Literatur-Hotel Preis 2012: Ramona Breder "Das Hochhaus"

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Ich habe eine gute Freundin, Tanja. Sie wohnt in einem Hochhaus mit 10 Stockwerken.
Jedes Mal wenn ich sie mal besuche, studiere ich zuerst die Masse an Namenschildern die zum Schellen einladen.
Anfangs musste ich Tanjas Klingel suchen bevor ich ihren Namen in dem Wirrwarr entdeckte.
Seit einiger Zeit habe ich mir aber gemerkt dass ihre Klingel oben rechts ist.
Dann erst drücke ich auf Tanjas Klingel und warte bis sie mit ihrer quieckigen Stimme fragt wer denn an der Türe sei. Ich lache und sage wie immer: „Ich, wer sonst!“

Es ist schon ein bisschen gruselig wenn man sich die vielen Fenster an der steil hochlaufenden Wand anschaut. Nicht alle sind beleuchtet und man weiß nicht ob man beobachtet wird oder etwas Schlimmes hinter irgendeinem Fenster passiert.
Alles Drumherum ist ruhig und die Fensterfront macht einem Angst.
Plötzlich schrillt die Türöffnung und ich zucke zusammen.
Schnell öffne ich die Glastür und husche in den Hausflur.

Irgendwie habe ich es mir angewöhnt hinter mir die Tür selbst zu schließen um alles hinter mir im Auge zu haben. Und da hier in Dinslaken so viele schräge Typen rumlaufen, gehe ich auf Nummer sicher.

Ich stehe also in dem Hausflur dieses Riesen Gebäudes und mein Blick wandert natürlich auf die Wand voller Briefkästen, der Bewohner, die alle hier Tür an Tür wohnen und sich trotzdem nicht kennen oder noch nie begegnet sind. Sieht auch irgendwie lustig aus wenn die weiße Wand nur durch die Reklame die in jedem Schlitz steckt bemerkbar gemacht wird. Wie viele Prospekte davon wohl direkt in den Müll wandern? Rein theoretisch würde ja auch EIN Prospekt für alle reichen wenn es jeder nach dem Lesen in den Nachbar Briefkasten stecken würde. Wenn man es nicht lesen mag kann man es direkt weitergeben. Und der letzte entsorgt es dann. Aber die Menschheit ist einfach zu gemütlich und verschwenderisch geworden. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Ich stehe in dem Hausflur und gehe zu dem Fahrstuhl der mich in die 7. Etage bringen soll.
Sport ist ja gesund aber bis ins 7. Zu laufen nach einem anstrengenden Tag? Nein danke.
Der uralte vergilbte Knopf lädt ein zur Bakterienaufnahme, aber was bleibt mir anderes übrig.
Wie alt das Hochhaus, inklusive Aufzug ist, weiß ich nicht genau.
Aber nach der Optik zu urteilen bestimmt schon sehr alt. Die Stahltür ist verbeult und der Knopf abgegriffen.
Man hört die Seile knarren wenn der Fahrstuhl sich in Bewegung setzt.
Was er jetzt auch langsam tut nachdem der abgegriffene Knopf gelb leuchtet.
Ein gutes Zeichen dafür dass man nicht die Treppen nehmen muss. Es ist ganz ruhig im Hausflur bis auf das Knarren der Fahrstuhlseile.
Auch sehr gruselig muss man zugeben.

PING!

Die Tür des Fahrstuhls öffnet sich und ich steige ein. Von Innen kann man sehen dass der Fahrstuhl einige Jugendsünden ertragen musste. Kritzeleien mit typischen Sprüchen über doofe Nachbarn und liebende Teenies verzieren die sonst kahlen Stahlwände.
Die Oberfläche dieser Wände erinnert mich an ein Riffelblech durch die die Kritzeleien verschwommen wirken. Außerdem waren die Vandalen fleißig mit ihren Taschenmessern gewesen und haben auch damit den kahlen Fahrstuhl „verschönert“.
An der Rückwand des Fahrstuhls ist außerdem ein Spiegel angebracht der zu meiner Verwunderung nicht bekritzelt und auch nicht verkratzt ist. Mmh, warum wohl?
Ein kleines Schloss in der Ecke der Rückwand lässt eine Tür vermuten.
Wie immer prüfe ich ob diese verschlossen ist. ..... Und das ist sie auch!

Der Fahrstuhl hat über der Tür diese bekannte Zahlenleiste, die die einzelnen Etagen nach und nach durch ein Aufleuchten anzeigt. In diesem Fall ging diese bis zur 10 und zeigt die 5 an als ich plötzlich ein komisches Gefühl im Rücken habe und mich erschrocken zum Spiegel umdrehe.
Aber dort blicke ich nur in mein eigenes ängstliches Spiegelbild.
Der Fahrstuhl hält nun stockend in der 7. Etage an und ich erschrecke erneut.
Die Tür des Fahrstuhls geht langsam knirschend auf.
Ich drehe mich vom Spiegel weg zur Fahrstuhlstuhltür.
Der Hausflur ist nicht beleuchtet sodass ein kegelförmiger Lichtstrahl sich schleichend durch die Öffnung des Fahrstuhls windet.
Der dunkle Hausflur wirkt wie ein durch Mondschein beleuchteter Friedhof. Es fehlt nur noch der tiefe schwebende Nebel. Dieser Anblick lässt mich kurz stocken.

Dann aber…

Ein Griff nach links an die Wand und der Kegel verwandelt sich in einen ganz normal beleuchteten Hausflur.
Der Aufzug schließt sich und ich höre ein leises Gelächter...

Meine Gesichtsfarbe ähnelt nun einem weißen Bettlaken. Ohne Nachzudenken renne ich um die Ecke und bin froh Tanja in ihrer Haustür stehen zu sehen. Das Gruseln ist vorbei als sie mich herzlich begrüßt und wir in die vertraute warme und helle Wohnung gehen. Sie fragt warum ich so erschrocken aussehe.

Ich lächle nur und antworte: " Wir nehmen gleich die Treppe!"

Autor:

Ramona Breder aus Dinslaken

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