Jürgen Trittin: "Die Menschen müssen vom Wandel etwas haben"

"Und täglich grüßt die Currywurst", scherzte Trittin über den westlichen Fleischkonsum. Dessen Auswirkungen auf die Umwelt sah er aber sehr kritisch. Fotos: Borgwardt
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Atomausstieg, Ökosteuer, Dosenpfand: Jürgen Trittin war in seiner aktiven Zeit als Bundesumweltminister nicht gerade als konfliktscheu bekannt. In der VHS Dorsten stellte der Grüne sein neues Buch vor und ging auch mit seinen Parteigenossen hart ins Gericht.

Jürgen Trittin war gar nicht so leicht zu finden an diesem Abend: Wer den Menschenmassen durch die Gänge der VHS folgte, um zielsicher auf die Aula zuzusteuern, wurde am Eingang überrascht: Statt des Bundesministers a.D. wartete hier ein Reisevortrag auf die Besucher. Jürgen Trittin hingegen fand sich mit knapp zwanzig Zuhörern in einem eher kargen Klassenzimmer wieder.

Falls ihn dieser bescheidene Rahmen verwundert haben sollte, ließ es sich der Politik-Vollprofi jedenfalls nicht anmerken. Souverän und in einer Mischung aus Lehrer und Entertainer referierte Jürgen Trittin über vergangene und aktuelle Politik. Kernthemen für den Grünen-Politiker waren dabei die Bundes- und Umweltpolitik. In diesen Feldern bescheinigt er Deutschland einen Stillstand.
„Der Begriff Reform war zu meiner Zeit noch positiv besetzt“, so Trittin. „Jetzt ist es gerade für wirtschaftlich Schwächere ein negatives Wort geworden“.

In der gewohnt ausgefeilten Rhetorik eines ehemaligen Spitzenpolitikers wanderte Trittin durch verschiedene Themenfelder. Im Schwerpunkt Energiepolitik lobte er die Chancen, die etwa der Windenergiesektor für strukturschwache Regionen in Norddeutschland geschaffen habe. Deutschland sei aber in Gefahr, diesen Bonus wieder leichtfertig zu verspielen, so Trittin. „China hat uns im Bereich der Windenergie als Weltmarktführer bereits abgelöst“, stellte er fest. Auch bei der Solarenergie hätten politische Entscheidungen dazu geführt, dass sich deutsche Technik nun vor allem im Ausland von dortigen Firmen zu Profit machen lasse.

Kein erhobener Zeigefinger

Ein weiteres Lieblingsthema des Grünen war der Fleischkonsum der Deutschen, den er aber nicht mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger und per verordnetem „Veggie-Day“ ändern möchte. Statt dessen gab Trittin zu bedenken, dass die Produktion von günstigen Futtermitteln im Ausland dortige Agrarflächen veröde, den Regenwald gefährde und den Produktionsländern kostbares Wasser entzöge. „Und täglich grüßt die Currywurst“, beschrieb er den westlichen Lebensstil, bei dem Fleisch vom kostbaren Lebensmittel zur täglichen Konsumware geworden sei. „Dennoch kann man die Menschen nicht nur mit moralischen Argumenten und dem schlechten Gewissen packen“, kritisierte er auch seine Parteigenossen, „die Menschen müssen von jedem Wandel auch persönlich etwas haben.“

Wie sehr Politik von Lobbyismus beinflusst wird, und welche Risiken TTIP birgt, waren weitere Themen des Abends. Trittin äußerte seine Sorgen über mächtige Schiedsgerichte, die über den internationalen Handel bestimmen könnten, und beschrieb, wie Firmen und Verbände Einfluss auf die Politik nehmen können. Der Eindruck, nur sein Buch zu verkaufen, ging schnell verloren, und es blieb ein stellenweise etwas langatmiger, aber rundum interessanter Vortragsabend mit Jürgen Trittin.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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