Stichtag 2. Dezember 1914 - Karl Liebknecht stimmt gegen die Kriegskredite - SPD stimmte natürlich dafür

Titelblatt der Tageszeitung "junge Welt" vom 2. Dezember 2014. Heute vor einhundert Jahren stimmte Karl Liebknecht als einziger Reichstagsabgeordneter von 110 gegen die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg. | Foto: junge Welt
  • Titelblatt der Tageszeitung "junge Welt" vom 2. Dezember 2014. Heute vor einhundert Jahren stimmte Karl Liebknecht als einziger Reichstagsabgeordneter von 110 gegen die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg.
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Während sich Karl Liebknecht am 4. August 1914 noch zähneknirschend der Fraktionsdisziplin unterworfen hatte und mit seiner damaligen Partei, der SPD, für die Bewilligung der Kriegskredite stimmte, entschied er sich heute vor einhundert Jahren mit seinem legendären NEIN als einziger von 111 SPD-Abgeordneten des Deutschen Reichstages gegen weitere Kriegskredite zu stimmen. Letztlich führte die andauernde Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten und somit zum ersten Weltkrieg zur Spaltung der SPD und der Arbeiterbewegung, die bis heute anhält.

Angesichts des inzwischen sogar von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) als solchen bezeichneten, völkerrechtswidrigen rot-grünen Angriffskrieges gegen Jugoslawien und des Afghanistankrieges sowie der aktuellen Hetze gegen Russland, scheint zumindest in dieser Beziehung die Spaltung derzeit unüberwindbar. Die Ablehung solcher Kriege und Aggressionen bringt der Partei DIE LINKE regelmäßig von Seiten der Kriegsbereiten den Vorwurf der Nichtregierungsfähigkeit ein. Damit kann sie aber sicher leben.

Der damals 43 jährige Rechtsanwalt und Sozialist Karl Liebknecht, der spätere Begründer der KPD, überreichte dem damaligen Reichtstagspräsidenten zur Aufnahme in den stenographischen Bericht folgende Erklärung, die die linke Tageszeitung "junge Welt" aus Berlin heute zum Gedenken auf ihrer Titelseite abdruckte. Die Begründung erscheint in weiten Teilen aktueller den je:

Meine Abstimmung zur heutigen Vorlage begründe ich wie folgt: Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um die politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital. Es handelt sich vom Gesichtspunkt des Wettrüstens um einen von der deutschen und österreichischen Kriegspartei gemeinsam im Dunkel des Halbabsolutismus und der Geheimdiplomatie hervorgerufenen Präventivkrieg. Es handelt sich um ein bonapartistisches Unternehmen zur Demoralisierung und Zertrümmerung der anschwellenden Arbeiterbewegung. Das haben die verflossenen Monate trotz einer rücksichtslosen Verwirrungsregie mit steigender Deutlichkeit gelehrt.

Die deutsche Parole »Gegen den Zarismus« diente – ähnlich der jetzigen englischen und französischen Parole »Gegen den Militarismus« – dem Zweck, die edelsten Instinkte, die revolutionären Überlieferungen und Hoffnungen des Volkes für den Völkerhass zu mobilisieren. Deutschland, der Mitschuldige des Zarismus, das Muster politischer Rückständigkeit bis zum heutigen Tage, hat keinen Beruf zum Völkerbefreier. Die Befreiung des russischen wie des deutschen Volkes muss deren eigenes Werk sein.

Der Krieg ist kein deutscher Verteidigungskrieg. Sein geschichtlicher Charakter und bisheriger Verlauf verbieten, einer kapitalistischen Regierung zu vertrauen, dass der Zweck, für den sie die Kräfte fordert, die Verteidigung des Vaterlandes ist.

Ein schleuniger, für keinen Teil demütigender Friede, ein Friede ohne Eroberungen, ist zu fordern; alle Bemühungen dafür sind zu begrüßen. Nur die gleichzeitige dauernde Stärkung der auf einen solchen Frieden gerichteten Strömungen in allen kriegführenden Staaten kann dem blutigen Gemetzel vor der völligen Erschöpfung aller beteiligten Völker Einhalt gebieten. Nur ein auf dem Boden der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse und der Freiheit aller Völker erwachsener Friede kann ein gesicherter sein. So gilt es für das Proletariat aller Länder, auch heute im Kriege gemeinsame sozialistische Arbeit für den Frieden zu leisten.

Die Notstandskredite bewillige ich in der verlangten Höhe, die mir bei weitem nicht genügt. Nicht minder stimme ich allem zu, was das harte Los unserer Brüder im Felde, der Verwundeten und Kranken, denen mein unbegrenztes Mitleid gehört, irgend lindern kann; auch hier geht mir keine Forderung weit genug. Unter Protest jedoch gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor, gegen die kapitalistischen Ziele, die er verfolgt, gegen die Annexionspläne, gegen den Bruch der belgischen und luxemburgischen Neutralität, gegen die Militärdiktatur, gegen die soziale und politische Pflichtvergessenheit, deren sich die Regierung und die herrschenden Klassen auch heute noch schuldig machen, lehne ich die geforderten Kriegskredite ab.

Berlin, den 2. Dezember 1914
Karl Liebknecht, damals noch Mitglied der SPD

Sahra Wagenknecht: "Heute vor 100 Jahren fand die Abstimmung zu den Kriegskrediten statt, der sich einzig Karl Liebknecht verweigerte"

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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