Weg mit dem I-phon - Fort mit der Abhängigkeit !

Vor vier Jahren empfahl mir mein elektronischer Kommunikationsanbieter ein I-phon auf die Frage hin, was ich am besten mitnehmen würde in eine längere Zeit von Krankenhausaufenthalt und Reha. Es sei kleiner als ein Laptop, ich könne damit e-mails abrufen und auch welche schreiben und könne es überall mitnehmen – sogar in den Operationssaal. Für den günstigen Preis von 150,- Euro plus Zwei-Jahres-Vertrag von 25,- Euro monatlich incl. Gebühren liess ich mich auf das kleine Äpfelchen ein.

Im Krankenhaus löste ich schon Erstaunen aus: „Wir hatten hier noch nie eine Person in Ihrem Alter, die auf so einem Ding rum tackert...“ Und als ich nachts die Nachtwache rief, bekam ich über Lautsprecher zur Antwort: „Laden Sie sich doch eine App …!“

Auch in der anschließenden Reha in Bad Neuenahr wurde mir von den jungen PhysiotherapeutInnen gedeutet, so was hätten sie noch nie gesehen – eine Dame in meinem Alter mit I-Phon auf dem Flur wartend... Was es denn sei und wie ich damit zurecht komme.

Gut kam ich damit zurecht ! Viel zu gut ! Vier Jahre verfolgt mich diese kleine Hexe aus dem Schattenreich des Bösen – liegt trotz der gefährlichen Strahlen neben mir am Bett, weckt mich am Morgen nicht nur mit „Hare Krischna-Hare-Krischna“-Gesängen, sondern weckt auch meine Neugier auf das ganze Leben: auf die Zeitung, auf e-mails, die in der Nacht gekommen sind, auf Kantopia, auf Düsseldorf, auf mein Dorf an der Mosel...

Anfangs war ich ja noch stolz darauf, es hin und wieder mal zu nutzen um ein kleines Video zu drehen von einem Fischreiher an der Ahr oder einem Sangeschor auf einem Weinfest. Später kamen alle Termine in dieses Teufelsding, die ich stets vergaß, anzuschauen, weil der Terminkalender leer war.

Fotos kann ich damit machen ohne Ende – Fotos in der Bewegung, so wie damals analog. Es bewegt sich was und zack: ich halte es felsenfest im I-phon. An die 500 bewegte Fotos sind dort schon abgespeichert und der Speicher ist erst zu 5 % ausgelastet.

Mein Schachprogramm begleitet mich bei Arztbesuchen, meine bla-bla-apps helfen mir, französische und englische Vokabeln zu übersetzen und die sprechende Katze, die alles nachplappert, erfreut manches Kinderherz so sehr, das mich deren Mütter schon zur Ruhe gemahnten, weil die Kids allzu sehr mit dem Kätzchen schimpften, weil es in echt doch nicht so antwortet, wie von den Kids gewünscht.

Bei Gesprächen mit mehreren, wo mich keiner so recht beachtete, hatte ich plötzlich keine Probleme mehr: Ich nahm gelassen mein I-phone heraus und beschäftigte mich mit meinem Leben, das dort irgendwie gespeichert zu sein scheint, schrieb Gedichte, Geschichten, schaute mir den Spiegel online an und war in jeder Gesellschaft immer gut gelaunt und fühlte mich nicht mehr vernachlässigt.

Ich mußte immer grinsen, wenn ich auf Kongressen sah, wie sie alle eifrig in ihren Smart-phones versunken waren und dachte, das das das Leben doch nicht sein kann ! Bis ich irgendwann merkte: doch das ist das Leben ! Das ist so ! Und dann fing ich halt auch damit an – ich gehöre zu denen, die so ein Dingen in der Hand haben – mittlerweile bei Tag und bei Nacht. Mein Geliebter bringt es mir morgens mit dem Kaffee ans Bett – mit einem schweigenden Lächeln... Dann stellt er den Kaffee ab, gibt mir ein Küsschen und – schaut in sein Smartphone.

Wir haben schon ganze Abende in Bars und Restaurants damit verbracht, auf diese Dinger zu glotzen – er auf seins und ich auf meins – und es gab keinerlei Streit. Einträchtig fuhren wir nach Hause im Taxi, nicht ohne dort auch nochmal auf die Dinger zu starren und legten uns danach mit den „Dingern“ ins Bett.

