Proklamation der Lippe als Flusslandschaft des Jahres 2018/19 – Bundesweiter Umweltpreis

Foto: Bludau
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Am Samstag wurde in Dorsten die Lippe zur Flusslandschaft des Jahres 2018/19 ernannt. Die Proklamation wurde gleich an zwei Orten groß gefeiert. Zunächst gab es einen Empfang in der Traumfänger Galerie der ehemaligen Zeche Fürst Leopold mit verschiedenen Grußworten und Vorträgen. Zur feierlichen Wasserübergabe ging es anschließend nach draußen an die Lippe.

Die meisten Gäste nutzen dafür einen gemeinsamen Fußmarsch vom Zechengelände bis zu den Lippe-Wiesen an der Wasserstraße. Zusätzlich wurde auch ein Shuttleservice eingesetzt. Am Lippeufer wurde dann Wasser aus der Trave, die davor Flusslandschaft des Jahres war, in die Lippe gekippt.

Die NaturFreunde Deutschlands und der Deutsche Angelfischerverband rufen alle zwei Jahre eine neue Flusslandschaft aus, um die Bevölkerung für die ökologische, ökonomische und soziokulturelle Bedeutung der Flüsse zu sensibilisieren. Die Auswahl traf der gemeinsame Beirat für Gewässerökologie des Deutschen Angelfischerverbandes (DAFV) und der NaturFreunde Deutschlands (NFD) in enger Zusammenarbeit mit den Landesvorständen beider Verbände. Die Flusslandschaft des Jahres wird in die Liste „Natur des Jahres“ des Bundesumweltministeriums aufgenommen.

Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands, wies auf die Bedeutung der Proklamation hin: „Die Flusslandschaft des Jahres versucht drei zentrale ökologische Dimensionen miteinander zu verbinden: Wasser, Boden und Biodiversität. Sie bewertet Öko-Systeme, die von zentraler Bedeutung für das Leben sind.“ Die Lippe ist ein 220 km langer rechter Nebenfluss des Rheins in Nordrhein-Westfalen mit einem Einzugsgebiet von 4.890 Quadratkilometern. Schon die Römer nutzten die Lippe als wichtigen Transportweg.

Joachim Nibbe, Bundesfachbereichsleiter Naturschutz, Umwelt und Sanfter Tourismus der NaturFreunde Deutschlands, erklärte dazu: „Nach der Emscher wird mit der Lippe ein zweiter Fluss aus der früheren industriellen Herzkammer unseres Landes herausgehoben. Das geschieht zu Recht, denn die Lippe wurde sehr frühzeitig kanalisiert, die Wasserqualität war auf ein historisches Tief gesunken.“ Natürlich ist noch viel zu tun, aber es gibt bereits deutliche Zeichen der Verbesserung. Durch Renaturierungsmaßnahmen der Lippe wurde der Hochwasserschutz deutlich verbessert. Die Vielfalt von Pflanzen und Tieren hat wieder zugenommen, das Wasser ist sauberer geworden. In den Feuchtwiesen entlang der Auen, die noch relativ naturnah sind und zum Teil unter Naturschutz stehen, kommen Otter, Wachtelkönig, Laubfrosch und Lauch-Gamander (wieder) vor.
„Mit der Ausweisung der Flusslandschaft des Jahres leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Ökosysteme. In unserer neuen geologischen Erdepoche des Anthropozäns ist die Verantwortung des Menschen für den Schutz der Natur noch größer geworden. Dieser Verantwortung müssen wir auch im Alltag gerecht werden“, so Joachim Nibbe.

