"Wir können alles, nur nicht hexen!" - Gewerkschaft fordert erstmalig Tarifvertrag gegen Arbeitsverdichtung

"Wir können alles, nur nicht hexen!" simulieren die Reinigungskräfte einen Schnellputzwettbewerb, um auf die Arbeitsverdichtung in ihrer Branche hinzuweisen. | Foto: Carsten Klink, Dortmund
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Am 15. Juni begehen die Reinigungskräfte weltweit den Tag der Gebäudereinigung. Vor 25 Jahren haben Gebäudereiniger im Jahre 1990 drei Wochen lang das Geschäftszentrum von Los Angeles (USA) bestreikt. Die US-Polizei griff damals den gewaltfreien Streik an und schlug wahllos auf die Menschen ein. Es kam auf Seiten der Streikenden zu vielen Schwerverletzten, schwangere Frauen verloren ihre ungeboren Kinder.

Die staatliche Repression hat die Gebäudereinigerinnen aber nicht davon abgehalten, weiter gegen die unwürdigen Lohnbedingungen zu kämpfen. Drei Wochen später konnten die Forderungen durchgesetzt werden. Der Streik wurde mit einer Gehaltserhöhung von 25 Prozent (!) und der Einführung einer betrieblicher Krankenversicherung erfolgreich beendet. Nach einem Gerichtsverfahren musste die US-Polizei 3,5 Millionen US-Dollar an die Gewerkschaft SEIU bezahlen, in der die Gebäudepfler*innen organisiert sind. Der Streik fand unter dem Motto "Justice for Janitors" (Gerechtigkeit für Gebäudepfler*innen) statt. Seither wird der 15. Juni als "Justice for Janitors Day" begangen. Nach und nach wurde dieser Tag zum globalen Aktionstag.

Justice for Janitors Day

Im Gedenken an diesen historischen Sieg haben am Samstag in der Innenstadt von Dortmund vor der Reinoldikirche Reinigungskräfte auch auf ihre prekären Arbeitsverhältnisse aufmerksam gemacht. Sie sehen ihre Leistungen als völlig unterbezahlt an. Branchenüblich ist auch, dass in der Regel nur befristet eingestellt wird.

Mit einem Stundenlohn von 9,55 Euro der Lohngruppe I liegt man zwar inzwischen über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, aber immer noch deutlich unter den von der Gewerkschaft IG Bau-Agrar-Umwelt geforderten 10 Euro. Selbst bei dieser Lohnhöhe, welche die Partei DIE LINKE als allgemeinen Mindestlohn fordert, liegt ein Single ohne Kinder und ohne Kirche bei Steuerklasse 1 und einer 40 Stundenwoche und einem Achtstundentag nur bei monatlich 1.150 Euro und 29 Cent.

60.000 organisierte Reinigungskräfte

"Die niedrigste Lohngruppe, in der die meisten Kolleginnen und Kollegen schuften, muss endlich besser bezahlt werden. 80 Cent mehr pro Stunde für Innenreiniger/innen und 6,4 Prozent mehr für die Lohngruppen 2-9 sind ein Muss!", fordert die Gewerkschaft IG Bau für die inzwischen über 60.000 bei ihr organisierten Gebäudereiniger*innen.

Immer wieder muss die Gewerkschaft IG Bau in der Branche Selbstverständlichkeiten wie das Recht auf das Erstellen von Lohnabrechnungen einfordern.

Des Weiteren fordert die Gewerkschaft IG Bau als erste Gewerkschaft überhaupt einen Tarifvertrag gegen Leistungsverdichtung. Die in Dortmund protestierenden Reinigungskräfte griffen die Thematik, dass immer mehr Quadratmeter in der gleichen Zeit gereinigt werden sollen, mit dem Motto "Wir können alles, nur nicht hexen!" auf. Zahlreiche Protestierende waren daher in Hexenkostümen erschienen, um die Problematik zu verdeutlichen. Bei einer kämpferischen Stimmung wurden auch symbolische Schnellputzwettbewerbe veranstaltet.

"Forderungen der Gebäudereinigungskräfte sind berechtigt"

Der finanzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE und Piraten im Dortmunder Stadtrat, Carsten Klink, der eigentlich auf dem Wege zur Kundgebung der HSP-Beschäftigten war, die um ihre Arbeitsplätze und gegen die Werksschließung kämpfen, schloss sich spontan zeitweise der Kundgebung der Reinigungskräfte an und bestärkte diese in ihrem Kampf. "Vernünftige Löhne von denen man auch leben kann und ein Tarifvertrag gegen Arbeitsverdichtung müssten doch eigentlich die Mindestbedingungen im Gebäudereiniger-Handwerk sein.", so Ratsmitglied Carsten Klink (DIE LINKE) bei einer kurzen Ansprache. "Eure Forderungen sind mehr als berechtigt, wir stehen an eurer Seite", versicherte Klink den Beschäftigten die Solidarität der Linkspartei.

IG Metall und IG Bau solidarisch

Gegen Ende der Kundgebung stieß auch noch der HSP-Betriebsratsvorsitzende Klaus Frerichs von der IG Metall, der aktuell um über 360 Arbeitplätze bei Hoesch Spundwand Profile (HSP) kämpft, zu den Gebäudereinigungskräften. Nach einem kurzen Austausch mit dem Gewerkschaftssekretär Jürgen Rümmler von der IG Bau versprach man sich gegenseitige Unterstützung im Arbeitskampf, so unterschiedlich die Ausgangssituationen derzeit auch seien.

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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