Versteckspielen mit dem Bürger: Verschleierte Privatisierung als Geschäftsmodell

Build-Operate-Own: Bei dieser Form der öffentlich-privaten Partner-schaft übernimmt der Investor Planung, Bau (Errichtung und/oder Sanie-rung), Finanzierung und Betrieb eines Infrastrukturobjektes, vermietet es dann in der Regel für 25 bis 30 Jahre an seinen öffentlichen Auftraggeber und kann es anschließend verwerten. Das Eigentum am Grundstück oder der umzubauenden Immobilie, falls er es nicht schon besitzt, wird ihm wie im Beispiel der Berufskollegs in Dortmund vorher verschafft. | Foto: campact!
  • Build-Operate-Own: Bei dieser Form der öffentlich-privaten Partner-schaft übernimmt der Investor Planung, Bau (Errichtung und/oder Sanie-rung), Finanzierung und Betrieb eines Infrastrukturobjektes, vermietet es dann in der Regel für 25 bis 30 Jahre an seinen öffentlichen Auftraggeber und kann es anschließend verwerten. Das Eigentum am Grundstück oder der umzubauenden Immobilie, falls er es nicht schon besitzt, wird ihm wie im Beispiel der Berufskollegs in Dortmund vorher verschafft.
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Die Stadt Dortmund steckt in einem Dilemma: Einerseits hat sie offiziell öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP, auch Public Private Partnership – PPP) abgeschworen, andererseits steht sie kurz vor der Haushaltssicherung und möchte Kreditaufnahmen für dringend notwendige Investitionen der Daseinsvorsorge vermeiden.

In Umkehrung eines bekannten Werbespruchs heißt es daher in Dortmund: Wo kein ÖPP draufsteht, ist auch kein ÖPP drin. So soll es sich bei den 2015 realisierten Berufskollegs am Dortmunder U nicht um ein ÖPP-Projekt, sondern um ein mehr oder weniger norma-les Mietgeschäft mit einem Investor handeln. Die Vertragspartner der Stadt sahen das allerdings anders. 2013 und 2014 nutzten sowohl der Investor Cordea Savills (heute: Savills Investment Management) als auch Hochtief die beiden Kollegs, um mit den Vorteilen von ÖPP zu werben.

Seit dem letzten von der Stadtverwaltung offiziell durchgeführten und in der PPP-Projektdatenbank der Partnerschaft Deutschland (http://bit.ly/1dv4DVO) als besonders wirtschaftlich hervorgehobenen ÖPP-Projekt im Jahr 2008, der Hörder Feuerwache, hat die Dortmunder Stadtverwaltung jedoch einen Strategiewechsel vollzogen. Statt sich mit den ÖPP-Kritikern auseinanderzusetzen, streitet der Kämmerer schlicht ab, dass es sich um ÖPP handelt. Dabei nutzt er die Tatsache aus, dass in der Rechtsordnung keine klare Definition von ÖPP existiert, um in einem Schreiben an die Ratsfraktion von Linken und Piraten hinsichtlich der Berufskollegs zu behaupten: „Auf der Grundlage der einschlägigen recht-lichen Grundlagen handelt sich nicht um ein ÖPP-Projekt.“ [1]

Zwar entspricht die Struktur der Beschaffungsmaßnahme, sowohl bei den als „Investorenauswahlverfahren“ bezeichneten Berufskollegs als auch bei den Kitas, dem Gesundheitsamt und weiteren Projekten, bei denen der Investor für den Bedarf der Stadt Finanzierung, Bau oder Umbau und Betrieb übernimmt und die Stadt das Gebäude für 25 oder 30 Jahre von dem Investor anmietet, ziemlich genau dem ÖPP-Mietmodell gemäß Leitfaden des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums von aus dem Jahr 2007 [2], aber da es keine „einschlägigen rechtlichen Grundlagen“ für eine ÖPP-Definition gibt, lässt sich anscheinend unschwer das Gegenteil behaupten.

So versucht die Verwaltung zusammen mit der Ratsmehrheit, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. In der öffentlichen Diskussion von ÖPP-Projekten spielt das Mietmodell eine untergeordnete Rolle. Es werden vornehmlich Projekte wahrgenommen, bei denen das Eigentum an der Immobilie bei der öffentlichen Hand verbleibt und die Immobilie nach Vertragsablauf wieder an die öffentliche Hand übergeben wird.

Der Investor hat logischerweise ein anderes Interesse am Werterhalt der Immobilie, wenn er nach 25 oder 30 Jahren nach eigenem Ermessen über sie verfügen kann. Bei den beiden Dortmunder Berufskollegs hat die Stadt das Grundstück zudem vorher zum Vorzugspreis an den Investor abgegeben, um hinterher, nach vollständiger Bezahlung einer wahrscheinlich gut erhaltenen Immobilie, mit leeren Händen dazustehen. Ein weiterer Nachteil für die öffentliche Kontrolle von ÖPP-Mietmodellen ist, dass die Baukosten nicht unter „kreditähnlichen Rechtsgeschäften“ im Haushalt aufgeführt werden. Sie werden wie ganz normale Mieten behandelt und nicht extra als Investition ausgewiesen, für deren Zustandekommen sich die jeweils politische Mehrheit gegebenenfalls gegenüber ihren Wählern rechtfertigen muss. Auch Wirtschaftlichkeitsgutachten zum Vergleich mit einer konventionellen Beschaffung, für die bestimmte Regeln eingehalten werden müssen, lassen sich auf diese Weise umgehen.

Angesichts dieser Strategie des Umgangs mit ÖPP-Mietmodellen wundert es auch nicht weiter, dass die neuen Dortmunder ÖPP-Projekte in der o. g. PPP-Projektdatenbank nicht aufgeführt werden. Die unbemerkt vonstattengehende Privatisierung der Daseinsvorsorge erreicht damit einen neuen Höhepunkt.

BürgerInnen und Stadtverordnete sollten vergleichbare Investorenprojekte in ihren Kommunen kritisch hinterfragen. Es ist anzunehmen, dass auch andere Kommunen nach dem Dortmunder Modell ÖPP-Projekte im Haushalt in verschleierter Form unterbringen.

Von Anne Schulze-Allen, Jahrgang 1948, war jahrelang in einem Baumaschinenkonzern für den Vertriebsinnendienst verantwortlich und befasst sich seit mehreren Jahren mit ÖPP-Projekten.

Anmerkungen:
[1] Ausschusses für Finanzen, Beteiligungen und Liegenschaften, Dort-mund, Sitzungsprotokoll vom 30.03.2017, Top 6.3.
https://dosys01.digistadtdo.de/dosys/gremniedweb1.nsf/546ac4a11b468004c1256e1d0035a1eb/912d21bcd736cc00c1258147003d6303?OpenDocument&Highlight=0,DS-Nr,06690-17-E1
[2] Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen: „Public Private Partnership. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“, 2007, Seite 52.
https://broschueren.nordrheinwestfalendirekt.de/herunterladen/der/datei/000000-wirtschaftlichkeit-pdf/von/leitfaden-der-ppp-initiative-wirtschaftlichkeitsuntersuchung-bei-ppp-

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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