Entführungsopfer erzäht: „Als hätte mich eine große Hand gegriffen“

Ex-Manager Richard Oetker (M.) hielt einen sehr bewegenden Vortrag über seine Entführung und die Folgen und Veränderungen, die Opfer solcher Taten zu bewältigen haben. Ihn begrüßte Joachim Punge (r.), Vorsitzender des Westfälischen Industrieklubs und Vorstandsmitglied Franz Hirthammer (l.). | Foto: Jan Heinze
  • Ex-Manager Richard Oetker (M.) hielt einen sehr bewegenden Vortrag über seine Entführung und die Folgen und Veränderungen, die Opfer solcher Taten zu bewältigen haben. Ihn begrüßte Joachim Punge (r.), Vorsitzender des Westfälischen Industrieklubs und Vorstandsmitglied Franz Hirthammer (l.).
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 „Für mich war das, als hätte mich eine große Hand genommen - heraus aus dem einen Leben und hinein in ein ganz anderes.“ In eines, in dem sich die Menschen ihm gegenüber komplett verändert hätten. „Denn wir haben es nicht gelernt, mit Opfern umzugehen, wollen das nicht an uns heranlassen.“ Richard Oetker aus der Bielefelder Unternehmerfamilie weiß, wovon er spricht an diesem Vortragsabend im Westfälischen Industrieklub Dortmund. Ist er doch als junger Familienvater und Student am 14. Dezember 1976 Opfer einer der spektakulärsten Entführungsfälle der deutschen Kriminalgeschichte geworden: 21 Mio. Mark Lösegeld werden gezahlt, um ihn drei Tage später freizubekommen.

Schwer verletzt, denn der Erpresser hat sein junges Opfer, damals 1,94 Meter groß, nicht nur in eine 1,40 Meter kleine Kiste eingesperrt, sondern auch noch mit einem Stromschlag traktiert, durch den sich Oetker – in seiner Kiste gefesselt – mehrere Wirbel und beide Hüften brach.

Zuversicht, auch an Richard Oetkers schwersten Tagen

„Das tat höllisch weh und ich dachte, ich werde umgebracht“, berichtete Oetker und wurde damit das einzige Mal an diesem Abend dramatisch. Denn so rüde die Tat, so nüchtern und manchmal mit trockenem Humor gewürzt, seine Erzählung.
Als Optimist habe er sich gleich die Aufgabe gestellt, sich so viel zu merken wie möglich. Vieles davon hat er bis heute so präsent, dass die fast 200 Zuhörer wie gebannt an seinen Lippen hängen.

„Wir können mehr aushalten, als wir glauben."

Was vor allem daran liegen dürfte, dass sich Oetkers Zuversicht auch in seinen schwersten Tagen selbst heute noch so wirksam vermittelt. „Wir können mehr aushalten, als wir glauben.“ 
Umso nachdenklicher macht, wie Oetker von der großen Veränderung spricht, mit denen die Geschädigten zu tun haben. „Damit meine ich nicht nur Kriminalitätsopfer, sondern Opfer ganz generell.” Aber auch da ganz Optimist, gibt er Ratschläge, wie man als Freund oder Familienmitglied reagieren kann: „Sie müssen zuerst herausfinden, ob das Opfer reden möchte. Und ist das der Fall, dann müssen sie fragen.“

Opfer haben Veränderungen zu bewältigen

So könne man die Entfremdung verhindern, die er zum Teil heute noch bei manchen spüre. Oetker selbst gibt mehr als gute Ratschläge, er ist Vorstandsmitglied in der Opferhilfeorganisation Weißer Ring und wirbt auch an diesem Abend dafür. An seinem Täter, der nach Verbüßung einer Haftstrafe beim Reinwaschen seiner Beute ein zweites Mal gefasst wurde, hat er dagegen kein Interesse mehr. 

Autor:

Antje Geiß aus Dortmund-City

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