Immer mehr Flüchtlinge

Die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in Dortmund. Ausgelegt ist sie für 350 Menschen. | Foto: Schmitz
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  • Die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in Dortmund. Ausgelegt ist sie für 350 Menschen.
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Sie kommen aus den Krisen- und Kriegsgebieten des Nahen Ostens, aber auch aus den Ländern des westlichen Balkans

- und der Strom der Flüchtlinge nimmt bundesweit immer weiter zu.

Dortmund wird dadurch in mehrfacher Hinsicht vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes (EAE) in Hacheney nimmt rund 27 Prozent aller erstmalig nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge auf und bearbeitet 80 Prozent aller Fälle in NRW.

In den ersten acht Monaten des Jahres 2014 waren das 32140 sogenannte „Vorsprachen“, die zu 17450 Asylanträgen führten. Durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen kommt es aber nicht nur in der EAE zu einer teilweise dramatischen Überbelegung, auch die Kapazitäten in der Zentralen kommunalen Unterbringungseinrichtung (ZKU) für die dauerhaft zugewiesenen Flüchtlinge am Grevendicks Feld in Lütgendortmund reichen mittlerweile kaum noch aus.

Vor dem Hintergrund der katastrophalen Lage der Menschen in Syrien und dem Irak ist in den nächsten Wochen und Monaten mit einem weiteren Anstieg der Flüchtlingsströme zu rechnen. Dabei spitzt sich die Lage in den Städten, die eine Erstaufnahmeinrichtung vorhalten und (wie alle Städte) Flüchtlingskontingente zugewiesen bekommen, besonders stark zu.

Die Stadt hat sich deshalb entschieden, die Gesamtproblematik ab sofort in Krisenstabsstrukturen zu bearbeiten. Im Krisenstab EAE geht es darum, das Belegungsmanagement sowie personelle und bauliche Aktivitäten zu koordinieren, im Krisenstab ZKU steht die Wohnraum- und Objektakquise im Vordergrund.

„Wegen des großen Zuflusses an Flüchtlingen und weil landesweit Unterbringungsplätze fehlen, gelingt es uns nicht mehr, die Belegung während des Tages soweit zurück zu führen, dass den Menschen, die abends oder nachts kommen, ein Bett zur Verfügung gestellt werden kann“, berichtet Rechtsdezernentin Diane Jägers.

Um die große Zahl an neuen Verfahren überhaupt bewältigen zu können, werden in erheblichem Umfang Überstunden abgeleistet, was die Belegschaft an die Grenzen ihrer Kräfte führt. Bis zum Jahresende sollen deshalb schrittweise und befristet auf ein Jahr 15 neue, vom Land finanzierte Mitarbeiter eingestellt werden – auch um durch Beschleunigung des Durchlaufs die Aufnahmefähigkeit der EAE zu erhalten. Die ersten Einstellungsverfahren sind angelaufen.

Um die räumliche Situation kurzfristig und übergangsweise zu entspannen, wurden mittlerweile zwei Zelte als Regenschutz vor dem Wartebereich aufgestellt. Ein Mensagebäude und ein ergänzender Wartebereich sollen eingerichtet werden. Zusätzliche Mitarbeiter-Räume im Obergeschoss sollen möglichst bald für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sorgen.

„Das alles sind Notmaßnahmen, die nicht davon ablenken dürfen, dass das Land seiner Verantwortung bisher nicht ausreichend gerecht wird. Seit mehr als einem Jahr fordern wir in Briefen und zahlreichen Gesprächen eine dritte EAE, vorzugsweise in der Rheinschiene. Sie soll nun zum 1. Oktober 2015 in Essen endlich kommen. Mittlerweile muss man allerdings davon ausgehen, dass mindestens eine vierte Einrichtung notwendig ist“, betont Oberbürgermeister Ullrich Sierau, der auch andere Städte und den Städtetag NRW an seiner Seite weiß.

Wenn das gesamte System wieder funktionieren soll, sind ebenso dringend wie zusätzliche EAEs zusätzliche Plätze in Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) erforderlich. Denn die EAEs in Dortmund und Bielefeld können dauerhaft nur dann noch Neuankömmlinge aufnehmen, wenn die bereits registrierten Flüchtlinge auch an die ZUEs weiter gegeben werden können. Dort müssen zudem Vorkehrungen getroffen werden, dass Erkrankungsfälle nicht - wie mehrfach in den letzten Monaten - wieder zu Schließungen ganzer Einrichtungen führen.

