Bargeld beschränken und abschaffen?

Michael Schlecht, Mitglied des Bundestages, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE | Foto: DIE LINKE
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Bargeldzahlungen sollen auf 5000 Euro begrenzt werden. Und die Europäische Zentralbank – EZB – will den 500-Euro-Schein aus dem Verkehr ziehen. Manche Ökonomen fordern bereits ganz die Abschaffung des Bargeldes. Dann müssen alle per Kreditkarte, per EC-Karte oder per Überweisung bezahlen. So soll der organisierten Kriminalität das Geschäft erschwert werden. Also: alles prima?

Die Begrenzung des Bargeldverkehrs soll ein Schlag gegen die Kriminalität und den Terrorismus sein. Es könnte nicht länger im Geheimen gewirtschaftet werden, so heißt es. Denn Zahlungen per Kreditkarte oder Überweisung lassen sich nachverfolgen.

Allerdings: Das Leben von Kriminellen, Steuerhinterziehern und Terroristen wird dadurch nur minimal erschwert. Sie würden andere Wege finden beziehungsweise andere Zahlungsmodalitäten. Die Möglichkeiten reichen von der Bezahlung in Waren über die Nutzung von Gold oder ausländischen Bargelds, zum Beispiel dem Dollar.

Der vermeintliche Effekt gegen Kriminelle würde aber vor allem Normalbürger treffen. Ohne Bargeld sind all ihre Zahlungen und Transaktionen transparent und nachvollziehbar. Bye bye ökonomische Privatsphäre! Potenziell wissen Staat, Unternehmen und Geheimdienste dann, was man wo, bei wem kauft. Dass dieser Datenschatz geheim und ungenutzt bleibt, ist nicht zu erwarten.

Hinter der Debatte steht aber noch ein ganz anderes Motiv.

Um das Wirtschaftswachstum zu stützen und der Deflationsgefahr zu begegnen, haben die Zentralbanken in Europa die Zinsen auf fast null Prozent gesenkt. Das soll die Kreditaufnahme verbilligen und so die Nachfrage steigern. Außerdem soll den Sparern das Sparen verleidet werden. Wer auf seine Ersparnis keine Zinsen bekommt oder sogar Geld unter Berücksichtigung der Inflation verliert, der gibt das Geld aus, konsumiert, investiert und kurbelt so die Konjunktur an. So die Hoffnung der EZB.

Bislang funktioniert das aber nicht so richtig. Banken müssen für bestimmte Einlagen bei der EZB bereits heute einen Strafzins bezahlen. Wenn man das ausweitet, müssten auch die Banken in der Lage sein, diese Strafzinsen an ihre Kundschaft weiterzugeben. Davor schrecken die Banken noch zurück, denn die Kunden würden dann ihr Geld vorzugsweise zu Hause unter das Kopfkissen legen.

Wenn es nur noch kleine Scheine gibt, die Auszahlung des Bargeldes begrenzt oder in einem weiteren Schritt ganz abgeschafft wird, könnte niemand mehr sein Erspartes dem Zugriff der Banken entziehen. Dann käme man auch kaum noch der Zahlung von Strafzinsen vorbei.

Ohne Bargeld wäre der Normalmensch schutzlos der Entwertung seiner Ersparnisse ausgesetzt – vor allem die Mittelschicht und die Ärmeren würden getroffen. Die Reichen dagegen haben Unternehmensanteile und Aktien, sie stören die Niedrigzinsen nicht.

Und was ist mit der Konjunktur?

Die Medizin Bargeld-Abschaffung gegen die Nachfrageschwäche ist Symptom-Bekämpfung. Warum haben Unternehmen Milliarden auf ihren Konten und investieren nicht? Warum geben die Sparer ihr Geld nicht stärker für den Konsum aus?

Das wirkliche Problem ist: Es wird gespart, um ein Sicherheitspolster anzulegen für schlechtere Zeiten. Die Unternehmen investieren nicht, weil sie keine steigende Nachfrage sehen. Beides ist kein Wunder: Wegen der verordneten Kürzungspolitik sind den Staaten die Hände gebunden, Konjunkturprogramme gibt es nicht mehr, nur noch die Schuldenbremse. Und wegen des entfesselten Kampfes um „Wettbewerbsfähigkeit“ werden die Löhne in vielen Wirtschaftsbereichen gedrückt. Die leichte Verbesserung der letzten Jahre ist viel zu schwach, sodass in einer Rückschau bis 2000 die Reallöhne für den einzelnen Beschäftigten kaum angestiegen sind.

Die Lösung wäre einfach: Konjunkturförderung ist Sache des Staates. Fehlt ihm Geld, so kann er es sich bei den Reichen holen – ihnen gehört der größte Teil des Vermögens. Und für eine erhöhte Konsumfreude der Haushalte sorgen deutlich stärkere Lohnsteigerungen und positive Einkommenserwartungen von ganz allein.

Ein Debattenbeitrag von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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