Neue Erstaufnahme für Flüchtlinge startet in Dortmund

Acht Betten und Spinde stehen in den kleinen Räumen in den Schlafhallen für jeweils 72 Menschen in der neuen Erstaufnahme an der Buschmühle. | Foto: Schmitz
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  • Acht Betten und Spinde stehen in den kleinen Räumen in den Schlafhallen für jeweils 72 Menschen in der neuen Erstaufnahme an der Buschmühle.
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Die Kaffee- und Teeautomaten sind befüllt, die ersten hundert Betten stehen bereit. In der Nacht auf Donnerstag kamen die ersten Flüchtlingsfamilien in Dortmund auf dem Parkplatz an der B54 an. In beheizten Hallen warten sie darauf, registriert zu werden. Die neue Erstaufnahme hat ihre Arbeit aufgenommen.

Noch laufen die Arbeiten draußen in vollem Gange, während Kinder mit ihren Eltern schon in den weißen, warmen Leichtbauhallen an der Buschmühle die ersten Nächte verbrachten.
Warme Luft bläst in die 15 provisorischen Unterkünfte, die jeweils 72 Menschen Platz bieten. Darin befinden sich kleine Kabinen mit jeweils vier Etagenbetten und vier schmalen Spinden.

Bis zu 1000 Menschen

Bis zu 1000 Menschen werden hier jeweils zwei Tage lang, betreut son European Homecare , leben. Hier in den weißen Hallen und grauen Büros wird ihr Asylverfahren in Gang gesetzt. 250 Menschen aus Krisengebieten sind von hier aus schon weitergefahren in andere Unterkünfte in NRW.
„Wir sind in der ersten Stufe sehr gut aufgestellt, denn wir wussten ja, dass Herbst und Winter kommen und dies den Anforderungen genügen muss“, stellt Oberbürgermeister Ullrich Sierau gestern zufrieden fest, als er sich ein Bild von der noch unfertigen Erstaufnahme machte. Und das Stadtoberhaupt bedankte sich, bei allen die das möglich gemacht haben, für die herausragende Bereitschaft, zu helfen. Beim benachbarten Hotel, Bezirkspolitik, Verwaltungsleuten, Mitarbeitern und vielen mehr.

Bis Mitte November fertig

„Wir können nicht immer wieder die Einrichtung in Hacheney schließen und die Menschen wissen nicht wohin“, berichtet Sierau von der Überlastung der Erstaufnahme im Süden der Stadt.
Bis Mitte November, bis auch der Container mit dem Röntgengerät steht, wird sie anlaufen, die zusätzliche Erstaufnahme südlich des Westfalenparks und dann die Einrichtung in Hacheney entlasten.

Rechtzeitig die Dinge angegangen

„Dass alles so gut geklappt hat, hat damit zu tun, dass wir rechtzeitig die Dinge angegangen sind“, meint Ullrich Sierau beim Gang durch die Kantinenhalle, wo Kühlschrank an Kühlschrank steht, erste Biergartengarnituren mit Blumen und Keksen gedeckt sind. Und das wünscht sich der Oberbürgermeister auch von anderen, „präventiv zu arbeiten ist auch hilfreich für das Thema Akzeptanz.“
„Wir wollen die Leute nicht im Schnee stehen lassen“, sagt Bezirksbürgermeister Udo Dammer und geht davon aus, dass der Ablauf mit bis zu 1000 Menschen täglich so reibungslos läuft, wie im Flüchtlingsheim am Ostpark.

"Wir haben die Verpflichtung, zu helfen"

Auch Dammer wünscht ich, dass das ganze Flüchtlingssystem besser organisiert wird und fügt hinzu: „Wir haben als eines der reichsten Länder der Welt die Verpflichtung zu helfen.“
Die Willkommenskultur spricht auch Dieter Ullbricht, als General Manager des benachbarten Radisson Blu Hotels an, denn man beschäftige 80 Mitarbeiter aus 20 Nationen. Schließlich sei es das Größte, Menschen ein Dach über dem Kopf geben zu können.