Dortmund hat dem Land nahe gebracht, leerstehende Polizeikasernen als ZUEs zu nutzen. Dem ist das Land nun gefolgt, in dem es am Wochenende in Kamen eine weitere Einrichtung (nach Holte-Stukenbrock) mit 150 Plätzen geöffnet hat. Ebenfalls am Wochenende wurde in Rüthen eine Unterbringungsmöglichkeit mit 150 Plätzen geschaffen. Perspektivisch wird das voraussichtlich jedoch nicht ausreichen.

Am Wochenende wurde bekannt, dass das auch in Dortmund von European Homecare beauftragte Sicherheitsunternehmen in Verdacht steht, in Burbach (evtl. auch in Essen) Flüchtlinge misshandelt zu haben. Die Bezirksregierung hat das Unternehmen darauf hin aus allen Landeseinrichtungen abgezogen.

Die Stadt stellt dazu fest, dass sämtliche eingesetzten Sicherheitskräfte nach den hohen Dortmunder Standards überprüft wurden. Der Stadt liegen keinerlei Hinweise auf vergleichbare Vorkommnisse vor, das Unternehmen hat nach den derzeitigen Erkenntnissen der Stadt hier vielmehr gute Arbeit geleistet. Um jeden Zweifel im Keim zu ersticken, wird European Homecare das Unternehmen in Abstimmung mit der Stadt dennoch auch in Dortmund von seinen Aufgaben entbinden und durch ein anderes Unternehmen ersetzen. Auch dessen Mitarbeiter werden nach dem Dortmunder Verfahren eingehend überprüft. Die Vorbereitungen für den Wechsel sind eingeleitet.

Die Stadt sieht sich - wie alle Kommunen in NRW - mit dem Problem steigender Zugangszahlen konfrontiert. Sowohl das Tempo als auch die Anzahl der der Stadt zur Aufnahme durch die Bezirksregierung Arnsberg zugewiesenen Flüchtlinge haben sich seit Juli 2014 erhöht. So sind seitdem beispielsweise 128 Kriegsflüchtlinge aus Syrien in Dortmund untergekommen. Bisher ist es gelungen, die Anzahl der Zuweisungen mit der Anzahl von Wohnungsintegrationen (aus der ZKU heraus) im Gleichgewicht zu halten. Auch die zentrale Wohnraumakquise und -vermittlung konnte dank erneut verbesserter Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft hochgefahren werden. Die wohnungsmäßige Integration von Flüchtlingen bleibt das Ziel der Stadt Dortmund.

Da die Zuweisungen der Bezirksregierung nur mit wenigen Tagen Vorlauf erfolgen, kalkuliert die Stadt nur von Woche zu Woche, dies seit zwei Jahren unter ständig steigendem Druck.
Wenn sich Tempo und Anzahl der Zuweisungen auf dem bisherigen oder einem höheren Niveau verfestigen sollten, wäre die Stadt gezwungen - wie andere Kommunen in NRW bereits seit geraumer Zeit - weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Die entsprechenden Planungen laufen intern bereits seit Monaten. Mit der Wohnungswirtschaft, den Kirchen und Wohlfahrtsverbänden sowie den stadteigenen Unternehmen sind viele Gespräche geführt worden, um Wohnraum oder geeignete Unterbringungsobjekte zu identifizieren und bei Bedarf zu aktivieren. Derzeit kann seriös noch nicht gesagt werden, ab wann und mit welchen Maßnahmen zu reagieren sein wird. Das vorzubereiten und zu entscheiden wird Aufgabe des eingesetzten Krisenstabes sein.

Die weitere Entwicklung im Flüchtlingsbereich hängt von vielen Faktoren ab, auch von Entwicklungen auf Bundes- und Landesebene, die kommunal nicht beeinflusst werden können. Offen bleibt bei alledem, wie sich die Lage mittel- bis langfristig entwickeln wird.
Der Bund und das Land NRW gehen bis auf Weiteres von einer anhaltenden Steigerung der jährlichen Flüchtlingszahlen in einer Bandbreite von 30 bis über 60 Prozent aus.

Hintergrund:

In Dortmund leben derzeit 1870 Flüchtlinge

In der ZKU „Grevendicks Feld“halten sich aktuell rund 300 Personen auf

Etwa 70 Personen leben in Wohnungen, die die Stadt angemietet oder selbst im Besitz hat

1500 Menschen leben mit eigenem Mietvertrag im ganzen Stadtgebiet verteilt

Im Jahre 2013 konnten 112 Familien mit 254 Personen in eigene Wohnungen ziehen

In diesem Jahr war das bisher in 115 Fällen mit 266 Personen möglich

Die Erstaufnahmeneinrichtung in Hacheney kann rund 350 Menschen aufnehmen. Derzeit sind es teilweise mehr als 500

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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