Ein Stück Zoogeschichte verschwindet unbemerkt

06.01.2015. Soweit man als Normalbesucher herankommt und eine Handykamera reicht: Der Tank der Wasseraufbereitungsanlage liegt bereits flach, die Pfeiler des Sonnensegels sind weg, die hölzernen Westernfassaden der Dienstgebäude verschwunden, Teile des Beckens schon abgerissen.
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  • 06.01.2015. Soweit man als Normalbesucher herankommt und eine Handykamera reicht: Der Tank der Wasseraufbereitungsanlage liegt bereits flach, die Pfeiler des Sonnensegels sind weg, die hölzernen Westernfassaden der Dienstgebäude verschwunden, Teile des Beckens schon abgerissen.
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In dieser Woche haben im Zoo die Bauarbeiten für die neue Tigeranlage begonnen. Unter Einbeziehung der vorgelagerten Grünanlage und Weiternutzung der bisherigen Stallungen wird aus dem 53 Jahre alten, mit einem platzverschwenderischen Wassergraben umgebenen Gehege eine weitläufigere, zweiteilige Anlage mit Wasserläufen, Badeteichen und einem für die Besucher nicht einsehbaren Mutter-Kind-Bereich. Im Zuge des Umbaus verschwinden nun auch die seit mehr als 10 Jahren hinter einem Zaun verborgene Ruine des Walariums.

Nicht erst seit der seinerzeit europaweit erstmaligen Haltung von Weißwalen und Commerson-Delphinen war diese Anlage ein Stück Zoogeschichte. Errichtet wurde das ca. 10x10 Meter große und drei Meter tiefe Becken mit zwei kleinen Abtrennbecken als Delfinum für die ersten 1965 aus Florida importierten Großen Tümmler und bildete somit den Ursprung der nunmehr seit 50 Jahren existierenden Delphinhaltung im Zoo Duisburg.

Nach dem Umzug der Großen Tümmler in das 1968 eröffnete Delphinarium, heute die Aufzuchtsstation und der Rückzugsbereich des modernen Komplexes, blieb das Becken nur kurze Zeit ungenutzt. Anstoß hatte bereits 1966 der in den Rhein verirrte Beluga "Moby Dick" gegeben, und so richtete der damalige Zoodirektor Wolfgang Gewalt 1969 und 1975 zwei Fangexpeditionen zur kanadischen Hudson Bay aus, durch die erst die beiden Weibchen Moby (zuerst für ein Männchen gehalten) und Allua, später dann das Männchen Ferdinand nach Duisburg kamen. Das ehemalige Delphinum wurde zum Walarium, der Beluga zum Wappentier des Zoos.

1978, 1980 und 1984 wurden auf einer Expedition nach Feuerland zudem insgesamt 18 Commerson-Delphine, präsentiert unter dem Namen "Jacobita", gefangen, von denen effektiv aber nur vier, die Männchen Gaucho (1980-1982), Pepe (1980-1989), Busso (1984-1991) und Jogi (1978-2004), länger als ein Jahr in Duisburg lebten.

Jungtiere kam in der Anlage nicht zur Welt. Allua starb bereits 1984. Moby war bei ihrem Tod 1999 33 Jahre alt, wobei die Lebenserwartung ihrer Art in der Wildbahnbei bei 25-30 Jahren liegt. Kann der Versuch, eine dauerhafte Haltung von Commerson-Delphine zu etablieren, zumindest in Duisburg trotz wiederholter Importe als missglückt gewertet werden - in den USA und Japan gelingt die Haltung und Zucht dieser Art heute relativ gut - so hatte zumindest die Haltung der Belugas im Walarium immerhin mehr als 30 Jahre Kontinuität, aber keine Zukunft.

Galt die Anlage in 1960er Jahren als angemessen, erwies sie sich noch zu Amtszeiten Dr. Gewalts (1966-1993) für eine dauerhafte Unterbringung von Weißwalen gemäß neueren Erkenntnissen als ungeeignet. Die mitlerweile zu einer Länge von mehr als drei Metern herangewachsenen Belugas konnten senkrecht nicht vollständig untertauchen. Stets ragte die Fluke aus dem Wasser und wurde von den Besuchern als spielerischer Kopfstand missgedeutet. Zudem boten die Beckenmaße einen nur extrem begrenzten Bewegungsraum. Ein noch Anfang der 90er Jahre von Dr. Gewalt geplantes neues Walarium wurde von seinem Nachfolger Reinhard Frese nicht realisiert. Die beiden Tiere waren zu diesem Zeitpunkt schon über 20 Jahre alt, jüngere dazu zu bekommen, unwahrscheinlich, während es bei den Großen Tümmlern bereits mehrere, auch erfolgreiche Geburten gegeben hatte. Das Ende der Beluga-Haltung und des Walariums war damit faktisch besiegelt, die tatsächliche Aufgabe erfolgte aber erst nach Mobys Tod 1999.

Eine Weiterhaltung bis zu ihrem Lebensende in der zu kleinen, veralteten und inzwischen auch schon verfallenden Anlage ohne Artgenossen wollte man den Tieren nicht zumuten. Ein geeignetes Unterkommen erwies sich jedoch als nicht einfach zu finden, da es in Europa keine weiteren Haltungen gab, und die beiden Männchen, beide an die 30 Jahre alt, sich möglicherweise in bestehende Gruppen nur noch schwer eingliedern könnten und für die Zucht nur noch bedingt geeignet waren.
Schließlich war die SeaWorld San Diego bereit, sowohl den Beluga als auch den Commerson-Delphin in ihre Gruppen aufzunehmen. Mit dem Abtransport am 11.09.2004 endete die Belugahaltung im Duisburger Walarium.

Der Commerson-Delphin Jogi starb wenige Monate nach der Ankunft, er hatte das höchstmögliche Alter kleinerer Delphinarten von ca. 30 Jahren bereits erreicht. Der Beluga Ferdinand lebt heute noch in San Diego, zusammen mit einem weiteren Männchen, einem 30jährigen Altweibchen und zwei fünfjährigen weiblichen Nachzuchten. Mit über 40 Jahren ist er einer der ältesten bekannten Weißwale weltweit.
Belugas halten in Europa nur das Aquarium L'Oceanografic im spanischen Valencia in Gestalt zweier männlicher Tiere, und noch eine größere Anzahl russischer Einrichtungen.

Nachdem die Beluga-Haltung in Duisburg vor nunmehr elf Jahren beendet wurde, verschwindet jetzt auch der letzte Rest der Anlage, der an diesen Teil der Geschichte des Zoo Duisburg erinnerte.

Autor:

Daniela Breuer aus Duisburg

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