Nicht nur in Nordrhein-Westfalen ist noch viel zu tun, sondern bundesweit. Das zeigt die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Danach verfehlen 93 Prozent der Fließgewässer in Deutschland den darin geforderten „guten ökologischen Zustand“. Bei den notwendigen Anstrengungen geht es aber nicht nur um unser Land. Die Anstrengungen zum Schutz der Gewässer müssen weltweit verstärkt werden. Die Fakten sind bekannt: Durch die maßlosen Eingriffe des Menschen sind Boden, Wasser und Artenvielfalt zu Engpässen unseres Lebens geworden. Nach dem aktuellen Weltwasserbericht der Vereinten Nationen leben 3,6 Milliarden Menschen in Gebieten, die mindestens einen Monat pro Jahr von Wassermangel bedroht sind. 2050 werden es Prognosen zufolge bis zu 5,7 Milliarden sein. Weltweit gibt es viele abschreckende Beispiele, lebensbedrohend und naturzerstörend. Flüsse werden zu Kloaken, ihnen wird der Raum genommen, Wasser wird vergeudet. Vor allem die industrialisierten Monokulturen der Landwirtschaft verschwenden Wasser, zerstören Böden und vernichten Arten. Die Erderwärmung wird den Wasserkreislauf weiter verändern, vor allem in den warmen Regionen wird Wasser knapp mit weitreichenden Folgen für die Ernährung. Ökologische Grenzen werden sichtbar.

Papst Franziskus schreibt in seiner Öko-Enzyklika „Laudato Si’“: „Sauberes Wasser ist eine Frage von vorrangiger Bedeutung, denn es ist unentbehrlich für das menschliche Leben und zur Erhaltung der Ökosysteme der Erde ... mit schweren kurz- und langfristigen Folgen.“ Sauberes Wasser ist „ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlaggebend ist und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist.“ Wasser darf keine Ware sein.
Michael Müller betonte: „Wasser muss öffentlich bleiben. Der einseitige Kommerzialisierungs- und Privatisierungskurs muss gestoppt werden. Ziel einer verantwortungsvollen internationalen Handels- und Entwicklungszusammenarbeit muss der Schutz von Menschen, Umwelt sowie lokaler und regionaler Entwicklung sein.“

10 Zahlen, Daten und Fakten zur Lippe

Hätten Sie gewusst, dass...

  • die Lippe auf dem Weg von der Quelle in Bad Lippspringe bis zur Mündung in den Rhein bei Wesel nur 114 Meter an Höhe verliert? 
  • die Lippe in der Zeit von 1890 bis 1990 durch den Ausbau 15 bis 20 Prozent kürzer und im Durchschnitt 3 Meter tiefer wurde? 
  • die Lippe mit 220 km heute trotzdem noch NRWs längster Fluss ist? 
  • in der Lippemündung beim ‚GEO-Tag der Artenvielfalt‘ im Jahr 2016 genau 926 verschiedene Tier- und Pflanzenarten vom Schleimpilz bis zum Säugetier bestimmt werden konnten? (Spitzenreiter:229 Farn- und Blütenpflanzen und 186 verschiedene Käferarten) 
  • 69 der hier gefundenen Arten auf der Roten Liste stehen, also vom Aussterben bedroht sind? 
  • der Sage nach der nordische Gott Odin ein Auge geopfert haben soll, um dem trockenen Gebiet am Fuße des Teutoburger Waldes Leben zu schenken? „Odins Auge“ - so wird die Quelle der Lippe deshalb auch genannt. 
  • der in Hamm-Herringen errichtete Lippedeich mit 17 Metern Höhe der höchste Flussdeich Deutschlands ist? 
  • es sich bei „Baldur“, „Lupia“, „Maifisch“ und „Quertreiber“ um die Namen von vier Lippe-Fähren handelt, auf denen sich die Nutzer mittels Handkurbel an einem Drahtseil über den Fluss ziehen können? 
  • das Wort Mäander von Μαίανδρος (Maiandros) abstammt, dem griechischen Namen für die heute „Menderes“ genannten Flüsse in der Westtürkei? Schon in der Antike waren sie für ihre engen Flussschlingen bekannt. 
  • die Lippe im Mittelalter die politisch wichtige Grenze zwischen dem Erzbistum Köln und dem Fürstbistum Münster markierte? Noch heute verläuft entlang der Lippe auch eine Dialektgrenze, die im Bewusstsein vieler Menschen in der Region verankert ist: Sie trennt münsterländisches und südwestfälisches Plattdeutsch
Autor:

Olaf Hellenkamp aus Dorsten

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