Seit 60 Jahren dokumentierte Hardy Lahme mit der Kamera Landschaft und Geschichte

Foto: privat

Am Anfang war die Drecksmaloche: Weil es sich der Teenager in den Kopf gesetzt hatte, mit einer Filmkamera durch die Gegend zu streifen, musste erst mal Geld her. Der Anschaffungspreis war astronomisch! 500 Deutsche Mark, das waren umgerechnet drei große Ferien stupide Arbeit in der Schlosserei. Nach Jahren ohne Sommer bei einem Stundenlohn von einer Mark war das Geld für den Apparat beisammen. Dann fingen die Probleme an: Eine Rolle Film, Laufzeit vier Minuten, kostete, was Hardy Lahme in anderthalb Doppelschichten sauer verdiente.

Wer weiß, hätte es nicht soviel Verdruss gekostet, Hardy Lahme wäre vielleicht nicht der begeisterte Amateurfilmer geworden und geblieben. Seit 60 Jahren pflegt er diese Leidenschaft. Ist es ein Hobby oder geht die Tendenz in Richtung Obsession? Sagen wir mal so: Hardy Lahme lässt nicht locker. Davon zeugt seine besondere Beziehung zum zweithöchsten Berg im Lande.
In dessen Schlagschatten stand mehr als drei Jahrzehnte lang der Wohnwagen der Familie. Wann immer es die Zeit erlaubte, schulterte der Filmer seine Ausrüstung, kletterte empor und bannte Naturschauspiele auf Band. „An die tausend Mal bin ich wohl da hoch“, sagt Hardy Lahme. Die Erinnerung lässt ihn heute noch ein bisschen keuchen. „Nicht nur bei Sonnenschein und 20 Grad, auch nachts, bei zweistelligen Minusgraden, Regen und Schneesturm.“ Entbehrungsreiche Arbeit hat er noch nie gescheut. Belohnt wurde er mit einmaligen Aufnahmen, die auch das Spiel von Licht und Schatten dokumentieren, das sich dort zur Sommersonnenwende bietet. „Unten ist es dunkel aber oben kann man noch Kilometer weit gucken“, weiß der Kraxler mit der Kamera. Ebenfalls bemerkenswert ist der Blick bei Inversionswetterlagen. „Da liegen einem die Wolken zu Füßen“, wie er beobachtet hat.
Soviel Durchhaltevermögen blieb nicht unbemerkt. Fast zwangsläufig klopfte irgendwann das Fernsehen an und sendete einen Beitrag über sein Schaffen im Hochsauerland. Der war im Laufe der Jahre nicht nur im WDR sondern auch bundesweit zu sehen. Ein Profi von der Glotze zollte Hardy Lahme besonderen Respekt. „Was Sie da machen, können wir gar nicht. Dafür fehlt uns die Geduld.“
Die fehlt Hardy Lahme in gewisser Weise auch. Allerdings nur mit den anderen. „Ich mache alles allein, ich will mir nicht reinreden lassen und erst recht nicht von jemandem abhängig sein.“
Nicht ohne Stolz stellt er fest, dass er niemals mit anderer Leute Geld gearbeitet hat. Das hielt er schon bei seinem Erstlingswerk so. Nach gut drei Jahren präsentierte er einen etwa 60 Minuten langen Film über Milspe und insbesondere das Tal der Heilenbecke, jenen Ort, an dem er aufwuchs und wo er die meiste Zeit seinen Lebens verbrachte.
Der Streifen zeigt auch ein weiteres Muster, das bis heute seine Arbeiten auszeichnet: So gut wie nie filmt er eine Einstellung nur einmal. Wirklich zufrieden ist er, wenn er mit vier brauchbaren Ansichten ans Schneiden gehen kann. Eine pro Jahreszeit. Sehr schön ist das in seinem Stadtportrait über Breckerfeld zu sehen. Man achte auf die Apotheke!
