Kolumne: Meine Kurbel.

Foto: Stadtmagazin Castrop
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Kleines Kino, große Liebe...aber eine mit charmanten Nebenwirkungen.

Ich kenne die Kurbel genauso lang wie meinen Mann! Und bei beiden war es ‚Liebe auf den ersten Blick‘. Eigentlich wollte ich seinerzeit -1977- mal gerade ein paar Tanzschritte fürs weitere gesellschaftliche Leben bei Schmidt-Hutten erlernen... Einen Moment nicht aufgepasst: Zack, schon hat man den Mann fürs Leben und ein Tanz-Hobby an der Backe! Das ist lange her, aber noch heute ist die ‚Obere Münsterstraße‘ etwas Besonderes für mich. Sicherlich habe ich inzwischen mehr Zeit auf etwaigen Parkettböden als in Kinosesseln verbracht; aber wenn ich je gerne ins Kino ging, dann bevorzugt in Castrop. Die Kurbel war sogar erst bei mir allein, später bei uns als telefonischer Kontakt abgespeichert. Auch wenn es in den letzten Jahren eine Homepage mit dem Kinoprogramm gab, bin ich weiterhin lieber auf Nr. Sicher gegangen und habe nachgefragt, in welchem Saal mein Film denn nun laufen würde. Denn, manchmal wurden die Filmrollen mal kurz ausgetauscht, falls anzunehmen war, dass ein Film zum Kinohit taugte und der große Saal angemessener sei. Dann saß ich leider alternativ auch schon mal als Kurbel-VIP alleine im kleinen Kinosaal. Unter uns gesprochen: Ich bin dann im kleinen Kino von Sitz zu Sitz geschlichen, denn nicht alle konnten mir und meinem Gewicht so standhalten.

Sie merken schon, ich habe das alles geliebt und vermisse ‚meine‘ Kurbel auch dementsprechend. In einer Zeit der Megasuperlative, in der Kinos nicht nur Planet oder Star im Namensfortsatz heißen, sondern auch so groß sind wie selbige, hat mir mein Retro-Kino einfach immer mehr Freude bereitet. Da bin ich dann meinem Naturell folgend doch eher für klein und überschaubar. Wenn es um die Kurbel geht, sehe ich alles noch genau vor meinem inneren Auge: Die Passage mit den alten Schaukästen, den Nierentisch mit Prospekten im Foyer. Meist hing ein Zettel am Kassenbereich, dass die Eintrittskarten im Verkaufsbereich zu bekommen sind. Dieser wiederum war insgesamt so groß wie ein Kühlschrank in einem Multiplex-Kino. Aber hat etwas gefehlt? Nein. Und wer hat schon ein Klo erlebt, das nur mit Teelichtern beleuchtet wird? Na eben.

Jetzt denken Sie doch sicherlich schon, ich lobhudele hier herum. Das stimmt, aber nur begrenzt. Ein Mal habe ich in drei Jahrzehnten auch gemeckert - naja, eher gejammert. Denn ein Mal ist die Heizung im großen Saal komplett ausgefallen. Und keiner hat’s gemerkt – bis auf uns, die wir drin saßen. Aber niemand von uns zehn Besuchern ist trotzalledem gegangen. Sie machen sich kein Bild, wie man einen Langschal um den Körper drapieren kann! Beim Hinausgehen haben wir hartgesottenen Kinoliebhaber dann aber doch eine Wiedergutmachungs-Freikarte bekommen, als kleines Dankeschön. Im Anschluss an dieses Erlebnis hatte ich fortan allerdings immer eine besondere Kino-Kluft, wenn ich zur Kurbel fuhr: Zwiebellook. Am besten den langen Mantel, falls es hart auf hart kommt. So bin ich bzw. sind wir – Familie und rekrutierte Freunde- bis zum Schluss kurbelliebend am Ball geblieben.
Ich habe gerade meine Töchter mal im Vorbeigehen gefragt, ob sie Erinnerung an die Kurbel haben. Sie sind ja, wie alle ihrer Generation, Kinder einer multimedialen Zeit. Und dennoch haben sie nur gute Erinnerungen an das kleine Provinzkino. „Echt cool“ sei es immer gewesen, besonders in der Vorweihnachtszeit. Alle Harry Potter Filme wurden dort angeschaut - und dann die Freikarte vom Bürgermeister zum 18. Geburtstag! Alles "voll gut". Und nebenbei: zu diesen Gelegenheiten war die Kurbel dann ja auch mal rappelvoll!!

Und nun? Was machen wir jetzt mit ‚unserer‘ Kurbel, falls sie doch wieder auf die Beine kommt? Ich denke, ein gutes Beispiel findet sich doch gleich um die Ecke in Datteln, wo das ehemalige kleine Kino inzwischen ein florierendes kleines Theater namens ‚Katielli‘ geworden ist. Dort kann man sich über ein zu wenig an Zuschauern nicht mehr beklagen. Und Inspirationen in Sachen Gestaltung finden sich doch überall. Das Spiegelzelt von Bubi Leutholt zum Beispiel, so könnte ich mir ,kleiner zwar, auch die Kurbel sehr gut vorstellen.

Aber haben Nischen im kulturellen Geschehen denn überhaupt noch einen Platz? Beim Blick ins Internet ist jedenfalls nur Gutes zu lesen, wenn man sich zum Thema mal umschaut: „Mit Programmen abseits des Mainstreams, Veranstaltungen und teils dank großer Entfernung zum nächsten Multiplex bleiben die kleinen Kinos weiter im Geschäft. Die privat geführten und kommunalen Kinos haben oftmals ihre Nischen gefunden“, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Voraussetzung ist natürlich immer der Sprung in die digitale Kino-Welt.
„Eine neue Sorte Kinos entsteht gerade in Deutschland. Sie wollen den Kinoabend auf einen anderen Standard heben: Bar, Garderobe und Küche, chillige Musik, Ledersitze mit Abstand und Bedienung am Platz, bis der Film beginnt. Abgesehen von Technik und neuen Inhalten wie Opern-Übertragungen, ist das die erste Innovation im Kino, seit vor 25 Jahren die Multiplexe aufkamen. Die Antwort lautet: Kino ohne Hektik, Gedrängel und Getöse im Foyer, Kino auf dem Niveau eines Theaterbesuches.“

Egal wie – wir sind doch dabei, oder?! Nun ja. Ich auf jeden Fall.

Autor:

Vera Auffenberg aus Castrop-Rauxel

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