Prof. Dr. Niko Paech: "Das Ende der Wachstumsökonomie und was passiert dann?"

Professor Dr. Niko Paech zum Thema Postwachstumsökonomie: "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht." | Foto: Marcus Sümnick
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  • Professor Dr. Niko Paech zum Thema Postwachstumsökonomie: "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht."
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Am Freitag sprach Professor Dr. Niko Paech auf Einladung des Katholischen Forums in Dortmund über das Ende der Wachstumsökonomie und seinen Gegenentwurf, der Postwachstumsökonomie. Er forderte die industriellen Wertschöpfungsprozesse einzuschränken und dafür lokale Selbstversorgungssysteme im Rahmen des Möglichen zu stärken.

Paech wies daraufhin, dass er keineswegs eine Verzichtsideologie propagieren würde. Eine bewusste Reduzierung des Konsums ginge mit einem deutlichen Gewinn an Qualität des letztlich dann tatsächlich Konsumierten einher. Er verwende auch den Begriff des Prosumenten. Dieser Prosument, den man auch in dem sehr interessanten und lesenswerten Buch "Die Nullgrenzkosten Gesellschaft" des Ökonoms Jeremy Rifkin finden kann, in dem dieser sich mit dem Internet der Dinge, dem Kollaborativen Gemeingut sowie dem Rückzug des Kapitalismus befasst, unterscheidet sich von dem derzeitigen Konsumenten dadurch, dass er bewusst weniger konsumiert und sich darüber hinaus auch im Rahmen des Möglichen ebenso bewusst an der Produktion beteiligt. Es geht also nicht um die Rückkehr zum Faustkeil.

Prosumenten statt Konsumenten

Auf der sehr gut besuchten Veranstaltung erhielten auch jene grün-alternativen Menschen einen Seitenhieb, die zwar brav im Bioladen einkaufen, ihren Müll trennen, aber mit nur einer einzigen Flugreise ihre gesamte CO2-Bilanz unwiderruflich zerstören. So viel Bionade könne man gar nicht trinken.

Aber auch Neoliberale und Linke wurden nicht geschont. Je nach Sicht würden entweder fleißige Arbeitnehmer oder geniale Unternehmer eine Beute beanspruchen, die aus ökologischer Sicht so erst gar nicht hätte entstehen dürfen. Da diese Beute ein Wohlstand durch Plünderung darstelle, sei sie auch nicht "verdient" oder "erarbeitet".

In der anschließenden Diskussion sprach sich Paech auch gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Auch wenn er die Ziele eines solchen durchaus teile, lehne er eine gegenleistungslose Alimentierung der Gesellschaft ab. Für wirklich Bedürftige forderte er hingegen ein "bedingungsvolles Grundeinkommen".

Qualität statt Quantität

Der von Paech in Deutschland ab 2006 in die Diskussion gebrachte Begriff der Postwachstumsökonomie bezeichnet ein Wirtschaftssystem, das zur Versorgung des menschlichen Bedarfs nicht auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist, sondern sich durch Wachstumsrücknahme auszeichnet. Er grenzt sich dadurch bewusst von Begriffen der Nachhaltigkeitsdebatte wie "grünem" oder "nachhaltigem" Wachstum ab, bezeichnet das Konzept von grünem Wachstum gar als Wunder oder Mythos. Er sieht die Notwendigkeit für eine solche Wirtschaftsordnung in der nach seiner Auffassung gescheiterten Entkopplung der Umweltschäden und des Rohstoffverbrauchs von der Wertschöpfung, in den Erkenntnissen der Glücksforschung zum nicht weiter durch Konsum oder Einkommen zu steigernden Wohlbefinden und in ökonomischen Grenzen wie z. B. dem globalen Ölfördermaximum. Sein Ansatz basiert auf den fünf Prinzipien institutionelle Innovationen, stoffliche Nullsummenspiele, Regionalökonomie, Subsistenz und Suffizienz, "die letztlich in einer höheren individuellen Lebensqualität und mehr Gemeinwohl resultieren." Es existierten keine per se nachhaltigen Produkte und Technologien, betont er, sondern nur nachhaltige Lebensstile.

Paech betont, dass der Ressourcenverbrauch nicht nur ökologisch schädlich sei, sondern die Menschen auch psychisch überfordere. Er bezeichnet dies als "Konsumverstopfung". Die "radikale Reduktion von Ansprüchen, welche der materiellen Selbstverwirklichung dienen, sei kein Mangel, sondern ein Gewinn." Als Mittel zur Erreichung einer größeren Zufriedenheit und einer geringeren Abhängigkeit von der globalen Ressourcenkette nennt er: die Reduzierung der Arbeitszeit auf eine 20-Stunden-Woche, mehr Zeit für den Selbstanbau von Obst und Gemüse und für die Instandsetzung und das Teilen von Gegenständen, einen weitgehenden Rückbau von Autobahnen und Flughäfen sowie effiziente, wandelbare und wiederverwertbare Produkte. Er hält es für sinnvoll, wenn eine Avantgarde bereits einen entsprechenden Lebensstil pflegt und mit weniger Konsum gut auskommt, damit sie mit ihrem Erfahrungswissen und ihrem Vorbild dazu beiträgt, Frustrationen, Ängste und eventuelle Gewalt zu verringern.

In den letzten 10 Jahren habe sich die Menge der verschriebenen Psychopharmaka verdoppelt. Paech äußerte die Hoffnung, dass sich auch dies durch eine Postwachstumsstrategie umkehren lässt. Die Postwachstumsstrategie sei genügsamer, stabiler und ökologisch verträglicher. Sie würde viele Menschen entlasten, denen im Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung schon ganz schwindelig wird. Lebenszeit soll sich offensichtlich an der Qualität und nicht an der Quantität messen lassen.

Für die gelungene musikalische Umrahmung des Abends sorgten die vier Damen von "Chantik- a-capella-worldmusic" aus Dortmund mit zahlreichen internationalen Liedern.

http://www.postwachstumsoekonomie.de/

Professor Dr. Niko Paech zum Thema Postwachstumsökonomie: "Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht." | Foto: Marcus Sümnick
Das Buch von Professor Dr. Niko Paech ist erschienen im oekom-Verlag: Befreiung vom Überfluss - Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (144 Seiten, oekom verlag München, 2012, ISBN-13: 978-3-86581-181-3) | Foto: oekom-Verlag
Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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