Landestheater Kreis Wesel / Burghofbühne Dinslaken: Killt Jamaika das Erbe der „roten Kathrin“ ?

Kathrin Türks (2. v. r.) in einer Paraderolle als Kantinen-Besitzerin Leokadja Begbick in Berthold Brechts „Mann ist Mann“. Foto: Stadtarchiv Dinslaken
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  • Kathrin Türks (2. v. r.) in einer Paraderolle als Kantinen-Besitzerin Leokadja Begbick in Berthold Brechts „Mann ist Mann“. Foto: Stadtarchiv Dinslaken
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Meint die Schwarz-Grün-Gelbe Kreistags-Mehrheit den Theater-Tod auf Raten ernst?

Ist der Fortbestand der so unklar benannten „Landesbühne des Kreises Wesel“, traditionell auch als „Burghofbühne Dinslaken“ firmierend, gefährdet?

Kreis Wesel. Über ein Jahr nach Wahl eines Kindertheaterleiters zum Intendanten will die Mehrheit im Kreistag angeblich ihre nicht einmal 400.000 Euro pro Jahr in fünf Jahren auf Null fahren, Jahr um Jahr um 20 % weniger !.

Wie ernst ist es der sog. „Jamaika“-Mehrheit im Kreistag Wesel mit der vorgeschrie­benen Haushalts-Konsolidierung (zu Deutsch; Mittelkürzung)?

„Eine Kündigung des Vertrages“ zwischen Kreis Wesel und „seiner“ Bühne (resp. den anderen Träger-Vertragspartnern, darunter wichtiger Mit-Namensgeber die Stadt Dinslaken), so die Verwaltungsvor­lage der vom SPD-Landrat Müller geführten Kreisverwaltung: „Eine Kündigung stellt die Fortführung des Landestheaters in Frage.“ Höflich gesagt.

Ein Brief der kleinen „Linken“-Fraktion im Kreistag an den Zeitvertrag-Inhaber des Landesbühnen-Intendanten-Jobs Mirko Schombert vom letzten Freitag brachte es an den Tag im Dinslakener Tenderhof, Sitz der Bühne: Heute vor einer Woche, zu Hoppeditz-Erwachen am Mittwoch, dem 11. November hatte der Schul- und Kultur­ausschuss des Kreises die Kürzungsmöglichkeiten im Kulturbereich des Kreis­haushaltes beraten.

Linken-Fraktionschef Wagner wörtlich an Schombert: „Dabei hat sich das (im Kreistag) mehrheitsbildende „Jamaika“-Bündnis von CDU, Grünen und FDP / VWG (im Ausschuss) für die Beendigung der Mitgliedschaft des Kreises bei der Burghofbühne ausgesprochen. Dazu soll der Mitgliedsbeitrag (praktisch: die Fördermittel) in den kommenden 5 Jahren um jeweils 20 % (gemeint: auf dann Null) verringert werden.“

Die eine Mehrheit (bei Mandat-Gleichheit von CDU und SPD) bildenden Fraktionen werden kurz scherzhaft „Jamaika“, nach den Flaggenfarben Schwarz-Grün-Gelb dieses Karibik-Staates benannt.

Den Theaterleuten ist aber gar nicht nach Scherzen zumute: Theoretisch ist eine Kündigung des Burghofbühnen-Vertrages unpassenderweise innerhalb und zum Ablauf eines vollen Kalenderjahres möglich: Eine Kündigung mit Kreistagsmehrheit vor diesem Jahresende würde bereits zum 1. Januar 2017 das Ende der Mitgliedschaft des Kreises Wesel bedeuten.

