Nicht mehr verstecken: Suchtberatung der Diakonie hilft aus der Alkoholabhängigkeit

Foto: Diakonie Düsseldorf / Kira Küster

"Ich und alkoholkrank? Niemals!" So hat Sabine Neumann (Name geändert) lange gedacht. Obwohl sie da längst jeden Abend trank. Nicht mehr nur Bier, sondern auch die harten Sachen wie Wodka oder Ouzo. Und obwohl sie sich jeden Morgen vornahm, den Alkohol links liegen zu lassen und dann nach der Arbeit doch wieder zur Flasche griff.

„Aber ich habe trotzdem immer geglaubt, dass ich das unter Kontrolle habe“, sagt sie. „Und ich habe mich damit beruhigt, dass ich ja ,nur‘ abends trinke.“ Erst als die Arbeitskollegen sie ansprachen, wegen der Restfahne am Morgen, gegen die auch das Zähneputzen nichts half und ihr Chef ihr schließlich unmissverständlich klar machte, dass das so nicht weitergehen könne, suchte sich Neumann Hilfe. Allerdings nur widerwillig. „Denn von der Einsicht, dass ich alkoholkrank bin, war ich damals noch meilenweit weg.“

Dabei geholfen, sich die Sucht einzugestehen und sie in den Griff zu bekommen, hat Neumann schließlich das Suchtberatungs- und Therapiezentrum der Diakonie Düsseldorf an der Langerstraße. „Die Mitarbeiter haben mich unterstützt ohne mich zu bevormunden“, sagt sie. „Das hat gewirkt. Hätte mir damals jemand Vorschriften gemacht, wäre ich sofort gegangen.“

„Der Weg aus der Sucht ist für jeden anders, darum unterscheiden sich auch die Beratungsverläufe“, erklärt Anja Vennedey, Leiterin des Suchtberatungs- und Therapiezentrums, das Konzept. Viele, die das erste Mal in das Suchtberatungszentrum kommen, fragten sie, ob sie alkoholabhängig seien. „Darauf können wir ihnen keine Antwort geben. Wir helfen ihnen aber dabei, sich auf die Suche nach Antworten zu machen.“ Erst in Einzelgesprächen und Gruppensitzungen, um auszuloten, wo Hilfe und Unterstützung nötig ist. Ziel der Beratung ist es zu klären, wie das Verhältnis zum Alkohol ist. Schädlicher Gebrauch, Missbrauch oder Abhängigkeit – je nach Einordnung fallen die Hilfsangebote aus. „Wenn es sinnvoll ist, suchen wir dann nach einer passenden Therapie.“ Die kann in einer Klinik stattfinden, aber auch tagsüber bei der Diakonie in der Tagesklinik. Auch eine ambulante Therapie in den frühen Abendstunden ist möglich. „Das hat den Vorteil, dass die Teilnehmer weiter arbeiten gehen und das Erlernte direkt zu Hause anwenden können.“

Eis essen statt Alkohol trinken

Sabine Neumann hat sich entschieden, den Entzug im Fliedner-Krankenhaus in Ratingen zu machen, mit dem die Fachambulanz eng zusammenarbeitet. „Ich brauchte Abstand von zu Hause, anders hätte ich es nicht geschafft“, sagt sie. Dabei sei der körperliche Entzug das geringste Problem gewesen. „Schlimm ist es, die psychische Abhängigkeit in den Griff zu bekommen“, erzählt sie. Vor allem die großen Reklametafeln in der Stadt, auf denen Menschen glücklich am Bier nippen, hätten ihr zu schaffen gemacht. „Der Wunsch nach Alkohol war sofort wieder da.“
Heute weiß Sabine Neumann, dass sie mit dem Alkohol auch ihre Gefühle zuschüttete. „Ich war immer eine Einzelkämpferin, die alles mit sich selbst ausmacht“, sagt sie. „Mich anderen zu öffnen musste ich erst mühevoll lernen.“ Statt zur Flasche zu greifen, um sich zu belohnen, geht sie heute lieber ein Eis essen. „Manche Menschen sagen ja, Sport sei ein guter Ausgleich, aber das ist überhaupt nicht meins“, sagt Neumann und lacht.

Der Sucht die Stirn geboten

Vor sechs Jahren hatte Neumann einen Rückfall. Den Mitarbeiterinnen der Suchtberatung rechnet sie hoch an, dass die sie damals wieder freudig willkommen hießen und ihr keine Vorwürfe machten. „Mir ging’s ja sowieso schon miserabel. Ich habe mich fürchterlich geschämt.“ Mittlerweile ist die 55-Jährige seit sechs Jahren trocken und sogar als ehrenamtliche Mitarbeiterin in einer der Motivationsgruppen der Diakonie, in denen Betroffene sich regelmäßig austauschen können, in der Gruppenleitung aktiv. Sabine Neumann ist froh, dass sie es geschafft hat, der Sucht die Stirn zu bieten: „Ich muss mich nicht mehr verstecken. Das ist das Beste daran.“ „Der Weg aus der Sucht ist für jeden anders, darum unterscheiden sich auch die Beratungsverläufe“, erklärt Anja Vennedey, Leiterin des Suchtberatungs- und Therapiezentrums.

Kontakt:

Das Suchtberatungs- und Therapiezentrum der Diakonie unterstützt Menschen, die ein Problem mit Alkohol, Medikamenten, Glücksspielen oder Computerspielen haben. Die Mitarbeiter sind täglich in der Zeit von 8.30 bis 17.30 Uhr unter der Rufnummer 7353264 erreichbar.

Autor:

Kirstin von Schlabrendorf-Engelbracht aus Düsseldorf

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