Ich spiele mittlerweile Schach über Internet mit einem Gegner aus Helsinki und mein Geliebter tauscht indische Musik aus mit jemand aus Kalkutta. Er duelliert sich wortgewandt über Facebook mit einer Gruppe über die Beschneidung von Rosenstöcken und ich kontrolliere in einem E-book-Forum, wer meine Artikel liest und tausche Kommentare aus. Die Reise lässt sich beliebig fortsetzen.

Meine Farbstifte und Ölfarben trocknen aus – seine Bücher vergilben – kleine Käse aus den Alpen kaufen wir nicht mehr beim Biobauern. Sie kommen als App aus dem Smartphone direkt in den Kühlschrank – und so schmecken sie auch.

Schluß damit !! Schluß ! Schluß ! Schluß ! - das war damals die Stimme einer Frau von einer Schallplatte, nach der ich Aerobic tanzte. Sie schrie das immer, wenn die Aerobic nach 20 Minuten vorbei war. Diese Worte hingen mir im Ohr, als ich heute zum Telecom-Shop ging. Schluß damit ! Ich gebe mein I-phon ab und habe nur noch mein kleines Motorola-Handy, mit dem man nur telefonieren kann – evtl. noch ein kleines Foto – und sonst nix !

Telekom-Shop am Köbogen:

Nach einem Kaffee im neuen Breuninger-Kaufhaus im neuen Poccino-Caffee, wo ich nochmal im kleinen I-phone meine mails checke, betrete ich den Telecom-Shop und treffe auf einen Verkäufer mit einer kleinen Moselfärbung in seiner Aussprache. „Isch bin I-phon-süchtich – isch will dat net mehr“, sage ich. Ja, man kann tatsächlich sein I-phon dort abgeben und bekommt noch ein bisschen Geld dafür.

Wofür denn, wofür denn ?, sagt der Mann von der Telekom. (Wir sagen an der Mosel „wofür“ und nicht „warum“.) Also „wofür wollen Sie dat denn abgeben ?“ - sagte der Mann am schönen Kö-Bogen-Shop.

„Die Augen, die Sucht !“ - sage ich bestimmt. „ Meine Augen können das kleine I-phon nicht mehr ertragen. Ich drohe zu erblinden, wenn das so weitergeht. Holen Sie mir es weg !“

Während ich so rede, tackert die Azubi von der Telekom auf einem kleinen I-pad-Mini von Apple herum und schaut mich mit großen Augen an: „Hierbei tun Ihnen die Augen aber nicht weh ! Schauen sie mal !“ „NEIN“ - ich will mein I-phon abgeben, aus dem Vertrag aussteigen und nur noch mit Motorola fotografieren...

Aber mein linkes Auge fällt auf das Pad und mir fällt plötzlich ein, das ich nicht ewig lebe. Und ich frage mich, warum ich überhaupt lebe. Und ich denke an den Fischreiher von der Ahr, an die vielen schönen Fotos in Bewegung, an Bla-Bla und die mails morgens im Bett und den Spiegel online abends vor dem schlafengehen.

„Darf ich das I-pad mal anfassen ?“ - hauche ich mit letzter Kraft und ich mache ein Foto von ihr, von mir, von dem Telekom-Mann mit der Moselfärbung in der Stimme und das Dingen ist so leicht und so groß und hat ein großes Display....

Gell, Sie wissen schon – natürlich wissen Sie es !

Wenn ich jetzt Schach spiele mit dem Freund in Helsinki, dann sehe ich die Schachfiguren klar und deutlich vor mir und ziehe nicht König statt Dame. Und wenn ich jetzt einen Vogel aufnehme, ist das ein Gefühl wie mit einem Videoapparat. Und sollte ich mich nochmal in Gesellschaft langweilen, dann kann ich ganze Bücher lesen...

Für 20.- Euro mehr monatlich die kommenden zwei Jahre werde ich Freude haben ohne Ende – an einem großen Display – verbunden mit Helsinki, mit Spiegel-Online, mit E-book und Facebook...

Weihnachten werde ich die Ölfarben mit Terpentin aufweichen, die Farbstifte nutzen, mit dem Geliebten in echt wieder mal Halma spielen. Alles werde ich tun ! Alles ! Aber mein neues I-Pad nimmt mir so schnell keiner wech !

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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