Udo Jürgens - mehr als nur ein Sahnehäubchen !

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Wie war ich doch früher blind und taub an den deutschen Schlagersängern vorbei gegangen. Black Sabbath, Led Zeppelin, die unvermeidlichen Stones und viele anderen säumten meinen musikalischen Weg. In Konzerte ging ich von BAP, den Toten Hosen und die letzte Band, die ich in der Mitsubishi-Electric-Hall bewundern durfte, waren die Simple Minds. Aber Udo Jürgens ? Da wäre ich nie drauf gekommen.

Obwohl er meine Familie über vier Generationen erfreute in diversen Fernsehshows. Da war ich noch Kind und saß mit Oma und Mama vor dem TV beim Grand Prix Eurovision und wir lauschten „Merci Cherie“. Meine Tochter liebte den Song „Aber bitte mit Sahne !“ Also schon auch ein Familienmitglied war der Udo Jürgens, wenn ich an die schönen Zeiten denke, wo wir samstags nach dem Bad mit Häppchen vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher saßen und es uns gemütlich machten.

Aber weiter hatte ich den Weg von Udo Jürgens nicht verfolgt. Als denn meine Freundin mir kürzlich erzählte, sie würde zum Udo-Jürgens-Konzert gehen, sah ich mich plötzlich erfreut zu dieser Idee nicken und orderte mir ein Ticket für 88,- Euro. Ich wollte den 80jährigen Mann tatsächlich mal live sehen.

Die Mitsubishi-Elektric-Halle war gestern komplett ausverkauft. Vom Kind bis zur Urgroßmutter waren alle Generationen in dieser Halle vertreten. Freundliche Leute saßen um uns herum und ein Herr erzählte uns, das er mit seiner Frau seit dreißig Jahren zu jedem Udo-Jürgens-Konzert gehe. Ob wir heute zum ersten mal hier seien ? „Ja“, antwortete ich „jetzt sind wir alt genug dafür.“ (Hoffentlich habe ich die nicht beleidigt, aber es rutschte mir so raus).

Auf der Bühne stand ein „Schimmel“-Flügel, an dem Udo uns mit seinen Tastenklängen erfreute. Umgeben war er von Solisten des Pete-Lienhard-Orchesters und je zwei männlichen und weiblichen Chorsängern. Es ehrt einen großen Künstler, wenn er einzelne Solisten seine Band besonders heraus hebt. Und so erlebten wir fantastische Gitarren-, Klarinetten-, Schlagzeug- und Trommelsoli. Erlebten, wir eine Chorsängerin und ein Chorsänger ein tolles Solo sangen, erlebten eine Jazzdiva von schwindelerregender Schönheit, die aus New York angereist war, um „New York, New York“ zu singen, erlebten eine Big-Band, die mit ihrem tollen vielfältigen Sound in jeder Hinsicht mithalten kann mit allen Rock- und Jazzbands dieser Welt und erlebten uns selbst als auf den Sternen schwebend.

Ich wußte nicht, das Udo Jürgens sehr zeitkritische Lieder schreibt, die Umweltzerstörung, Kriege und die Vernichtung der Schöpfung zum Inhalt haben. Ich wußte nicht, wie gekonnt er solche Lieder vertonen kann, mit welchem einprägsamen Sound solche Werke vorgetragen werden können. Mit seiner kräftigen Stimme erreichte Udo Jürgens die höchsten und die tiefsten Töne.

Aber am meisten war ich berührt, das er berührt und dankbar war, vor uns spielen zu dürfen, dankbar vielleicht, weil er das alles im Alter von achtzig Jahren noch kann. Dankbar dafür vielleicht, das er noch gesund ist. Er schien bei jedem Lied berührt – mal melancholisch, mal auch wütend, wenn es darum ging, die Vernichtung der Welt durch die „Männer“ anzuklagen. Denn die „Männer sind das Problem im System“ sang er folgerichtig. Sie führen Friedensverhandlungen und kaufen gleichzeitig Waffen ein. Sie putzen jeden Samstag ihr Auto – aber müllen die Weltmeere zu. Und das schlimmste – die Frauen lieben diese Männer. In einem Lied die ganze Welt – in einer Welt ein kleines wahres Lied.

In der Pause ging ich nach vorne, streichelte die Bühne ein bisschen und erfuhr von der Security-Frau, das bei dem Lied „Ich war noch niemals in New York“, wir alle nach vorne kommen dürfen.

So stand ich denn glücklicherweise in der dritten Reihe vor der Bühne und sah ihn ganz nah vor mir. Bei Guildo Horn hätten wir gesagt: „Wir können ihn schon riechen“. Aber an so was denkt bei Udo Jürgens noch nicht mal jemand.

Dann fragte er uns, ob er ein paar Oldies spielen dürfe. Glauben Sie mir, als er mit seiner klaren Stimme den griechischen Wein besang, fiel ich fast in Ohnmacht – so schön rührend war das. Ich glaubte, auf dem Gesicht von Udo Jürgens so was wahrgenommen zu haben, wie eine kleine Träne.

Dann folgten im Anriss viele seiner alten Lieder Schlag auf Schlag. Kennen Sie noch das Lied „Es wird Nacht Signorina und ich hab' kein Quartier, nimm mich mit in Dein Bettchen. Ich will gar nichts von Dir.“ Ja, so was hatte der Udo früher gesungen – damals hätte niemand gedacht, das dieser Mann mal im hohen Alter Lieder schreibt, die eines Konstantin Wecker würdig wären.

Ob es für diese Lieder das richtige Publikum war ? Bei Konstantin Wecker ist das ja sehr eindeutig. Da kommen die linken und grünen kritischen Zeitgeister und alles ist klar. Aber bei Udo Jürgens kommen die „Merci-Cherie-Leute“. Ja, es ist das richtige Publikum für solche Lieder. Hut ab vor jenen großen Diven, die Stellung beziehen, die einen Standpunkt vertreten, was die Unbill der Welt betrifft, und zwar genau dort, wo es niemand erwartet.

Ich frage mich, was mich in meinen jungen Jahren derart in einen Kokon gezwängt hat, das ich für unsere deutschen Künstler, die deutsche Schlagermusik sangen, so unzugänglich war. Heute finde ich sie alle toll – den Peter Alexander, den Freddy, den Peter Kraus und nicht zuletzt jetzt auch Udo Jürgens an erster Stelle. Kleines Geständnis: Freddy und Peter Kraus habe ich auch live erlebt im hohen Alter....

Ich gehe jetzt allen Unkenrufen Udo Jürgens' zum Trotz ins Kaffeehaus und bestelle mir in meiner Mittagspause ein Stück Kirschkuchen – aber bitte mit Sahne. So Udo, das hast Du jetzt davon ;-))

Fotos: Gudrun Weber

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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