"Hilfe wichtiger als Mitleid"

Tagelanger Regen hatte das Flüchtlingslager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien nahezu unbewohnbar gemacht. | Foto: Fethullah Sevinc
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  • Tagelanger Regen hatte das Flüchtlingslager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien nahezu unbewohnbar gemacht.
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„Man hat keine Zeit, Mitleid zu haben, weil man helfen muss. Das ist das Einzige, was vor Ort zählt.“ – Was krass klingt, bringt Fethullah Sevinc auf eine ganz nüchterne Ebene.

Der 21-Jährige aus Ickern, der in Heidelberg Politik und Islamwissenschaften studiert, ist seit ein paar Tagen zurück aus Idomeni, jenem Lager an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien, in dem nach wie vor Tausende Flüchtlinge ausharren, weil sie noch immer hoffen, dass die Mazedonier die Grenze wieder öffnen und sie, die Flüchtlinge, weiterziehen können Richtung Deutschland.
Dreieinhalb Wochen war Fethulla Sevinc mit seinem Studienkollegen Jannis Rußkamp (20) und Sina Käding (22) aus Köln in ihren Semesterferien auf der Balkanroute unterwegs – von Deutschland über Österreich und Slowenien bis nach Athen und zurück. „Wir wollten uns ein eigenes Bild davon machen, ob die Berichterstattung so stimmt.“

Im Rahmen eines Projektes der Auslandsgesellschaft Deutschland, die ihren Sitz in Dortmund hat und deren Präsident der Ickerner Marc Frese ist, ging es am 22. Februar los. „Ein Dortmunder Autohaus hat einen Kombi zur Verfügung gestellt. 3.000 Euro aus privaten und Firmenspenden sowie aus dem Topf der Auslandsgesellschaft standen den drei Studenten für ihren freiwilligen Einsatz zur Verfügung. Fethullah Sevinc: „Davon haben wir unter anderem Stifte und Hefte in Idomeni kaufen können. Im dortigen Lager spielten die Kinder im Schlamm.“ Lang anhaltende, heftige Regenfälle hatten das Flüchtlingslager zum Teil überschwemmt und unbewohnbar gemacht.

„In Idomeni waren wir rund fünf Tage. Wir haben geholfen, das Camp aufzuräumen. Hygienestandards gab es da nicht. Und wir haben bei der Essenausgabe geholfen. Insgesamt waren wir etwa 60 Freiwillige, zum Beispiel aus England, viele aus Deutschland. Alles junge Leute. Keiner älter als 26, 27 Jahre.“ Im Lager wurde bis etwa 15 Uhr Essen gekocht. Dann wurden rund 8.000 Portionen Suppe ausgeteilt.
„Ich befürchte, dass das Lager Idomeni komplett abgeräumt wird. Die Menschen werden umquartiert in Militär-Camps, weil es dort angeblich besser ist. Zuletzt waren noch zwischen 11.000 und 14.000 Flüchtlinge im Lager“, berichtet der Student aus Ickern von der Situation bei seiner Abreise.

„Die erste Erkenntnis, die man im Lager gewinnt, ist: Du kannst nicht allen helfen. Aber gemeinsam haben wir einiges bewegt.“ Bedrückend empfand Fethullah Sevinc die Situation in einem anderen Lager, auch angesichts herrschender Kommunikationsprobleme zwischen Flüchtlingen und Helfern: „Es ist ganz schwierig, bei der Kleiderausgabe jemandem klar zu machen, dass er dieses oder jenes Teil nicht bekommt, weil andere bedürftiger sind.“

„Es geht immer um das Menschliche“, beschreibt Marc Frese den Beweggrund für die Auslandsgesellschaft, mit Projekten auch unmittelbar tätig zu werden. Da habe die Auslandsgesellschaft als Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) durchaus auch Vorteile. Ebenso wie Frese lobte auch Bürgermeister Rajko Kravanja das Engagement der drei Studenten für die Flüchtlinge: „Da kann man nur Danke sagen.“ Kravanja, Frese und Fethullah Sevinc kennen sich von den Aktivitäten des Vereins „Mein Ickern“ her.

Für den Ickerner Studenten Fethullah Sevinc gilt es jetzt, „erst einmal die auf der Balkanroute gesammelten Eindrücke zu verarbeiten.“ Jetzt widmet er sich wieder seinem Studium. Aber er hat schon neue Pläne: „Vielleicht geht es Ende des Jahres in die Türkei.“

Tagelanger Regen hatte das Flüchtlingslager Idomeni an der Grenze zu Mazedonien nahezu unbewohnbar gemacht. | Foto: Fethullah Sevinc
Dankten Fethullah Sevinc (M.) für seinen Einsatz auf der Balkanroute: Bürgermeister Rajko Kravanja (l.) und Marc Frese, Präsident der Auslandsgesellschaft. | Foto: Peter Mering
Autor:

Peter Mering aus Castrop-Rauxel

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