Ist der wenigstens reich

Manchmal kann man einfach nichts dafür und wird, wie die Kollegin in der letzten Woche, zum akustischen Voyeur des ganz privaten Alltags von fremden Menschen. So auch ich, als ich alleine in der Bäckerei in der Nähe einen Kaffee trank. Das Dreigestirn von Anfang-Zwanzigjährigen tauschte sich über das Liebesaus der Freundin aus, die dem geselligen Zusammentreffen der drei ferngeblieben war. "Was? Die hat sich von Markus getrennt?" kreischte die eine, worauf hin die nächste sofort fragte "Hat die einen Neunen?" "Und ob", sagte die dritte mit dem verschlagenen Charme einer Whistleblowerin. "Und wie sieht der aus?" ging es weiter, "Total hässlich", "Oh mein Gott, ist die bescheuert". Fast war ich geneigt, zu fragen, ob sie bescheuert sei, doch mein Entsetzen über diese Unterhaltung, die ich Ihnen, liebe Leser, nicht weiter zumuten kann, war zu groß. "Als ich aber dann die Frage vernahm "Ist der wenigstens reich?" wandelte sich dieses Gefühl in Betroffenheit. Ist es wirklich soweit gekommen, dass man schon mit Anfang 20 so abgebrüht ist und jeden Glauben an die Liebe verloren hat? Das jene hohle Oberflächlichkeit das Denken beherrscht? Christian Morgenstern schrieb einmal "Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet", aber das Niveau dieser Unterhaltung lässt vermuten, dass sie von diesem Herrn wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben.

Autor:

Regina Katharina Schmitz aus Dinslaken

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