Zehn Registrierungsplätze

„Wenn alles so gut weiterläuft, kann am 2. Novemeber die Asylstraße in Betrieb gehen“, zeigt Heike Tassilo vom Ordnungsamt auf die Fundamente, wo bald die Röntgencontainer stehen werden. Doch sie meint auch gleich daneben die zehn Registrierungsplätze die Montag eingerichtet werden, an denen im Schichtbetrieb 18 Mitabeiter der zentralen Ausländebehörde die Asylverfahren für Flüchtlinge starten.
Das Fernziel ist, dass die Erstaufnahme an der Buschmühle erster Anlaufpunkt für Flüchtlinge wird. Hier sei viel mehr Platz als in Hacheney und der Personalschlüssel sei besser.

Sechs Schlafzelte eingerichtet

Sechs Schlafzelte sind bereits eingerichtet, Sanitärcontainer mit 50 Duschen und Toiletten für 100 Personen sind aufgebaut, ein Empfangsbereich, eine Versorgungshalle stehen bereit und auch ein Spielzelt für Kinder wird noch eingerichtet. Es gibt auch eine Wartehalle und einen Isolierraum. Alles ist in kürzester Zeit hier entstanden und wird nun noch sukzessive auf 1000 Plätze ausgebaut.
Ein Kraftakt auch für die städtische Immobilienwirtschaft, die hier erst noch eine Bombe aus 15 Metern Tiefe bergen lassen musste.

Hallen sind sturmfest und schneesicher

Die sturmfesten Leichtbauhallen werden per Sandwichsystem verkleidet und noch mit Fenstern versehen, sie verfügen über Holzböden und eine Stahlkonstruktion. Die 15 Schlafzelte sollen für Familien und alleinreisende Männern und Frauen aufgeteilt werden.
Für die Betreuung der Flüchtlinge, die hier rund um die Uhr ankommen und abreisen sind rund 150 bis 180 Mitarbeiter vorgesehen. Hinzu kommen Security, die auch für die Zugangskontrollen zuständig sind.

Parkplatz F2 ist heute Zeltstadt

Der Erweiterungsstandort der Dortmunder Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende (EAE) auf dem ehemaligen Parkplatz F2 am Westfalenpark ist mit zunächst 300 bis 400 Plätzen in Betrieb gegangen. In fünf Wochen ist ‚An der Buschmühle 5’ eine Anlage entstanden, die im Endausbauzustand über 900 Schlafplätze und 100 Notplätze verfügen wird. Weiterhin sind Wartezonen, eine Registrierungsstraße, eine Röntgenmöglichkeit, Sanitär- und Sanitätseinrichtungen, ein Küchenbereich und Büros für die asylrechtliche Hintergrundsachbearbeitung entstandenoder im Aufbau.

Einrichtung des Landes

In den nächsten Wochen wird die Belegung nun sukzessive bis auf die Maximalkapazität ansteigen. Die EAE ist eine Einrichtung des Landes, die von der Stadt Dortmund betrieben wird. Das Land trägt sämtliche Kosten und rechnet die in der EAE vorgehaltenen Kapazitäten auf die Zuweisung von Flüchtlingen nach Dortmund an.
Oberbürgermeister Ullrich Sierau ließ sich heute vor Ort über den aktuellen Stand der Aufbau- und Einrichtungsarbeiten informieren. Begleitet wurde er dabei von Bezirksbürgermeister Udo Dammer und Dieter Ulbricht, General Manager des benachbarten Radisson Blu Hotels.

