"Wir: Echt Nordstadt" - ein Buch über Dortmund

Dass die Nordstadt nicht nur aus Kriminellen, Drogenabhängigen und Prosituierten besteht, möchte die Imagekampagne anhand von Bildern, wie von den Kulturwerkstatt-Mitgliedern zeigen - vor allem den Bewohnern in anderen Stadtteilen. | Foto: Klaus Hartmann
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  • Dass die Nordstadt nicht nur aus Kriminellen, Drogenabhängigen und Prosituierten besteht, möchte die Imagekampagne anhand von Bildern, wie von den Kulturwerkstatt-Mitgliedern zeigen - vor allem den Bewohnern in anderen Stadtteilen.
  • Foto: Klaus Hartmann
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Über 100 Portraits von Gruppen, die in der Dortmunder Nordstadt arbeiten, leben oder sich gemeinschaftlich engagieren sind in einem neuen Fotobuch zu finden. Sie alle sind „echt Nordstadt“, wie der Buchtitel lautet, und sollen für ein strahlenderes Bild des kinderreichsten Stadtteils sorgen.

Von Steffen Korthals
Das Portrait einer Stadtviertels zu erstellen, das wurde schon oft versucht. Doch bei der Nordstadt handelt es sich nicht um einen der gefragten Orte für Globetrotter, noch nicht mal um eine einst glorreiche Metropole, sondern um einen deutschlandweit heiß diskutierten Stadtteil mit besonderen sozial-gesellschaftlichen Herausforderungen und Entwicklungen. „Wir: Echt Nordstadt“ möchte das sonst durchaus negative Bild um einen positiven Blickwinkel ergänzen und bringt die Bewohner der Nordstadt als Imagefaktor ins Spiel.

Band zeigt Dönerexperten und Kulturmalocher

Der Mitte Oktober erscheinende Bildband präsentiert Gruppen aus der Nordstadt in ihrem Umfeld: bei der Arbeit, beim Sport, im Ehrenamt, beim Hobby, im Club und an der Bar oder dem Verein als Refugium.
Die beiden Fotografen Klaus Hartmann und Dietmar Wäsche zeigen in Nordstadtwinkeln Kleingärtner, Theatermacher, Männerchöre, Brandschutzmeister, Kulturmalocher, Dönerexperten, die netten Nerds von nebenan, Alkoholiker, Naturfreunde, christliche und islamische Gläubige und viele weitere Gruppierungen der Nordstadt.

1000 Nordstädter strahlen

Dem Leser fällt sofort auf, und dass soll es auch, dass die meisten der über 1 000 Bewohner auf den 106 Gruppenportraits strahlen, sympathisch herüberkommen, liebenswert erscheinen. In der Nordstadt wird man nicht nur ausgeraubt oder muss sich das Elend von sozial Benachteiligten anschauen, nein, hier wird sogar gelacht. So könnte eine der simplen Messages des Buchs lauten. Warum so viele der Bewohner strahlen, dass beschreiben die Begleittexte von Irmine Skelnik, Claudia Behlau und Alex Völkel im Buch. Die beiden Fotografen haben beim Fotografieren versucht ihren Einfluss gering zu halten, nicht die Menschen zum Lächeln oder bestimmten Posen anzuleiten. Eine gewisse Authentizität und bei der Motivauswahl einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch die in der Nordstadt aktiven Gruppen anzustreben sind Ziele des Projekts unter Leitung von Stadtteil-Schule Dortmund.

Ein Blick auf das Sympatische

Das Bild einer problematischen Nordstadt wird - laut Projektleitung und Künstlern - bewusst ausgeblendet, um den Blick, vor allem für Menschen aus anderen Stadtteilen, die den Norden sonst nur mit geschlossenen Autotüren durchqueren, auf das Schöne des Stadtteils zu richten. Und das finden die Macher in den Gesichtern der Bewohner.
Eine Sichtweise auf aktive Anwohner, die Martin Gansau vom Quartiersmanagement Nordstadt auf Fakten gegründet sieht: „Menschen, die nach Dortmund kommen, um zu studieren, Arbeit aufzunehmen oder die als Migranten und Flüchtlinge ankommen, orientieren sich hier und finden ihren Platz in der Stadt.“

