenamt los, und das ist letztlich sein eigenes Verdienst. Martin Schulz indirekt „den Mann mit den Haaren im Gesicht“ zu nennen, war einfach nur töricht. Immerhin hatte er sich sofort dafür entschuldigt – also, gefühlte hundert Tage später, aber Schulz nahm die Entschuldigung an und sagte: „Sigmar, du bist eben ein Emotionsbrötchen.“ Gut, dass sie sich vertragen haben, denn vielleicht müssen sie zukünftig noch zusammenarbeiten, wenn sie in der Friedrich-Ebert-Stiftung Akten sortieren oder Stipendien vergeben an die Kindergartenkollegen von Kevin Kühnert.

Um Gabriel muss man sich keine Sorgen machen. Der taucht schon wieder irgendwo auf. Aber Schulz kann jetzt nicht einmal mehr auf die EU-Ebene abgeschoben werden, denn daher kommt er ja. Sonst wäre das nach dem Muster der antizyklischen Karriere eine gute Option. Im Gegensatz zu normalen Bürgern verlaufen viele Politikerkarrieren nämlich antizyklisch. Wenn der Otto-Normal-Bürger in seinem Job Mist baut, wird er eine Etage nach unten versetzt, das Gehalt wird gekürzt. Bei Politikern ist das oft umgekehrt: Wer sich auf kommunaler Ebene was zuschulden kommen lässt, sitzt ein paar Monate später im Landtag. Wer als Landesminister scheitert, bekommt ein Bundestagsmandat, und wer es im Bund versemmelt, bekommt einen Job bei der EU. Die EU wird gerne als Resterampe für gescheiterte Politiker missbraucht. Das ist antizyklisch.
Schulz jedoch kommt von der EU-Ebene; seine Karriere entspricht einer nach unten geöffneten Parabel, also dem Merkel-Flunsch. Die Parabel startet im Positivbereich (Bürgermeister von Würselen), hat ihren Scheitelpunkt in Straßburg, doch nun bleibt ihm nur noch eine Karrierestation – im Negativbereich unterhalb der X-Achse: das Dschungelcamp. Er kann sich dann vielleicht von den Jusos per Televoting direkt dort rauswählen lassen.

Jobs in der Politik werden ohnehin nach kuriosen Kriterien vergeben. Das sieht man auch am neuen Kabinett. Familienministerin Franziska Giffey beispielsweise erfülle, wie man auf SPIEGEL Online lesen konnte, „gleich drei Vorgaben, die für die SPD wichtig sind: Frau, aus dem Osten, jung“. Man stelle sich das im Bewerbungsgespräch bei einer Bank vor: „So, wie sehen denn Ihre Referenzen aus?“ – „Ja, ähm, äh, ich bin jung, weiblich und aus dem Osten.“ – „Ach so, ja dann sind uns ihre Mathematik-Kenntnisse natürlich egal. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben die Stelle!“
Aber zum Glück bringt sie auch Erfahrung mit und zwar als Bezirksbürgermeisterin von Neukölln. Sie kennt sich aus mit religiös geprägten Männern, die keinen Respekt haben vor Frauen, vom Steuerzahler durchgefüttert werden, in einer Parallelwelt leben und vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschrecken. Diese Kenntnisse wird sie brauchen, wenn sie in der Regierung klarkommen möchte – mit der CSU.

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Die nächsten Solo-Termine mit „Pointen aus Stahl“:

16.03.2018 - Waldstetten - Stuifenhalle
17.04.2018 - Düsseldorf - Takelgarn
20.04.2018 - Karlsruhe - Orgelfabrik
28.04.2018 - Herne - Kleines Theater

Mehr unter: www.benjamin-eisenberg.de

Autor:

Benjamin Eisenberg aus Bottrop

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