Humanitäre Aufgabe gemeinsam stemmen

Sie betonten übereinstimmend, dass die humanitäre Aufgabe, Flüchtlingen aus den Kriegs- und Krisenregionen der Welt hier eine menschenwürdige Zuflucht zu gewähren, von allen staatlichen Ebenen, von der Wirtschaft und von der Bevölkerung gemeinsam zu stemmen sei. „Es ist unsere Pflicht, nach Kräften dazu beizutragen, dass die ankommenden Menschen ein Dach über den Kopf bekommen und schnell Zugang zu ihrem Asylverfahren finden. Um zugewiesene oder erstmalig vorsprechende Asylsuchende unterzubringen, benötigen wir mittlerweile nahezu jede verfügbare Fläche - auch diese hier“, sagte Sierau. Und weiter: „Wir werden alles tun, um Beeinträchtigungen für den Hotelbetrieb zu vermeiden und dafür kontinuierlich miteinander im Gespräch bleiben.“

Entlastung für den EAE in Hacheney

Seit Juni steigen die Flüchtlingszahlen bundesweit sprunghaft an. Das Bundesamt für Mi­gration und Flüchtlinge, das bis dahin von 450.000 Asylsuchenden 2015 ausgegangen war, hob seine Prognose inzwischen auf 800.000 zu erwartende Asyl-bewerber an. Viele halten mittlerweile auch diese Annahme für zu niedrig. Als zwangsläufige Folge des hohen Flüchtlingszustroms kamen auch in der Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund-Hacheney immer mehr Menschen an, so dass die Maximalkapazität von 350 Plät­zen dort häufig weit überschritten wurde. Mit in der Spitze über 1500 Zugängen täglich wurde Ende September 2015 in Hacheney die Marke von 100.000 Asylsuchenden überschritten.

Jetzt zwei Standorte

Vor diesem Hintergrund beschloss der Rat im September, in Absprache mit dem Land eine zusätzliche Einrichtung als Erweiterung zu schaffen und beide Standorte als Einheit durch European Homecare betreiben zu lassen. Künftig sollen Asylsuchende nur noch den Standort Buschmühle anlaufen, dort registriert und geröntgt und spätestens am nächsten Tag in Folgeeinrichtungen des Landes verlegt werden. Die Röntgen- und Registrierungskapazitäten in Hacheney sollen vom Standort Buschmühle aus gesteuert werden, damit sie möglichst effektiv genutzt werden können.

Schwangere und Schutzbedürftige

Dieses Verfahren schafft in Hacheney Raum für besonders schutzwürdige Flüchtlinge wie Kranke und Schwangere sowie für Familien, deren Angehörige im Krankenhaus behandelt werden müssen und deren Entlassung vor Weiterleitung in eine Anschluss-Unterkunft abgewartet wird. Durch die Erweiterung an der Buschmühle wird das System der EAE Dortmund deutlich leistungsfähiger.

Einrichtung am Westfalenpark

Die Anlage an der Buschmühle besteht analog zum vorgesehenen Verfahrensablauf aus zwei Bereichen. Die gesamte Anlage ist eingezäunt und wird von einem Sicherheitsdienst bewacht. Im nördlich gelegenen Eingangs- und Bearbeitungsbereich werden die Asylsuchenden in zwei ‚Straßen’ registriert, dann geröntgt und im Kantinenzelt versorgt. Für die Registrierung werden ab nächster Woche zwei unabhängige Container-Gebäude mit Wartezelten errichtet. Bis dahin wird provisorisch in einem Zelt registriert. Die Röntgenstation wird ab Montag aufgestellt.

Abfahrt "An der Buschmühle"

Der Busverkehr wird bei der Ankunft über eine eigene Spur der B 54 bei der Abfahrt über die Straße ‚An der Buschmühle’ abgewickelt. Ein- und Ausstieg erfolgen auf dem EAE-Gelände. Der südliche Teil der Fläche ist als Schlafbereich vorgesehen. Dort wurden 15 winterfeste Leichtbauhallen (25 x 10 Meter) für jeweils bis zu 70 Personen aufgestellt. Die Hallen verfügen jeweils über einen mit PVC belegten Holzboden, eine dieselbetriebene Heizung und neun abgeteilte Kabinen mit vier Doppelstockbetten sowie Handy-Aufladestationen.