"Beste Ruhrgebietstradition"

Und er fügt hinzu: „Nachbarschaftshilfe in bester Ruhrgebietstradition wird noch groß geschrieben. Der Stadtbezirk ist der einzige, der einer ansonsten negativen demografischen Entwicklung trotzt: Hier werden mehr Kinder geboren als alte Menschen sterben. Hinzu kommt eine große Zahl kreativer Köpfe, wie Kulturschaffende, die in Ateliers, Theatern und Clubs wirken“.
Aus den Fotos sollen Freundlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft sprechen, die zumindest dazu einladen sollen, einen anderen Blick auf den geschmähten Stadtteil auszuprobieren.

Die Idee stammt aus Rotterdam

Die Projektidee, die bunte Vielfalt der Menschen zur Imageverbesserung eines sozialen Brennpunkts zu nutzen, ist einem Rotterdamer Fotobuch entlehnt, das die südlichen Stadtteile der niederländischen Hafenstadt aufwerten möchte.
Eine Fotoausstellung an einer der renomiertesten Orte Dortmunds folgt, um das sonnige Gesicht der Nordstadt - fast schon subversiv - in die Viertel der sozial Bessergestellten zu bringen.

Zum Hintergrund:

Mitte Oktober erscheinen 3000 Exemplare des Fotobuchs „Wir: Echt Nordstadt“.
Die Erstauflage wird in der Nordstadt, aber auch in anderen Stadtteilen an öffentlich zugänglichen Orten ausliegen.
Das Buchprojekt des Vereins Stadtteil-Schule Dortmund finanziert sich aus 75 000 € Fördermitteln von EU, Bund, Land und Stadt.
Eine Ausstellung soll in Kürze folgen - in einem der reicheren Stadtteile und an exponierter Stelle.
Das Projekt möchte das negative Nordstadt-Image aufbessern und zeigt Menschen bei derArbeit, beim ehrenamtlichem Engagement und in alltäglichen Gruppen.

„Die Diskussion beginnt gerade“

Der Stadt-Anzeiger stellte 3 Fragen an die Macher des Bildbandes:
Bewohnern für ein Viertel zu werben ist nicht neu, hat aber für die Fotografen von „Wir: Echt Nordstadt“ etwas Spezielles.

1.Was hat Sie beim Fotografieren in der Nordstadt besonders beeindruckt?
Wäsche: Besonders die Unterschiedlichkeit und Offenheit der Gruppen.
Hartmann: Dass die Trinker im Café Berta zu ihrer Situation stehen und Leute wie du und ich sind, dass hat mich beeindruckt.

2. Wie haben Sie Ihre Motive ausgewählt?
Wäsche: Gruppen, Projekte und Vereine konnten sich über das Quartiersmanagement bewerben. Wir sind aber auch mit offenen Augen durch die Nordstadt gegangen.
Hartmann: Die Idee war, einen Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Bereiche zu versuchen. Durch meine Arbeit bei Nordstadtblogger.de kenne ich viele Akteure im Norden. Nach einiger Zeit bin ich außerdem von Leuten auf der Straße angesprochen worden, ob sie nicht auch ins Buch dürfen. Wir haben es authentisch halten wollen und nicht beeinflusst.

3. Welche Reaktion auf Ihr Projekt haben Sie bis jetzt erlebt?
Hartmann: Die meisten sind einfach stolz darauf, mit dabei zu sein. Das gibt bestimmt gerade vielen Ehrenamtlichen einen Motivationsschub.
Wäsche: Dabei begreifen sich gar nicht alle Leute im Fotobuch zwangsläufig als besonders nordstädtlerisch. Manche freuen sich einfach und sind mit ihrem Umfeld zufrieden, ohne dabei auf einer Mission für den Stadtteil zu sein. Andere sind sich bewusst, dass sie auf dem Foto auch den Stadtteil verkörpern.
Hartmann: Die Diskussion beginnt gerade. Es ist klar, dass wenn wir positive Seiten hervorheben, die Reaktionen auch in Richtung eines Verweises auf die negativen Seiten gehen wird. Meistens sagen die aus dem Süden Dortmunds so etwas.

Autor:

Antje Geiß aus Dortmund-City

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