Die Frage nach dem Ernst der Jamaika-Meinungsbildung hat folgenden Hintergrund:

Vor allem der Posten der NRW-Landesmittel (die Burghofbühne ist die kleinste „NRW-Landesbühne“) trägt entscheidend zur insgesamt ohnehin schwachen Finanzierung des kräftig mit Kinder- und Erwachsenen-Stücken gastierenden Theaterchens bei. Insgesamt sind Kreise und Kommunen seit langem der Ansicht, dass die Städte, Gemeinden und Landkreise von den Bundesländern und dem Bund in finanzielle Not gedrängt wurden und werden. Dramatische Ankündigungen sind daher oft aufmerksamkeits-schaffendes Druckmittel, um neue Verhandlungen zu flankieren.
Andererseits gibt es auch die Position, dass unterhalb einer gewissen finanziellen Ausstattung eines ja immer auf öffentliche Subventionierung angelegten Nicht-Boulevard-, nicht kommerziellen Theaters lediglich Selbstausbeutung der meisten Theaterleute ohne rechte kulturelle Erfolgsmöglichkeit bedeutet.

Die angedachte stufenweise Zuschuss-Reduktion würde in der Auswirkung statt eines sofortigen Todesstoßes eine Art „Änderungs-Kündigung“ bedeuten, Ausstieg auf Raten, der einem Dahinsiechen mit Tod spätestens in fünf Jahren gleichkäme.
„Unpassend“ ist der im Kulturausschuss diskutierte Vertrag mit seiner Kündigungs­frist deshalb, weil das über Land ziehende Gastspieltheater (über eine Düsseldorfer Vermarktungsstelle aller Landesbühnen von Neuss über Castrop bis Detmold) die bereits Jahre zuvor per Spielplan angekündigten Stücke jahresübergreifend an Spielorte der Zukunft verkauft.

Selbst bei einem Wechsel des künstlerischen Leiters „Intendant“ muss der neue Chef z.B. den - längst vom Vorgänger angekündigten - bereits im Verkauf befindlichen Spielplan übernehmen und die Realisation unabhängig von seinen eigenen kulturellen Vorstellungen der Auswahl übernehmen.

Schomberts Vorgänger versucht sich nun am Landestheater LTT der Universitätsstadt Tübingen.

Die eigene Spielzeit der Landesbühne, das Arbeitsjahr aller - ohnehin nur per Zeitvertrag verpflichteten - Künstler wiederum ist keineswegs mit dem Kalenderjahr übereinstimmend. Dem Theater ginge also bei einer Sofort-Gesamtkündigung des Kreiszuschusses bei laufenden Arbeitsverträgen das Geld für die Gagenzahlung mittendrin aus.

Meistens nur der Intendanten-Vertrag umfasst zudem mehrere, meist die genannten fünf Jahre, in Wahrheit also 5 Spielzeiten von Herbst zu Herbst als Laufzeit.
Theoretisch bietet also der im Schulausschuss diskutierte Weg auch die Möglichkeit der neuen Mehrheit, eine von der Intendanten-Findungs­kommission mit anderer Mehrheit für die Jahre ihrer Ära bestallte Theaterführung per Geldhahn abzulösen. Praktisch aber würde der genannte stufenweise Abbau der ohnehin schon längst „eingefrorenen“ Kreis-Zuschüsse für die Theaterfinanzierung schneller als 2020/21 das Aus für die Bühne bedeuten, wenn nicht die anderen oder neue Träger einspringen.

Einer der Intendanten-Bewerber hatte nach der Kür freimütig berichtet, Landrat Müller (SPD) als Chef der Kreisverwaltung und Mitglied des Theatergremiums habe die Bewerber mit der Frage in die Bredoullie gebracht: “Was machen Sie, wenn ich Ihnen die Mittel drastisch kürzen würde?“.

Diesmal käme dieses von Müller wohl nur genüßlich und nicht ernst gemeint kolportierte Macht-Ausspielen unerwartet nun von anderer Seite. Übrigens, wen überrascht es: Die Linken würden diese Kürzungs-Bemühung nicht unterstützen, hielten sie für falsch und stünden den Theaterleuten zur Beratung zur Verfügung, schrieben sie ihnen am Freitag.

Die zu Lebzeiten international als Kindertheater-Förderin berühmte Burghofbühnen-Gründerin Kathrin Türks, so einer der Theaterleute jetzt, nach der die Dinslakener Stadthalle und ein Theaterpreis benannt sind, „würde sich im Grabe umdrehen“, wenn ihr einstiges und längst gewandeltes Theater „endgültig in der Versenkung verschwinden sollte.“

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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