Ansonsten hat sich eine Menge geändert. Allein die Ausrüstung! Gut die Hälfte seines Amateurfilmerdaseins beschäftigte sich der Mann, den man nie ohne seine schwarze Kappe antrifft, mit dem Format „8“. Anfang der achtziger Jahre hielt er die technische Entwicklung für ausgereift genug, um auf ein Videoformat umzusteigen. Das digitale Zeitalter begann für ihn 1998. Seit 2005 ist eine Canon XL 1 mit beeindruckendem Objektiv seine ebenso handliche wie zuverlässige Begleiterin. Für die Nachbearbeitung genügt eine übersichtliche Wohnzimmerecke: Zwei Monitore, Video- und Festplattenrekorder, überraschend kompakte Geräte für Ton und Schnitt.
So bescheiden sich die Werkstatt ausnimmt, so verschwenderisch geht es im Kopf des 77-Jährigen zu. An Ideen und Fantasie herrscht kein Mangel. Dabei verzichtet er konsequent auf Tricks und Effekte, reizt dafür aber alle Möglichkeiten aus, die die adäquate Musikauswahl möglich macht. Hardy Lahme kennt sich aus in der Klassik, hat in der Jugend Klavier gespielt und weiß eigentlich instinktiv, das Mendelssohn-Bartholdys dritte Sinfonie wie geschaffen ist, um ein Nebelfeld noch beeindruckender wirken zu lassen. Nicht umsonst trägt das Stück den Beinamen „die Schottische“.
Der Kahle Asten blieb nicht sein Schicksalsberg. Er trieb sich auch im Berner Oberland zwischen Grimselpass und Interlaken herum und erklomm Gletscher in Norwegen. Da passt übrigens immer etwas aus Edvard Griegs Peer-Gynt-Suite. Weiter südlich als bis in die Alpen zog es ihn nie. „Interessiert mich nicht“, sagt er lapidar. „Ich fühle mich nur nördlich des 46. Breitengrads wohl.“ Wenn ihm dort irgendwo eine Gams oder ein Elch durchs Bild tapert, verdirbt das nichts. Als Tierfilmer hat er sich aber nie versucht. Landschaften jedoch fängt es so innig ein, als wollte er jede einzelne Unebenheit im Gelände nachmodellieren.
Neben der Topografie hat es ihm die Industriegeschichte besonders angetan. Sein gesamtes Erwerbsleben widmete Hardy Lahme der Metallverarbeitung. Im Betrieb, den er von seinem Vater übernahm, wurden Gleitlager für Landmaschinen, Lkw und Pkw aus Messing und Bronze hergestellt. Vor fünf Jahren, damals schon weit jenseits der Pensionsgrenze, gab er die Firma auf. Als das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt war, produzierte er ein Denkmal in bewegten Bildern für die montane Vergangenheit. Ausnahmsweise nicht im Alleingang. Mit Dr. Walter Knuff, dem Gründer der Kulturschmiede Ennepetal, fand er einen rhetorisch versierten Partner, der die „Off-Texte“ sprach.
Mit dem Umzug in die alte Hansestadt stützte sich Hardy Lahme sofort auf das unbeackerte Terrain. Hintereinander entstanden ein Stadtportrait, ein Überblick über Breckerfelds kulturelles Leben, dessen erster Teil seiner Uraufführung entgegen sieht und selbstverständlich eine Dokumentation über das Großereignis, das hier an den Gestaden der sauren und süßen Epscheid vielleicht wichtiger ist „als Ostern und Weihnachten“, wie Hardy Lahme mittlerweile weiß. Das Bauern-Vogelschießen begleitete er 14 Stunden lang. Revue passieren lässt er es in kompakten 57 Minuten, ohne dass ein Detail von Belang unter den Schneidetisch gefallen gefallen wäre.

Wer Hardy Lahmes Filme sehen möchte, bekommt ein Exemplar zu einem ausgesprochen fairen Preis auf DVD. 26 seiner 70 Titel können bestellt werden. Kontakt unter: 0157-87436909.
Genau hingucken lohnt sich, Hardy Lahme tut das schon seit 60 Jahren.
Und findet partout keinen vernünftigen Grund, damit aufzuhören.

Autor:

Lokalkompass Hagen aus Hagen

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