Zweite Außenhaut für Hallen

So schnell wie möglich sollen die Hallen noch mit einer zweiten ‚Haut’ versehen werden, vor allem, um den hohen Energiebedarf für die Beheizung zu senken. Angrenzend stehen zwei Sanitärzelte mit je 50 Duschen und Toiletten (geschlechtergetrennt) sowie ein Sanitätszelt. Insgesamt wurden rund 1,5 km Versorgungsleitungen verlegt.

Aufgaben im Regelbetrieb

In Deutschland ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für die Entscheidung über Asylbegehren zuständig. Erreicht ein Flüchtling die Bundesrepublik, muss er sich nach § 22 Asylverfahrensgesetz zunächst bei einer der über ganz Deutschland verteilten Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) melden. Von dort wird das Asylverfahren in Gang gesetzt. In NRW haben diese Funktion lange Zeit nur die EAE´en in Dortmund-Hacheney und Bielefeld wahr genommen. Inzwischen sind Standorte in Unna-Massen, Bad-Berleburg und Burbach hinzu gekommen.

Königsteiner Schlüssel

Bereits kurz nach der Ankunft in einer EAE wird entschieden, in welchem Bundesland das weitere Asylverfahren durchgeführt wird. Denn die Asylsuchenden werden nach dem ‚Königsteiner Schlüssel’, der Steuerkraft und Einwohnerzahl berücksichtigt, auf die Bundesländer verteilt. In NRW trifft diese Entscheidung die Bezirksregierung Arnsberg.
Bleibt ein Asylbewerber in NRW, sieht das Verfahren zu seiner Aufnahme normalerweise einen mehrtägigen Aufenthalt in einer EAE vor.

Foto und Personalien

In dieser Zeit werden die Personalien aufgenommen, Fotos angefertigt und eine medizinische Untersuchung nach dem Infektionsschutzgesetz durchgeführt. Darüber hinaus stehen zwei Vorsprachen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) an. Dort wird die Verfahrensakte angelegt und der Asylsuchende wird erkennungsdienstlich behandelt.

Fluchtgründe darlegen

Er muss hier seine Fluchtgeschichte und seine Fluchtgründe ausführlich und persönlich darlegen. Bei der Antragstellung wird eine Auf­enthaltsgestattung ausgestellt, die berechtigt, bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Deutschland zu bleiben.
Nach diesen ersten Verfahrensschritten reist der Asylbewerber in eine der Zwischenunterkünfte des Landes weiter. Nachdem er dort einige Wochen zugebracht hat, teilt das Land ihn einer Kommune zu, die dann seine Unterbringung und Versorgung sicher zu stellen hat.

Wieder Regelverfahren erreichen

Dieser Regelbetrieb war in NRW (und anderswo) schon seit Herbst 2014 nur noch punktuell einzuhalten. Mit zunehmenden Flüchtlingszahlen reichten die Kapazitäten in den EAE´en nicht mehr aus, um die vorgesehenen Verfahrensschritte durchzuführen. Asylsuchende wurden deshalb immer öfter unregistriert und ungeröntgt verlegt und später wieder zurück geholt, um das nachzuholen. Zugleich gab es auch nicht genügend Landesunterkünfte, um die Menschen aus den EAE´en dorthin bringen zu können. Die Folge war eine permanente Überlastung des Systems. Der Kollaps konnte häufig nur mit massivem Logistikaufwand von Land und Kommunen und mit unzähligen Bustransfers zwischen den Standorten verhindert werden.
Mit der Inbetriebnahme des neuen EAE-Standortes rückt das Regelverfahren in Dortmund wieder in die Nähe des Erreichbaren.

Autor:

Antje Geiß aus Dortmund-City

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